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EZB-Chef Mario Draghi findet in Italien viel Zustimmung

In Italien pushen die Medien die Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Euro-Rettungsschirmen zu einem deutsch-italienischen Duell hoch. Doch der Italiener und EZB-Chef Mario Draghi ist nicht der mächtige Gegenspieler Deutschlands.

Von Kirstin Hausen |
    Mario Draghi kommt heute nicht nach Karlsruhe. Er lässt sich von einem Direktoriumsmitglied vertreten. Der Deutsche Jörg Asmussen muss das Anleihenaufkaufprogramm, das die Deutsche Bundesbank ablehnt, in Karlsruhe verteidigen. "Ein guter Schachzug, das einem Deutschen zu überlassen", loben die italienischen Medien, die das strittige Thema zu einem deutsch-italienischen Duell vor Gericht hochpushen. Mario Draghi selbst hat gesagt, "ein Deutscher kenne die deutsche Gerichtsbarkeit eben besser". Vor allem aber kennt Draghi die deutsche Kritik am Kurs der Europäischen Zentralbank und der möchte er sich lieber nicht persönlich aussetzen. Draghi ist ein Mann der leisen Töne, ein Mathematiker, ein Taktiker. Randlose Brille, tadellose blaue Anzüge, hin und wieder eine rote Krawatte, mehr Extravaganzen erlaubt sich der Professor für Wirtschaft und Geldpolitik nicht. Er ist kein charismatischer Redner, der kraft Ausstrahlung andere überzeugt. Doch viele Italiener schätzen seine zurückhaltende, sachliche Art. Der Leiter eines Supermarktes in Mailand, Antonio Pareti:

    "Auf mich wirkt er kompetent und seriös. Er muss Entscheidungen treffen, die nicht leicht sind. Er ist in einer heiklen Lage und nicht jeder versteht seine Entscheidungen, das ist ein Problem. Aber für mich ist die Uneinigkeit innerhalb der Europäischen Union das größere Problem."

    Pareti drückt sich diplomatisch aus. Er gibt niemandem explizit die Schuld an der Uneinigkeit der EU. Er stellt sie nur fest. Viele Italiener gehen weiter. Sie halten die Kritik an der Politik der Europäischen Zentralbank durch die Deutsche Bundesbank für arrogant und ungerecht. Deutschland habe gut reden, so der Tenor der Kommentare in den sozialen Netzwerken und auf den Seiten der elektronischen Medien. Deutschland gehe ja nicht das Geld aus, Deutschland profitiere sogar noch von der Eurokrise, weil es nur lächerlich niedrige Zinsen auf Staatsanleihen zahlen müsse. Für die meisten Italiener ist die Garantie der Europäischen Zentralbank, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen aus Krisenstaaten aufzukaufen, die einzige Chance, den Euro zu retten. Mario Draghi hat sich diesem Ziel verschrieben. Ein Ziel, das sich für ihn aus den EU-Verträgen ableiten lässt – so seine Argumentation im Gutachten, dass er nach Karlsruhe geschickt hat. Die Finanzstabilität sei unabdingbar für die Förderung der allgemeinen Wirtschaftspolitik in der EU.

    "Am Anfang der Krise fehlte Liquidität. Die Geldmärkte funktionierten nicht mehr und die Banken gerieten in Schwierigkeiten. In einer zweiten Phase, ab 2011, wird ein anderes Problem zentral. Den verletzlichen Staaten der EU geht die Kreditwürdigkeit verloren, sie haben Schwierigkeiten, sich mit Geld zu versorgen. Die Regierungen innerhalb der Europäischen Union reagieren darauf und haben auch vereinzelt Erfolg, aber es zeigt sich ein Grundfehler. Er besteht darin, dass innerhalb der Union immer die gleichen Länder Geld empfangen und immer die gleichen Länder Geld bezahlen."

    Der Präsident der Europäischen Zentralbank spielt auf die Kredite an Griechenland und andere Krisenstaaten an. Er hält das als Notnagel verabschiedete Aufkaufprogramm der EZB für effektiver im Kampf gegen die Eurokrise. Draghi mahnt aber auch Reformen und Haushaltsdisziplin an. Speziell im eigenen Land.

    "In der Eurozone hat die einheitliche Währung eine ganze Reihe von Risiken verdeckt, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben. Mit Ausnahme von Deutschland und wenigen anderen Staaten wurden strukturelle Reformen verschleppt und hinausgeschoben, die für die Konkurrenzfähigkeit auf einem zunehmend globalisierten Markt entscheidend sind. So haben sich schon vor der Krise zwei Gruppen von Ländern herausgebildet. Die erste Gruppe hatte Wirtschaftsüberschüsse und einen geregelten Haushalt, die zweite eine negative Außenhandelsbilanz und ein steigendes Haushaltsdefizit."

    Mario Draghi ist nicht der mächtige Gegenspieler Deutschlands, zu dem ihn manche Medien machen. Wenn er in Italien auftritt, äußert er sich stets positiv über Deutschland und die deutsche Politik. Darin ähnelt er Mario Monti, der Italien regierte, als Draghi das umstrittene Aufkaufprogramm für spanische und italienische Staatsanleihen im Sommer 2012 durchsetzte. Die Zinsen auf diese Titel hatten eine bedenkliche Höhe erreicht und konnten nur durch die massive Intervention der EZB auf ein für die Schuldenstaaten erträgliches Maß gedrückt werden. Die britischen Zeitungen "Financial Times" und "The Times" hatten Mario Draghi dafür zum Mann des Jahres 2012 gekürt. Und die Italiener waren stolz auf diese Auszeichnung. Sie hoffen, dass Draghis Kurs in der Eurokrise vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen wird.