"Bei Twitter hat jemand einen Account unter dem Namen "Allah" eröffnet. Von morgens bis abends verflucht er dort Allah und die islamischen Werte. Und sein Profil kann trotzdem einfach weiter existieren! Bei uns, bei Salamworld, wird niemand ein Profil auf den Namen Jesus oder Moses anlegen können ... "
"Muslimisches Facebook", "Facebook mit Kopftuch", "Halal-Netzwerk" ... Schon bevor sie an den Start geht, hat die neue Internetplattform Salamworld eine ganze Reihe an Spitznamen bekommen. Pressesprecher Yavuz Kurt, der zu einem 60-köpfigen muslimisch-internationalen Team gehört, das die Seite gerade in einem glitzernden Istanbuler Büro-Turm entstehen lässt, schüttelt nachsichtig lächelnd den Kopf – und versucht es mit einer besseren Beschreibung.
"Salamworld bedeutet nicht, dass wir da eine muslimische Organisation oder eine Art Internetmoschee aufbauen. Wir werden zum Beispiel auch Onlinespiele anbieten – aber eben übereinstimmend mit unseren Werten. Also zum Beispiel keine, bei denen man jede Minute 50 Leute umbringt ... Es wird eine Imam-Frage-Hotline geben oder auch Stadtführer. Wenn ich in Köln bin, dann habe ich da eine Liste mit allen Restaurants und Supermärkten, die keinen Alkohol verkaufen und eine andere mit allen islamischen Kulturzentren der Stadt ... "
Es geht – das macht nicht zuletzt der professionell anmutende Videoclip für potenzielle Werbekunden deutlich – um einen Riesenmarkt, den in den letzten Jahren eine Branche nach der anderen entdeckt: Mehr als 1,5 Milliarden Muslime gibt es weltweit. Und: Über die Hälfte von ihnen sind unter 25 Jahre alt! Sie sind die Zielgruppe der Macher von Salamworld. Tourismusfirmen, die Pilgerfahrten anbieten, Onlineshops für islamische Kleidung oder auch Hersteller palästinensischer Flaggen ... – Muslimische Werbung soll die Seite gewinnträchtig machen. 50 Millionen User in drei Jahren heißt das Ziel.
"Stellen Sie sich vor, wir sind eine Art Shoppingmall mit allen möglichen Läden. Kleidung, Essen, Elektronik, alles ... Aber genauso, wie es kein Schweinefleisch und keinen Alkohol gibt, so gibt es auch keine Gewalt. Und keine Form von Terror. Das ist es, was wir mit "Halal-Inhalten" meinen. Wir wollen nichts, was den Menschen schadet."
Filtern heißt dabei das Zauberwort. Die Frage ist nur: Was genau "schadet den Menschen" – ist zum Beispiel ein Madonna-Videoclip schon zu viel des Guten, oder noch erträglich? Und Werbung für Wimperntusche – dürfen muslimische Mädchen sich schminken oder nicht?
Kurz: Wer entscheidet, nach welchen Kriterien? Die Antworten auf diese Fragen sind schwer zu finden in den bunten Katalogen und luxuriösen Pressekonferenzen, mit denen das scheinbar so moderne Unternehmen an die Öffentlichkeit drängt. In einem Salamworld-Werbespot heißt es lediglich:
"Junge muslimische Internetnutzer sind ungeschützt gegenüber den schädlichen Inhalten von Webseiten und sozialen Netzwerken, die der Popkultur von heute gewidmet sind ( ... ). Islamische Führer, Denker und Wissenschaftler sollen die Möglichkeit bekommen, aktiv zu werden und ihren Anhängern die schädlichen Auswirkungen der virtuellen Welt aufzuzeigen."
Doch ob das wirklich alles ist? Schnell keimt der Verdacht auf, bei Salamworld könnte hinter dem modernen Auftreten und dem Ziel viel Geld zu verdienen, doch noch etwas anderes stecken. Nicht nur, dass sich die Frage stellt, wie die bereits in luxuriöse Büroräume und extravagante Werbeauftritte investierten Millionen wieder eingefahren werden sollen. Der russisch-türkische Geschäftsführer Abdulwahed Nijasow scheint offensichtlich einem eher radikalen Islam – wie zum Beispiel der türkischen Mili-Görüs-Bewegung – nahe zu stehen.
Und auch, wer den aufwendig gedruckten Werbekatalog durchblättert, stellt fest, dass auf den vielen bunten Bildern von glücklich lächelnden Muslimen in aller Welt kein einziges Mädchen ohne Verschleierung zu entdecken ist. Nach einem liberalem Islam – in dem es schließlich auch unzählige unverschleierte Muslima gibt – sieht das jedenfalls nicht aus. Pressesprecher Yavuz Kurt bemüht sich unterdessen um ein möglichst anderes Bild.
"Wir selbst sprechen ja gar nicht von einem islamischen Facebook. Wir gründen einfach Salamworld! Und Salamworlds Inhalte kommen von Muslimen – sind aber für jeden offen, also auch für Christen, Juden oder Andersgläubige."
Zu den schriftlich verbreiteten Zielen des Projekts passen solche Aussagen zwar nicht. Dort steht im Mittelpunkt die Umma – also die weltweite Gemeinschaft der Muslime – zu vernetzen und "islamische Inhalte von Muslimen für Muslime" anzubieten. Doch was wirklich hinter Salamworld steckt, ist heute noch nicht absehbar. Genau das aber könnte auch den ein oder anderen Nutzer abschrecken. So fragt ein Türke hämisch im Internet, ob man bei dieser Plattform vielleicht erst die islamischen Waschungen durchführen müsse, bevor man sich einloggen dürfe ...
Ob Salamworld nach seinem offiziellen, acht-sprachigen Start im Juli tatsächlich das Potenzial hat, Muslime weltweit zu vernetzen, werden am Ende nur die Nutzer entscheiden. Sie selbst werden wissen, ob sie sich lieber selbst für oder gegen bestimmte Netzinhalte entscheiden – oder, ob sie ein Netzwerk vorziehen, das offen mit einem "Halal-Filtersystem" und damit mit einer ganz eigenen Art von Zensur wirbt.
Und auch, ob junge Muslime überhaupt an nach Religionen getrennten Internetnetzwerken interessiert sind, ist noch nicht beantwortet. In diesem Sinne kritisiert eine österreichische Userin: "Wieder ein Schritt in die falsche Richtung. Was kommt als Nächstes? Ein Facebook für Christen, eines für Juden, eines für Hindus, Buddhisten et cetera?"
"Muslimisches Facebook", "Facebook mit Kopftuch", "Halal-Netzwerk" ... Schon bevor sie an den Start geht, hat die neue Internetplattform Salamworld eine ganze Reihe an Spitznamen bekommen. Pressesprecher Yavuz Kurt, der zu einem 60-köpfigen muslimisch-internationalen Team gehört, das die Seite gerade in einem glitzernden Istanbuler Büro-Turm entstehen lässt, schüttelt nachsichtig lächelnd den Kopf – und versucht es mit einer besseren Beschreibung.
"Salamworld bedeutet nicht, dass wir da eine muslimische Organisation oder eine Art Internetmoschee aufbauen. Wir werden zum Beispiel auch Onlinespiele anbieten – aber eben übereinstimmend mit unseren Werten. Also zum Beispiel keine, bei denen man jede Minute 50 Leute umbringt ... Es wird eine Imam-Frage-Hotline geben oder auch Stadtführer. Wenn ich in Köln bin, dann habe ich da eine Liste mit allen Restaurants und Supermärkten, die keinen Alkohol verkaufen und eine andere mit allen islamischen Kulturzentren der Stadt ... "
Es geht – das macht nicht zuletzt der professionell anmutende Videoclip für potenzielle Werbekunden deutlich – um einen Riesenmarkt, den in den letzten Jahren eine Branche nach der anderen entdeckt: Mehr als 1,5 Milliarden Muslime gibt es weltweit. Und: Über die Hälfte von ihnen sind unter 25 Jahre alt! Sie sind die Zielgruppe der Macher von Salamworld. Tourismusfirmen, die Pilgerfahrten anbieten, Onlineshops für islamische Kleidung oder auch Hersteller palästinensischer Flaggen ... – Muslimische Werbung soll die Seite gewinnträchtig machen. 50 Millionen User in drei Jahren heißt das Ziel.
"Stellen Sie sich vor, wir sind eine Art Shoppingmall mit allen möglichen Läden. Kleidung, Essen, Elektronik, alles ... Aber genauso, wie es kein Schweinefleisch und keinen Alkohol gibt, so gibt es auch keine Gewalt. Und keine Form von Terror. Das ist es, was wir mit "Halal-Inhalten" meinen. Wir wollen nichts, was den Menschen schadet."
Filtern heißt dabei das Zauberwort. Die Frage ist nur: Was genau "schadet den Menschen" – ist zum Beispiel ein Madonna-Videoclip schon zu viel des Guten, oder noch erträglich? Und Werbung für Wimperntusche – dürfen muslimische Mädchen sich schminken oder nicht?
Kurz: Wer entscheidet, nach welchen Kriterien? Die Antworten auf diese Fragen sind schwer zu finden in den bunten Katalogen und luxuriösen Pressekonferenzen, mit denen das scheinbar so moderne Unternehmen an die Öffentlichkeit drängt. In einem Salamworld-Werbespot heißt es lediglich:
"Junge muslimische Internetnutzer sind ungeschützt gegenüber den schädlichen Inhalten von Webseiten und sozialen Netzwerken, die der Popkultur von heute gewidmet sind ( ... ). Islamische Führer, Denker und Wissenschaftler sollen die Möglichkeit bekommen, aktiv zu werden und ihren Anhängern die schädlichen Auswirkungen der virtuellen Welt aufzuzeigen."
Doch ob das wirklich alles ist? Schnell keimt der Verdacht auf, bei Salamworld könnte hinter dem modernen Auftreten und dem Ziel viel Geld zu verdienen, doch noch etwas anderes stecken. Nicht nur, dass sich die Frage stellt, wie die bereits in luxuriöse Büroräume und extravagante Werbeauftritte investierten Millionen wieder eingefahren werden sollen. Der russisch-türkische Geschäftsführer Abdulwahed Nijasow scheint offensichtlich einem eher radikalen Islam – wie zum Beispiel der türkischen Mili-Görüs-Bewegung – nahe zu stehen.
Und auch, wer den aufwendig gedruckten Werbekatalog durchblättert, stellt fest, dass auf den vielen bunten Bildern von glücklich lächelnden Muslimen in aller Welt kein einziges Mädchen ohne Verschleierung zu entdecken ist. Nach einem liberalem Islam – in dem es schließlich auch unzählige unverschleierte Muslima gibt – sieht das jedenfalls nicht aus. Pressesprecher Yavuz Kurt bemüht sich unterdessen um ein möglichst anderes Bild.
"Wir selbst sprechen ja gar nicht von einem islamischen Facebook. Wir gründen einfach Salamworld! Und Salamworlds Inhalte kommen von Muslimen – sind aber für jeden offen, also auch für Christen, Juden oder Andersgläubige."
Zu den schriftlich verbreiteten Zielen des Projekts passen solche Aussagen zwar nicht. Dort steht im Mittelpunkt die Umma – also die weltweite Gemeinschaft der Muslime – zu vernetzen und "islamische Inhalte von Muslimen für Muslime" anzubieten. Doch was wirklich hinter Salamworld steckt, ist heute noch nicht absehbar. Genau das aber könnte auch den ein oder anderen Nutzer abschrecken. So fragt ein Türke hämisch im Internet, ob man bei dieser Plattform vielleicht erst die islamischen Waschungen durchführen müsse, bevor man sich einloggen dürfe ...
Ob Salamworld nach seinem offiziellen, acht-sprachigen Start im Juli tatsächlich das Potenzial hat, Muslime weltweit zu vernetzen, werden am Ende nur die Nutzer entscheiden. Sie selbst werden wissen, ob sie sich lieber selbst für oder gegen bestimmte Netzinhalte entscheiden – oder, ob sie ein Netzwerk vorziehen, das offen mit einem "Halal-Filtersystem" und damit mit einer ganz eigenen Art von Zensur wirbt.
Und auch, ob junge Muslime überhaupt an nach Religionen getrennten Internetnetzwerken interessiert sind, ist noch nicht beantwortet. In diesem Sinne kritisiert eine österreichische Userin: "Wieder ein Schritt in die falsche Richtung. Was kommt als Nächstes? Ein Facebook für Christen, eines für Juden, eines für Hindus, Buddhisten et cetera?"