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Exzellenter Opa aus Europa?

Aus Mangel an qualifizierten jungen Bewerbern will die Frankfurter Goethe-Uni nun "Opas" und "Omas" aus Europa an den Main locken: Exzellente Professoren vom gesamten Kontinent sollen ab Ende 2009 in Frankfurt weiterunterrichten, ohne Altersgrenze. Der wissenschaftliche Nachwuchs der Goethe-Uni ist nicht gerade begeistert.

Von Ludger Fittkau | 22.06.2009
    "Unsere Vorstellung ist halt, das wir hier nicht nur qualifizierte Kollegen nicht nur der Universität Frankfurt, sondern aus ganz Deutschland sondern eventuell aus ganz Europa suchen, die in der Lage sind und willens sind, nach dem 65. Lebensjahr weiterhin Unterricht zu geben. Wir wollen damit herausragende Kräfte gewinnen, die anderweitig nicht mehr arbeiten können und die unseren Studenten einen breiten Überblick vermitteln können, weil sie viel Erfahrung haben."

    So Werner Müller-Esterl, der Präsident der Frankfurter Goethe-Universität. Vor allem in Fächern mit besonders schlechtem Zahlenverhältnis von Studierenden und Betreuern will er die Seniorenprofessoren ab Jahresende einsetzen. In Frankfurt sind das vor allem die Erziehungswissenschaften und die neueren Philologien, Anglistik, Romanistik und auch Germanistik. Hier hatte man in den vergangenen Jahren versucht, den Mangel an Lehrkräften mit sogenannten "Hochdeputatsstellen" auszugleichen. Doch inzwischen fände man für diese Stellen kaum noch Bewerber, der Markt sei ausgeschöpft, argumentiert der Frankfurter Uni-Chef. Deshalb wolle man Rentner-Professoren aus ganz Europa anwerben - vor allem mit Geld:

    "Und wir würden dann eben auch hier ein attraktives Programm bieten, sie müssen den Leuten, die hier hin ziehen auch ein bisschen was bieten können. Also wir würden ein Aufgeld anbieten. Die Goethe-Universität ist ja eine Universität, die sich ja im Augenblick im Aufbruch befindet. Ich hoffe also, das wir Kollegen anziehen können, so wie auch bei den etablierten Professoren."

    Dass zusätzliches Geld der Uni für Seniorenprofessoren ausgegeben soll, anstatt es in den wissenschaftlichen Nachwuchs zu stecken, löst nicht bei allen Angehörigen der Universität Begeisterung aus. Auch nicht bei einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, der laut Uni-Konzept besonders von den Seniorenprofs profitieren soll:

    "Wir als wissenschaftlicher Nachwuchs, der hier sitzt, sehen das in unserem eigenen Interesse eher negativ, weil das ja bedeutet, dass weniger Stellen für Einstiegswissenschaftler geschaffen werden."

    Bei den Studierenden sind die Meinungen zu den Seniorenprofessoren gespalten. Ann-Christine Maschlewski, Studentin der Erziehungswissenschaften und ein Student, der ungenannt bleiben will:

    "Ich glaube, ich finde es gar nicht so schlecht, weil das sind vielleicht noch Dozenten vom alten Schlag, sage ich mal, die noch andere Prinzipien haben und die das Ganze vielleicht auch strenger durchsetzen können. Ich finde, es sollte auch mehr strengere Lehrer in den Grundschulen geben."

    "Ich gehe erst mal davon aus, das jeder ab einem gewissen Alter sich auf seinen Ruhestand freut und das es in Deutschland genügend Nachwuchsleute sind, die auch entsprechend qualifiziert sind und motiviert sind und auf einen Arbeitsplatz warten. Ich denke nicht, dass wenn jemand schon so lange gearbeitet hat und sich seinen Ruhestand auch finanziell abgesichert hat, da würde ich nicht nachvollziehen können, warum so Leute noch über das Rentenalter hinaus eingestellt werden und andere am anderen Ende auf einen Arbeitsplatz warten, der ihnen dadurch verwehrt wird."

    Frankfurts Uni-Präsident Werner Müller-Esterl kennt die Ängste seines Nachwuchses, durch das Seniorenprogramm benachteiligt zu werden:

    "Das ist ein durchaus überlegenswerter Aspekt, den wir durchaus auch bedacht haben. Ich glaube sagen zu können, nein. Denn dadurch wird die Zahl der Nachwuchsstellen überhaupt nicht betroffen, sie wird nicht vermindert. Aber im Gegenteil, wir können für unsere Studierenden mehr anbieten. Ich denke, es ist ein ganz gezieltes Programm um das Betreuungsverhältnis zu verbessern, um für einzelne Studierende mehr individuellen Unterricht anzubieten als dass das bisher möglich war. Und ich glaube, dass wir damit in keiner Weise die Nachwuchswissenschaftler benachteiligen."

    Diese Aussage des Frankfurter Uni-Präsidenten stößt beim wissenschaftlichen Nachwuchs auch deswegen auf Skepsis, weil für die Seniorenprofessoren in Frankfurt keine Altersgrenze vorgesehen ist. Anders ist das im benachbarten Mainz, wo seit 1994 im Durchschnitt jährlich etwa 20 sogenannte "Rentnerprofessoren" aus den eigenen Reihen beschäftigt werden. Dr Bernhard Einig, Leiter der Abteilung "Studium und Lehre" der Uni Mainz:

    "Es gibt eine erste Regelaltersgrenze, die Beschäftigung sollte in der Regel nicht länger als zwei Jahre dauern. Danach ist eine Weiterbeschäftigung in begründeten Einzelfällen möglich. Weil es sollte dann schon das Deputat reduziert werden auf beispielsweise die Hälfte des regulären Deputats und spätestens ab 70 ist dann die Weiterbeschäftigung nicht möglich."

    Diese starre Grenze soll in Frankfurt am Main nicht gelten. In Mainz dürfen Studierende bei der Weiterbeschäftigung von Professoren mitentscheiden. Ob das auch bei den europaweit gesuchten Seniorenprofessoren in Frankfurt am Main der Fall sein wird, ist bisher noch offen.