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Extremismusprävention
Gewalt von allen Seiten gleichermaßen bekämpfen

Extremistischen Entwicklungen will die Bundesregierung unter anderem mit politischer Bildung, pädagogischer Arbeit und der Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Netzwerken entgegenwirken. Das Konzept stellten Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Innenminister Thomas de Maiziere gemeinsam vor.

Von Christiane Habermalz | 13.07.2016
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) präsentieren auf der Bundespressekonferenz in Berlin die Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung.
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) präsentieren die Strategie zur Extremismusprävention. (imago/Metodi Popow)
    Es ist eher ungewöhnlich, dass Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Thomas de Maiziere, Chef des Innenressorts, den Schulterschluss üben. Doch die Lage ist ernst. Angesichts der zunehmenden Radikalisierung und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft präsentierten die beiden Kabinettskollegen nun erstmals eine gemeinsame Strategie zur Extremismusprävention und Demokratieförderung.
    "Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Helfer ist gestiegen, insbesondere von Rechtsextremisten, wir erleben, dass immer mehr engagierte Journalistinnen und Journalisten, aber auch Politikerinnen und Politiker offen bedroht werden, wir erleben, dass die Gewalttaten von linken Militanten zunehmen, wir erleben, dass Salafisten gezielt nach neuen Anhängern suchen, und im Internet grassieren Hassbotschaften und Hetze.
    Und Innenminister de Maiziere ergänzte: "Prävention und Repression, Vorbeugung und Strafverfolgung bedingen einander. Sie sind beide wichtig. Auch Präventionsarbeit ist kluge Sicherheitspolitik."
    Um extremistischen Entwicklungen entgegenzuwirken, setzt die Bundesregierung in ihrer Strategie auf politische Bildung, pädagogische Arbeit und die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Netzwerken und Projekten. Einerseits müssten die Akteure der Zivilgesellschaft gestärkt werden, die die Werte der Demokratie verteidigten und die oft bedroht und angegriffen würden, auf der anderen Seite die jungen Leute erreicht werden, die auf der Kippe stünden und drohten abzurutschen. Verstärkt wolle man künftig vor Ort präsent sein und in die Dörfer, in Schulen, in Sportvereine gehen.
    "Aber auch in Bereiche, wo wir bisher nicht so aktiv waren. Und die auch aus unserer Sicht nicht unproblematisch sind. Wie zum Beispiel Moscheen, aber auch zum Beispiel Gefängnisse. Es ist eben entscheidend, ob wir zulassen, dass in Gefängnissen Jugendliche, die schon mal mit dem einen oder anderen Delikt vom graden Weg abgekommen sind, von Salafisten angesprochen werden, oder ob sie von uns angesprochen werden."
    Längerfristige Förderung von Projekten möglich
    Kritik kam von den Grünen. Was die Bundesregierung vorlege, sei allenfalls ein Überblick zu aktuellen Programmen in diesem Bereich, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic. In der Vergangenheit hatte es viel Streit um die Arbeit gegen Extremismus gegeben. Gewalt von Rechts und Links wurde gegeneinander aufgewogen, dazu kam der Streit um die inzwischen abgeschaffte Extremismusklausel, die Initiativen zeitweise zum Nachweis ihrer Verfassungstreue unterschreiben mussten, um Geld vom Bund zu bekommen. Mit der gemeinsamen Strategie soll damit nun Schluss sein, beide Minister betonten, dass Gewalt und Extremismus von allen Seiten gleichermaßen bekämpft werden solle. Die wichtigste Neuerung aber besteht darin, dass Schwesig die neue Strategie zur Extremismusprävention noch in dieser Legislaturperiode in ein Bundesgesetz fassen will. Damit könnten Organisationen erstmals auch längerfristig gefördert werden, müssten sich nicht mehr von Projekt zu Projekt hangeln wie bisher.
    "Deshalb habe ich das auch umgestellt, mit dem neuen Bundesprogramm seit dieser Legislatur fördern wir bis zu fünf Jahre, sodass es doch schon eine größere Planungssicherheit gibt, aber wir wissen, dass wir die Demokratieförderung und Extremismusprävention dauerhaft brauchen. Das ist eine dauerhafte gesamtgesellschaftliche Aufgabe."
    Die Vorstellung der neuen Strategie fiel auf einen " Aktionstag" gegen Hassparolen im Internet. In einer bundesweiten Razzia hat die Polizei heute früh 14 Wohnungen von insgesamt 60 Beschuldigten durchsucht, die auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken rassistische Parolen verbreitet hatten. Das Strafrecht gilt auch im Internet, betonte de Maizière. Bundesjustizminister Heiko Maas hatte dazu erklärt, für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfe "in den sozialen Medien genauso wenig Platz sein wie auf der Straße".