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Exotische Schädlinge

In der Landwirtschaft ist die Blattschneiderameise als Schädling gefürchtet - eine große Kolonie vertilgt pro Tag so viel Grünzeug wie eine erwachsene Kuh. Eine Kölner Familie hat die zweieinhalb Zentimeter großen Tiere in diesem Sommer im eigenen Haus beobachten können.

Von Claudia Hennen |
    Ein schmuckes Wohnviertel in Köln-Holweide. Ein Vorgarten reiht sich an den anderen, überall blüht und grünt es, hinter einem Reihenhaus plätschert ein Brunnen friedlich vor sich hin. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Bis vor einem Dreivierteljahr. Da machte die Familie Ditz eine unangenehme Entdeckung. Karl Ditz, pensionierter Gärtnermeister, erinnert sich:

    "Wir beobachteten, dass sich sehr große Ameisen plötzlich zeigten und munter über unseren Parkettboden liefen und ins Badezimmer und wir uns bei Gott nicht denken konnten, wo kommen die Ameisen her, es war ja schließlich Winter. Nun waren die Ameisen aber so groß, viel größer als die Wald- oder Rasenameisen bei uns, und dann habe ich den Entschluss gefasst, einige Tiere aufzunehmen und die mal irgendeinem Zoologen zu zeigen."

    Der Befund war eine kleine Sensation: Es handelt sich um eine besondere Art der so genannten tropischen Blattschneiderameise - die Acromyrmex octospinosus. Bis dato waren diese zweieinhalb Zentimeter großen Tierchen in Europa in freier Natur noch nie gesichtet worden. Ursprünglich sind sie in den Regenwäldern Mittel- und Südamerikas zuhause und bilden dort sehr große Kolonien. Sie leben von einem Pilz, den sie züchten und ständig mit großen Mengen an frischen Blättern, Blüten und abgefallenem Laub füttern - daher auch ihr Name "Blattschneiderameise". Die flinken Insekten plünderten in den Sommermonaten den Garten der Familie Ditz:

    " Hier wurde erstmals deutlich, dass es ein unangenehmes Insekt ist, diese Begonie war total abgefressen, so dass nur noch eine kleine Mittelrippe stehen blieb. Das war eine große Pflanze, die ist fast auf Null herunter gefressen worden. Das Gleiche passierte mit der Fuchsie, die kahl ist. Es ist ein erheblicher Schaden."

    Die Ameisen wohnen nebenan. Der Nachbar der Familie Ditz ist als Halter exotischer Tiere bekannt. Tropische Ameisen im Terrarium zu züchten, ist hierzulande keine Seltenheit. Kolonien werden im Internet zu hohen Preisen gehandelt, doch sie müssen artgerecht gehalten werden, warnt der Insektenspezialist Reiner Pospischil, der für den Konzern Bayer AG in der Schädlingsbekämpfung arbeitet:

    "Diese Tiere stammen aus Costa Rica - Panama und werden zum Teil aus Französisch-Guayana bei uns eingeführt, für Leute, die die Tiere zuhause halten wollen, wo im Prinzip nichts gegen zu sagen ist. Jedoch muss man die Tiere so halten, dass sie auf keinen Fall aus dem Terrarium ausbrechen können. Und in dem vorliegenden Fall haben die Tiere ausbrechen können und haben sich im Haus etabliert, und dann das Haus, als es wärmer wurde, durch irgendwelche Ritzen und Spalten verlassen. "

    Wie viele Tausend anderer Ameisenarten sind auch die Acromyrmex octospinosus noch kaum erforscht. Experten nehmen aber an, dass die Kolonien nicht nur eine Königin haben, sondern mehrere und dass die verschiedenen Nester miteinander verbunden sind. Das allerdings bedeutet, dass die Ameisen sich in kurzer Zeit explosionsartig vermehren können und dass es schwierig ist, ihre Nester aufzuspüren:

    " Die Tiere leben im Verborgenen. Das bedeutet: Man muss den Fußboden öffnen, Fußleisten öffnen. Man kann versuchen, mit einem sehr empfindlichen Mikrophon irgendwelchen Geräuschen nachzugehen. Dort, wo man vermutet, dass die Tiere sitzen, wird die Wand oder dergleichen aufgebohrt, und dann mit einem Endoskop nachgeschaut, ob da drin Leben herrscht."

    Am effektivsten in der Bekämpfung sind Köder mit Giftstoffen, die die Ameisen in ihre Nester zurücktragen und an denen sie schließlich sterben. Doch passende Köder existieren in Deutschland noch gar nicht, weil die Blattschneiderameisen ja bisher nicht auf dem europäischen Kontinent vorkamen. Am besten wäre es, Giftstoffe aus Mittel- und Südamerika zu importierten und auszuprobieren:

    "Solche Köder lohnen sich nur dann zu installieren, wenn man in das Haus reinkommt. Und dann muss es durch einen versierten Schädlingsbekämpfer gemacht werden, der weiß, was er zu tun hat, wo er zu suchen hat."

    Professionelle Hilfe hat der Nachbar der Familie Ditz nicht angefordert und zu den Ameisen will er sich nicht äußern. Den Behörden ist das Problem seit langem bekannt, aber sie können wenig tun. Der Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer NRW ist nur im Außenbereich zuständig, hingegen liegt die Ursache des Übels im Haus.

    Auch dem Kölner Veterinäramt sind die Hände gebunden, Schädlingsbekämpfung ist in diesem Fall Privatsache. Immerhin: In den letzten regnerischen Wochen haben sich die hartnäckigen Tierchen zumindest aus dem Garten verkrochen.