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Extrem hitzeliebend

Mikrobiologie. – Das Leben hat auf der Erde zahlreiche eigentlich lebensfeindliche Räume erschlossen. Mikrobiologen von der Universität Massachusetts präsentieren jetzt ein weiteres Beispiel. In der jüngsten Ausgabe von "Science" stellen sie ein Bakterium vor, das sich bei 122 Grad erst so richtig wohl fühlt.

    Von Kristin Raabe

    Krabben ohne Augen, Würmer ohne Darm und weiße Bakterienwolken - in rund 2500 Meter Meerestiefe sammelt sich viel ungewöhnliches Leben um einen Schornstein, der heißes Wasser aus dem Erdinneren entlässt. Ein sogenannter Black Smoker - also ein schwarzer Raucher - ist eine heiße Quelle am Meeresgrund. Sie erwärmt eine ansonsten eher Lebensfeindliche Umgebung. In der Tiefsee herrschen normalerweise 2 Grad Celsius. Aber wie viel Wärme verträgt ein Lebewesen eigentlich - diese Frage hat Derek Lovley von der Universität von Massachusetts untersucht:

    Wir bekamen eine Probe aus einem dieser Black Smoker. Wir untersuchten sie dann in einer Nährlösung die viel Eisen enthielt. Was dann herauskam war überraschend: Ein Bakterium aus der Probe vermehrte sich immer weiter - auch wenn wir die Temperatur ständig erhöhten. Wir fingen bei 100 Grad Celsius an. So eine Temperatur ist für solche Bakterien gar nicht so ungewöhnlich. Aber als wir schließlich auf 120 Grad hochgingen, wuchs dieses Bakterium immer weiter. Schließlich packten wir es in einen sogenannten Autoklaven, der Gegenstände bei über 121 Grad sterilisiert. Auch das machte dem Bakterium nichts aus.

    Das Superbakterium war erst kaputtzukriegen, als die Forscher es in einen Kühlschrank packten. Wie sein Organismus sich an die große Hitze anpasst, darüber können die Wissenschaftler im Moment nur rätseln. Sicher ist sich Derek Lovley im Moment nur über eins: Das Superbakterium ist kein Einzelfall:

    Nun, wo wir wissen, dass es solche Hitze-resistenten Bakterien gibt, werden wir auch immer mehr davon entdecken. Wir haben erst bei 100 Grad Celsius angefangen unsere Proben zu kultivieren. Wer weiß - wenn wir bei einer höheren Temperatur angefangen hätten, dann wären wir wahrscheinlich auf ein Bakterium gestoßen, dass noch viel mehr Hitze verträgt.

    Temperaturen deutlich über 100 Grad Celsius - solche Bedingungen herrschten auch auf der jungen Erde. Die Black Smoker am Meeresgrund sind letztlich nur eine Erinnerung an frühere Zeiten als die Erde noch dabei war sich zu formen und das Leben gerade erst begann. Lovley:

    Alle Organismen, die bei hohen Temperaturen wachsen, benutzen Eisen als Energielieferant, so wie wir Sauerstoff benötigen. Das passt ganz gut zu den Bedingungen auf der frühen Erde. Es war heiß und es gab viel Eisen. Aber da Zeitreisen uns leider nicht möglich sind, werden wir nie beweisen können, wie das Leben tatsächlich anfing. Aber von allem was wir bis jetzt wissen, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass die ersten Lebensformen Eisen verwerteten.

    Vielleicht ist das hitzeresistente Bakterium, das Derek Lovley entdeckt hat, ein naher Verwandter des Urahnen aller Bakterien. Genau wird der Forscher das nie erfahren. Immerhin hat er gerade erst bewiesen, dass Leben bei so großer Hitze überhaupt möglich ist. Lovley:

    Es ist interessant. Wir hatten über 100 Jahre lang in der Mikrobiologie dieses Dogma, dass eine Temperatur von über 100 Grad jedes Leben abtötet. Auch wenn wir jetzt wissen, dass das nicht stimmt - ein medizinisches Problem haben wir dadurch nicht.

    Gefährlich für den Menschen ist das Superbakterium mit Sicherheit nicht, auch wenn es die hohen Temperaturen bei der Sterilisation im Autoklaven problemlos übersteht. Bei knapp 37 Grad Temperatur wäre ihm das Innere eines menschlichen Körpers schlichtweg zu kalt.