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Exoskelette
Laufen im Roboteranzug

Ein sogenanntes Exoskelett, eine Art Roboteranzug, ermöglicht es Menschen, die ihre Beine nicht mehr bewegen können, wieder zu laufen. Noch geht das nur mit professioneller Begleitung - die Entwicklung immer besserer Geräte ist jedoch rasant.

Von Jochen Steiner | 17.02.2015
    Test mit einem Exoskelett in einem Rehabilitationszentrum in Amsterdam.
    Test mit einem Gangroboter, auch Exoskelett genannt. (picture alliance / dpa / Sander Koning)
    Dale Messenger ist seit fünf Jahren querschnittgelähmt und auf seinen Rollstuhl angewiesen. Aber es gibt da eine besondere Stunde am Tag, dann steht der Engländer auf und läuft los.
    "I've been walking for about two years. And from April this year I've been walking from Monday to Friday an hour a day. So quite regular over the last few months."
    Seit zwei Jahren läuft Dale Messenger, seit April 2014 eine Stunde am Tag, von Montag bis Freitag. Das ist nur möglich, weil er dann in einem Exoskelett steckt, das ihn beim Laufen unterstützt.
    "Also Ekso ist ein tragbares, batteriebetriebenes Exoskelett. Im Prinzip ein Roboteranzug, den man anlegen kann, mit vier Motoren an den Seiten, Bein-, Fußplatten und einer Computer- und Batterieeinheit auf der Rückseite, die man tragen kann wie einen Rucksack, die aber mit dem Gerät verbunden ist. Also man muss das Gewicht nicht tragen, das Gerät trägt sich selbst, man trägt nur sein eigenes Körpergewicht," erklärt der Physiotherapeut Dennis Veit, der für die US-Firma Ekso Bionics arbeitet, die dieses Exoskelett herstellt und verkauft.
    Er hat das Gerät vor sich auf die Beinlänge und den Hüftumfang von Dale Messenger angepasst. Der Computer im Roboteranzug hat daraus einen Gang-Algorithmus berechnet, der zu Dale Messenger passt.
    Ein paar Handgriffe später umschließt das Exoskelett eng die Beine und den Rücken des Querschnittgelähmten. Noch sitzt Dale Messenger auf einem Stuhl.
    Der Engländer steht, eine Krücke in jeder Hand.
    Dale Messenger drückt an der rechten Krücke einen Knopf, den Start-Stop-Knopf.
    "Wenn ich diesen Knopf an der Krücke betätige, höre ich einen Ton und weiß, dass das Exoskelett bereit ist zu laufen. Dann muss ich mein Gewicht auf das linke Bein verlagern. Ekso beginnt immer mit einem Rechtsschritt. Und ich mache einen Schritt. Ab jetzt wird jeder Schritt durch die Gewichtsverlagerung ausgelöst, sonst läuft Ekso nicht. Und los geht's!"
    100 Kilo Maximalgewicht - aus Sicherheitsgründen
    Drucksensoren in den Beinplatten und ein Gyroskopsensor im Rücken registrieren die Gewichtsverlagerung und das Exoskelett löst den Schritt aus. Dennis Veit läuft neben Dale her, denn das Exoskelett ist ein Therapiegerät, das nicht ohne geschultes Personal benutzt werden darf. Der Physiotherapeut beschreibt die Zielgruppe und erläutert:
    "Dass jeder, der eine Schwächung oder Lähmung der unteren Extremitäten hat, prinzipiell geeignet ist, in Ekso zu laufen. Eine Größenreichweite haben wir von 1,50 ungefähr bis 1,90 Meter. Gewicht maximal 100 Kilogramm aus Sicherheitsgründen, weil wenn man sich vorstellt, man muss 23 Kilogramm Ekso plus 100 Kilogramm Patient als Therapeut auch irgendwie händeln. Für Querschnittgelähmte, für Schlaganfallpatienten, für Multiple Sklerose-Patienten, für Barré-Patienten, alles was mit einer Schwächung der Beine einher geht oder die Gehfähigkeit beeinträchtigt."
    Wie oft mit diesem oder einem ähnlichen Exoskelett anderer Hersteller in einer Reha-Einrichtung trainiert wird, hängt von der jeweiligen Erkrankung des Patienten ab. Ziel ist es, die verbliebene Muskelaktivität zu erhalten und dann zu stärken. Hierfür kann Ekso in einen speziellen Modus geschaltet werden.
    "Das Exoskelett macht nicht immer dieselbe Arbeit oder gibt nicht 100 Prozent, sondern man kann es so einstellen, dass es dem Patienten nur so viel Power zusätzlich gibt, wie der Patient Defizit hat. Also der Patient kann mitarbeiten und muss nicht 100 Prozent passiv sein."
    Als Nachteilsausgleich noch nicht geeignet
    Auch Dr. Mirko Aach von der Uniklinik Bergmannsheil in Bochum arbeitet mit Exoskeletten. Der Oberarzt der Abteilung für Rückenmarkverletzte und sein Team setzen das Exoskelett HAL eines japanischen Herstellers ein. Sie konnten in einer Studie zeigen, dass Rückenmarkverletzte, die ein regelmäßiges Bewegungstraining mit HAL durchführten, ihre Bewegungsfähigkeit teils deutlich verbessern konnten.
    Mirko Aach kennt aber auch das Exoskelett, mit dem Dale Messenger trainiert.
    "Wenn man dieses Gerät für eine Rehabilitation nutzt, das heißt, man nutzt den Effekt des Stehens und des Gehens therapeutisch, ist es ein gutes Gerät. Wenn man es sozusagen andenkt als Hilfsmittelversorgung, sozusagen Nachteilsausgleich der Lähmung oder auch Rollstuhlersatz, dann sind diese Entwicklungen einfach noch nicht ausgereift genug. Das wird noch nicht funktionieren."
    Noch nicht. Aber vielleicht können Menschen sich eines Tages mit einem Exoskelett ebenso schnell fortbewegen wie mit einem Rollstuhl. Die Entwicklung ist rasant.
    "Letztendlich haben die Hersteller daran gearbeitet, diese Geräte schnell einstellbar zu machen, entsprechend flexibel zu gestalten, leistungsstärkere Akkus entwickelt und natürlich auch versucht, Beispiel Ekso, Beispiel HAL, natürlich auch die Steuerungsmöglichkeiten zu verfeinern. In Bezug auf Ekso war es letztendlich so, dass diese Möglichkeit, dass der Anwender aktiv sich an der Bewegung beteiligen kann, eigentlich eine Entwicklung aus dem letzten Jahr erst ist, also relativ aktuell."
    Und wenn die Forscher die Technik weiter vorantreiben, dann könnte es in ein paar Jahren Exoskelette geben, mit denen die Anwender ohne Gehhilfen laufen können.