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Exoten mit Tiefgang

Physik. - Terahertzwellen liegen mit einer Billion Schwingungen pro Sekunde in einem Frequenzbereich zwischen Mikrowellen und Infrarot und ermöglichen spannende Innenansichten. Weil aber der Aufwand hierfür enorm ist, fristen die Wunderwellen ein Schattendasein. Braunschweiger Physiker wollen das bald ändern.

Von Michael Engel |
    Die Versuchsanlage im Institut für Hochfrequenztechnik der TU Braunschweig passt auf eine Platte im Format eines Esstisches. Die Unterlage besteht allerdings nicht aus Holz, sondern aus gelochtem Blech, auf dem viele kleine Umlenkspiegel montiert sind. Norman Krumpholz zeigt auf eine Box, etwa so groß wie ein Schuhkarton:

    "Wir haben hier einen Femtosekundenlaser, der extrem kurze Pulse aussendet im sichtbaren Bereich. Und diese Pulse lenken wir über verschiedene Spiegel und fokussieren sie letztendlich auf den Eingang von Glasfasern, wo sie weiter geleitet werden, um im entscheidenden Falle dann an der Emitter- und der Detektor-Antenne, das heißt also am Sender und am Empfänger, Terahertz-Strahlen erzeugen und im Endeffekt zur Detektion benutzt werden."

    Der Versuchstisch war Ausgangspunkt für die Konstruktion eines etwa Wäschekorb großen Terahertzspektrometers für die Kunststoffindustrie. Hersteller könnten damit die Qualität ihrer Kunststoffe kontrollieren, ohne sie zerstören zu müssen. Steffen Wietzke war maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt.

    "Viele Standard-Kunststoffe – Polyäthylen, Polypropylen – also was Sie auch von den Plastiktüten her kennen, sind im Terahertzbereich transparent. Wir können auch unterschiedliche Kunststoffe aufgrund von Materialparametern wie Brechungsindex oder Absorption voneinander unterscheiden. Allerdings Zusatzstoffe, die ich in meine Kunststoffmatrix einbette, die kann ich in einem Terahertz-Bild, wenn ich bildgebend arbeite, detektieren: Wie fein sind die Teilchen verteilt."

    Anwendungen für Terahertzwellen sind damit noch lange nicht erschöpft. Die Wissenschaftler im Institut für Hochfrequenztechnik der TU Braunschweig entwickeln zur Zeit einen Detektor für flüssige Sprengstoffe, interessant besonders für Personalkontrollen an Flughäfen. Da Terahertzwellen von Wasser stark absorbiert werden, haben die Wissenschaftler ein weiteres Gerät zur Messung des Wassergehaltes in Ackerpflanzen konstruiert. Die hochfrequenten elektromagnetischen Wellen, so Institutsleiter Professor Martin Koch, könnten auch unsere drahtlosen Kommunikationssysteme revolutionieren.

    "Mit heutigen W-Lan-Systemen, wenn sie sage ich mal 50 Leute hätten, die in einem Raum gleichzeitig sitzen und müssten sich die Bandbreite teilen, dann könnte keiner von denen drahtlos Video schauen. Unsere Vision ist es, dass irgend wann 50 Konferenzteilnehmer in einen Saal kommen, und da sind alle gleichzeitig mit dem Internet verbunden: Mit Videodatenraten in sehr guter Qualität. Und das können heutige W-Lan-Systeme nicht leisten. Und da muss man einfach zu höheren Trägerfrequenzen gehen, und dann ist man einfach im Terahertzbereich."

    Kürzlich gelang den Forschern erstmals weltweit die drahtlose Übertragung eines Fernsehsignals – mit einem Clip aus der Sci-fi-Serie "Futurama". Die Trägerfrequenz von 300 Gigahertz soll Datenraten von mehr als zwei Gigabit pro Sekunde ermöglichen. Herkömmliche W-Lan-Systeme gehen heute bis maximal 20 Megabit pro Sekunde. Das heißt: Terahertzwellen beschleunigen die Datenübertragungsraten um den Faktor 10.000 bis 20.000.

    "Ziel muss es eben sein, dass man in zehn bis 15 Jahren Terahertz-Sender und –Empfänger hat, die dann nur noch wenige zehn Euro kosten, so dass jeder von uns die sich leisten kann, dass man die dann letztlich auch im Laptop drin haben kann."

    Zurzeit kosten Geräte zur Erzeugung von Terahertzwellen rund 60.000 Euro. Eine breite Anwendung steht schon allein deswegen nicht unmittelbar vor der Tür. Außerdem ist da noch die Frage nach den gesundheitlichen Auswirkungen der unsichtbaren Terahertzwellen. Das Bundesamt für Strahlenschutz will jetzt mit Hilfe von Mikroorganismen klären, ob erbgutschädigende Wirkungen zu befürchten sind. Professor Martin Koch rechnet mit einem negativen Ergebnis: Jeder Mensch, so der Hochfrequenz-Experte, strahlt Terahertzwellen ab. Die niedrigen Leistungen, die für technische Systeme diskutiert werden, könnten eigentlich nicht schädlich sein.