Archiv

f8 Entwicklerkonferenz
Facebook - in Zukunft ganz privat

Die Zukunft ist privat – kündigte Mark Zuckerberg auf der Facebook-Entwicklerkonferenz an. Das Unternehmen will sich umstrukturieren, hin zu mehr Datenschutz. Das neue Facebook wird mehr verschlüsseln, weniger speichern, neue Services bieten – und auch weiter Geld mit Nutzerdaten verdienen.

Achim Killer im Gespräch mit Manfred Kloiber |
Mark Zuckerberg spricht auf einer Bühne, im Hintergrund ist auf einer Leinwand ein großes Schloss-Symbol zu sehen
"The future is private" - Die Zukunft ist privat, übertitelte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg die diesjährige Entwicklerkonferenz f8. (dpa/picture alliance/AP)
Manfred Kloiber: In San Jose, in Kalifornien hat diese Woche Facebook seine Entwicklerkonferenz f8 veranstaltet. Der Chef Mark Zuckerberg hat sie unter das Motto gestellt: "The Future is private" – "Die Zukunft ist privat". Facebook will damit ganz offenkundig dem gestiegenen Datenschutzbewusstsein seiner Nutzer Rechnung tragen. Achim Killer hat für uns die Konferenz beobachtet. Achim, hat Mark Zuckerberg Sie denn überzeugt?
Achim Killer: Na ja. Um mich davor zu bewahren, mich nackt ins Netz zu stellen, brauch ich nun wirklich am allerwenigsten den Herrn Zuckerberg. Aber die Stimmungslage hat er durchaus richtig erkannt. War ja auch wirklich nicht so schwer. Letzte Woche beispielsweise hat Facebook seine Quartalsbilanz vorgelegt. Und da hat dringestanden, dass der Konzern Rückstellungen in Höhe von 3 Milliarden Dollar gebildet hat – wegen des Cambridge-Analytica-Skandals. Ein Bußgeld mindestens in dieser Höhe erwartet der Konzern von der FTC. Das ist ein Appel, die Privatsphäre der User zu achten, die selbst Mark Zuckerberg versteht. Also ich würd’ sagen, das reale Motto der Konferenz war: "Die Zukunft ist privat. Blöd gelaufen! Schau’n wir mal, was wir trotzdem an Daten abgreifen können, damit’s nicht gar zu privat wird."
Kloiber: Und bevor wir weiter die Worte des Facebook-Chefs interpretieren, hören wir uns eine Zusammenfassung seiner Keynote an:
Privatsphäre - ein neues Kapitel für Facebook
"Willkommen zur f8. Heute werden wir über eine datenschutzorientierte soziale Plattform reden."
Mit diesen Worten eröffnet Konzernchef Mark Zuckerberg die Facebook-Entwicklerkonferenz f8. Und Privacy, das englische Wort sowohl für Datenschutz als auch für Privatsphäre, zieht sich wie ein roter Faden durch seine gesamte Keynote.
"Die Privatsphäre gibt uns die Freiheit, wir selbst zu sein. In einer kleinen Gemeinschaft oder unter den engsten Freunden ist es leichter, sich daheim zu fühlen. Deshalb kommunizieren die Menschen über private Messaging-Dienste und in kleinen Gruppen. Die Welt wird größer und immer stärker vernetzt. Deshalb benötigen wir diese Vertrautheit mehr denn je. Von daher glaube ich: Die Zukunft ist privat. Das eröffnet das nächste Kapitel für unsere Dienstleistungen."
Die nicht öffentliche Kommunikation soll künftig im Mittelpunkt des Facebook-Angebots stehen. Nachrichten zu verschlüsseln wird erleichtert, beispielsweise beim Facebook Messenger. Persönliche Daten sollen sicher gespeichert und vor dem Zugriff Dritter geschützt werden. Zuckerberg nennt hier staatliche Stellen und ausdrücklich auch das eigene Unternehmen. Interoperabilität ist ein weiteres Prinzip, das künftig herrschen soll. Facebook will es den Nutzern ermöglichen, über die Grenzen der konzerneigenen Plattformen hinweg geschützt zu kommunizieren. Facebook, Instagram und Whatsapp werden stärker integriert. Über weite Strecken hört sich Zuckerberg’s Keynote an, als arbeite er die gesamte Kritik ab, die an seinem Konzern seit dessen Bestehen vorgebracht wurde.
Totalumbau zum datenschutzorientierten Unternehmen
"Wir verkürzen die Speicherdauer. Man sollte keine Angst haben müssen, dass das, was man von sich preisgibt, einem später zum Nachteil gereicht. Wir behalten deshalb eure Mitteilungen nur so lange, wie es nötig ist, oder so lange, wie ihr es wollt."
Die Umstrukturierung werde Jahre dauern. Einige Maßnahmen würden aber auch sofort oder in Kürze umgesetzt, etwa dass die Nutzer selbst festlegen können, wie lange ihre Daten gespeichert werden. Der Totalumbau von Facebook zu einem datenschutzorienterten Unternehmen habe begonnen. So die Botschaft von Zuckerberg’s Keynote.
"Sicherlich glauben viele, dass wir das nicht ernst meinen. Wir haben, wenn es um Datenschutz und um Privatsphäre geht, ja nicht gerade den besten Ruf. Aber ich fühle mich verpflichtet, das ordentlich umzusetzen und ein neues Kapitel für unsere Produkte aufzuschlagen."
Darüber hinaus kündigt Zuckerberg etliche neue Features an. In Indien hat Facebook eine Bezahlfunktion getestet. Die soll jetzt weltweit eingeführt werden. Das sei sinnig, weil in etlichen Ländern viele Menschen leben, die zwar einen Facebook-Account haben, aber kein Bankkonto. Und auf Instagram wird man bald einkaufen können. Man klickt auf verschiedene Kleidungsstücke einer abgebildeten Person, und kann die Sachen dann gleich in der App kaufen.
Neue Features, neues Geld
Kloiber: Mark Zuckerberg hält eine Lobrede auf die Privatsphäre, und er kündigt neue Features für Facebook, Whatsapp und Instagram an. Achim Killer, was ist denn davon zu halten?
Killer: Bleiben wir mal bei den neuen Features. Damit erweitert Facebook sein Geschäftsfeld. Bislang hat der Konzern ja fast ausschließlich mit Werbung Geld verdient, also mit Verkaufsförderung quasi. Jetzt will er weitere Teile des Verkaufsvorgangs abwickeln, das Bezahlen beispielsweise. Das bietet sich an. Viele Inhalte im Web 2.0 sind ja kommerziell. Influencer etwa werden dafür bezahlt, dass sie Leute in die Läden locken. Und jetzt verkürzt Facebook den Weg zum Webshop und will am Bezahlen verdienen. Im Zentrum des Geschäfts aber bleiben natürlich die Nutzerdaten.
Kloiber: Wobei Zuckerberg aber ja versprochen hat, da nicht mehr so hemmungslos zuzugreifen wie in der Vergangenheit.
Killer: Na ja, was die Leute bereit sind, von sich preiszugeben, das haben sie getan, zu einem Gutteil auf Facebook. Jetzt geht es für den Konzern darum, zusätzliche Daten zu bekommen, geldwerte Informationen über die private Kommunikation der Leute.
Verschlüsselt werden nur die Inhalte der Kommunikation
Kloiber: Aber das ist schwierig, wenn diese Kommunikation verschlüsselt ist.
Killer: Ja, wenn man mit dem TOR-Browser unterwegs ist. Aber Facebook will ja nicht zum Darknet werden. Der Konzern will die Kommunikation verschlüsseln, die ansonsten nicht stattfinden würde, nicht auf seinen Plattformen. Und es geht bei der Verschlüsselung von Facebook immer um die Inhalte der Kommunikation, also was gesagt, geschrieben oder gezeigt wird. Nicht darum, zu wem und von wem was gesagt wird.
Kloiber: Also um die Verbindungsdaten. Ja, die sind sehr aufschlussreich. Was man ja auch an der politischen Diskussion sehen kann, die vor allem in Europa um die Vorratsdatenspeicherung geführt worden ist.
Killer: Ein Beispiel bei Facebook ist eine neue Funktion, die sich Secret Crush nennt. Also man fährt unheimlich auf einen Menschen des anderen oder des eigenen Geschlechts ab. Ja, das tut man ungern öffentlich kund, weil man sonst ja Gefahr laufen würde, sich öffentlich eine Abfuhr zu holen. Also vertraut man es Facebook an – sieht sonst niemand - in der stillen Hoffnung, der andere könnte auch so einen Secret Crush haben - auf einen selbst. Ja, und wenn dem so ist, dann bringt Facebook diese beiden Menschen zusammen. Was die beiden sich dann zu sagen haben und was sie miteinander machen, das ist unter kommerziellen Aspekten so interessant nicht. Außerdem kann man sich das denken. Aber Facebook stellt die Verbindung zwischen den beiden her, muss also wissen wer mit wem verbunden werden soll und kann dieses Wissen zu Geld machen.
Die Korrektur von Zuckerberg's Law
Kloiber: Fazit also: Sie nehmen Mark Zuckerberg sein Bekenntnis zur Privatsphäre nicht ab.
Killer: Sagen wir mal so: Er hat sich geirrt, als er vor einem Jahrzehnt sein Gesetz aufgestellt hat, Zuckerberg’s Law. Damals hat er gesagt, die Menge dessen, was die Leute über sich preisgeben, würde sich jedes Jahr verdoppeln. Hat sich als falsch herausgestellt. Die Leute reagieren mittlerweile empört auf die Verletzung ihrer Privatsphäre. Die Bußgelder, die Facebook zahlen muss, sind davon bloß der politische oder juristische Ausdruck. Jetzt versucht Zuckerberg, unter veränderten politischen und gesellschaftlichen Bedingungen sein Datengeschäft fortzuführen und zu erweitern. Gleichzeitig will er sich neue Geschäftsfelder erschließen und seine zusammengekauften Plattformen konsolidieren. Und das alles verkauft er einer Öffentlichkeit, die zunehmend kritischer wird, mit dem Argument des Datenschutzes. Das ist echt mutig.
Kloiber: Achim Killer berichtete über die Facebook-Entwickler-Konferenz f8, diese Woche in San Jose, vielen Dank.