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Expedition zur Laptewsee

Polarforschung. - Am Mittwoch ging in Bremerhaven das 2. internationale Alfred-Wegener-Symposium zu Ende, das dieses Jahr anlässlich des 125. Geburtstages des Polarforschers stattfindet. Auch heute noch sind seine wissenschaftlichen Nachfahren in den kalten Gebieten der Erde unterwegs, um Klimastudien zu betreiben. So stellte ein deutsch-russisches Forscherteam in Bremerhaven die Ergebnisse der COAST-1-Expedition in die nordsibirische Laptewsee vor.

Von Michael Stang |
    " Es war schon relativ mild, da es bereits Frühling war. Aber die Temperaturen draußen lagen so zwischen minus 14 und minus 28 Grad,"

    sagt Ralf Junker von der Universität Bremen. Der Geologe machte sich im April zusammen mit fünf Wissenschaftlern und einer Bohrmannschaft auf, den Übergang des Dauerfrostes von Land und Meer unter die Lupe zu nehmen. Ihr Ziel war der Küstenbereich der westlichen Laptewsee im eisigen Niemandsland nördlich von Sibirien, wo es im Radius von 400 Kilometern keine menschliche Siedlung gibt. Der Permafrost ist dort während der letzten Eiszeit entstanden. Damals war der Meeressspiegel deutlich niedriger. Mit dem Ende der letzten Eiszeit stieg jedoch der Meeresspiegel wieder an und überspülte allmählich den gefrorenen Boden.

    " Das bedeutet, dass der Permafrost an Land sehr niedrigen Temperaturen durch die Luft ausgesetzt ist. Das sind jetzt zurzeit in der Gegend wo wir waren mit 13 Grad im Jahresmittel und das Meereswasser, was dann später den Permafrost überdeckt, das ist wesentlich wärmer. Das hat also nur Temperaturen um die minus 1,5 Grad, d.h. der Permafrost wird von dem Meerwasser erwärmt. Und damit besteht die Möglichkeit, dass der Permafrost degeneriert, also sich auflöst. "

    Um dies herauszufinden, bohrten die Forscher mehrere Löcher bis zu 70 Meter tief in den Boden. So wollten sie feststellen, wie groß genau die Permafrostschicht noch ist.

    " Meine spezielle Aufgabe war die Messung der Temperaturen in den Bohrlöchern und die Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit an den Bohrkernen. Das heißt, im Wesentlichen habe ich dann, nachdem die Bohrung abgeteuft wurde, mit einer Bohrlochsonde die Temperatur in den Bohrlöchern gemessen. Die ist nicht überall gleich und man kann aus dem Verlauf der Temperaturkurve dann schließen, in welchem Zustand sich der Permafrost dort insgesamt befindet."

    Die Forscher machten mit ihren Messungen einen Profilschnitt von elf Kilometern Länge, der komplett den Übergang vom Festland zum marinen Bereich abgedeckt. Eine Pionierarbeit, ähnlich der Alfred Wegeners in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

    " Die Daten, die wir gewonnen haben, sind einzigartig, weil in der Laptewsee so eine Expedition mit Erbohrung des submarinen Permafrostes noch nie stattgefunden hat. Das heißt, alle Daten die wir gesammelt haben, das sind ja Temperaturdaten, Salzgehaltdaten und dann natürlich auch die Beschreibung der Bohrkerne mit den darin enthaltenen fossilen Hölzern und Sedimentstrukturen."

    Diese Daten sind für Computermodelle als Eingangsparameter wichtig, mit denen jetzt genauere Vorhersagen für klimatische Veränderungen möglich sind. Hinter der ganzen Expedition steht folgende Überlegung: Der Permafrost stellt eine undurchlässige Deckschicht für Methangase dar. Diese werden daran gehindert, an die Oberfläche zu kommen. Wenn der Permafrost auftaut, können die gefährlichen Gase entweichen. Und tatsächlich ist die Permafrostschicht dünner als erwartet. Die Forscher konnten jetzt erstmals nachweisen, dass sich der Permafrost schneller an die Meerwassertemperatur angeglichen hat als erwartet. Bereits 500 Jahre nach der Überflutung hatte der Untergrund im Meer bereits die Temperatur des Wassers angenommen. Diese Erwärmung beeinflusst die Stabilität des Permafrostbodens, da es langfristig kein Kältereservoir mehr im Untergrund gibt. Dramatisch sei die bisherige Erwärmung aber keineswegs zu nennen, mein Ralf Junkers.

    " So wie es aussieht, braucht man sich also keine Sorgen machen, da wird demnächst keine größere Katastrophe ins Haus stehen. Allerdings zeigt eben die Tatsache, dass es auch Bereiche gibt, die getaut sind oder sozusagen Löcher im Permafrost bereits existieren, dass eben schon seit sehr langer Zeit Wegsamkeiten für diese Gase existieren und dass es also keine schlagartige Freisetzung von solchen Gasen geben wird."

    Um weitere Daten zu bekommen, sollte im September eine weitere Expedition Bohrungen vornehmen. Ralf Junker saß schon auf gepackten Koffern im Flughafen Hamburg, als die Absage für die Folgexpedition Transdrift XI kam. Das Bohrschiff Kimberlit konnte die Nordostpassage Vilkitzky nicht passieren, da die Strasse mit Packeis dicht war. So muss der Geologe weiter auf das nächste Abenteuer warten, dass sich selbst heute in der modernen Welt nur geringfügig von den Erlebnissen und Entbehrungen Alfred Wegeners unterscheidet.

    " Eine Expedition in der Arktis, das ist auf jeden Fall ein ganz besonderes Erlebnis. Insofern, dass man auf engstem Raum zusammenwohnt, in zwei bauwagenähnlichen Gebilden übernachtet. Das sind zweistöckige "Baloks" gewesen, in denen sich im unteren Stockwerk so ein kleiner Aufenthaltsraum befand und oben waren dann die Schlafkajüten. Und so an die persönlichen Ansprüche auch in Sachen Hygiene muss man natürlich ja schon ganz schöne Zugeständnisse eingehen. Also, wir hatten nur die Gelegenheit einmal zu Duschen während der fast vier Wochen. "

    Link zum Thema

    Alfred-Wegener-Symposium