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"Facebook muss sich öffnen"

Übernahme.- 50 Millionen US-Dollar hat sich Facebook den Kauf von Friend-Feed kosten lassen. Vor allem hat es Facebook auf die ausgefuchsten Echtzeit-Filter der Personen-Suchmaschine abgesehen. Wissenschaftsjournalist Marcus Schuler im Gespräch mit Manfred Kloiber.

    Manfred Kloiber: Themenwechsel - es geht ums Web 2.0. Das größte soziale Netzwerk der Welt, Facebook, hat diese Woche den Aggregations-Dienst Friend-Feed gekauft. Aggregationsdienst bedeutet, dass hier die Daten und Informationen aus vielen anderen Diensten zusammengeführt und gebündelt werden. Für Silicon-Valley-Verhältnisse ist die Übernahme für geschätzte 50 Millionen US-Dollar vergleichsweise banal. Dennoch hat der Zukauf eine immense strategische Bedeutung für Facebook, das mittlerweile mehr als 250 Millionen Mitglieder haben soll. Marcus Schuler, wieso ist denn Friend-Feed mit seinen gerade mal 14 Mitarbeitern und rund 500.000 Benutzern so interessant für Facebook?

    Marcus Schuler: Das hat mehrere Gründe. Einer ist zum Beispiel, dass die vier Besitzer von Friend-Feed ziemlich kluge Köpfe sind. Alle haben sie früher bei Google gearbeitet und dort Anwendungen wie Google Mail, Google Talk und den Kartendienst des Suchmaschinen-Unternehmens entwickelt. Dieses Wissen hat sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg schlicht 50 Millionen US-Dollar diese Woche kosten lassen. Robert Scoble, amerikanischer Social-Media-Experte und Blogger, hat mir gestern erzählt, die vier Friend-Feed-Gründer, das seien einfach die Superstars im Silicon Valley.

    Kloiber: Erklären Sie uns doch kurz: Wie funktioniert Friend-Feed?

    Schuler: Friend-Feed ist ein sogenannter Aggregations-Dienst - Sie haben’s ja vorher gesagt. Er bündelt und stellt Informationen dar, die man soeben ins Internet eingegeben hat - zum Beispiel bei Twitter. Dort hinterlassene Meldungen erscheinen automatisch auch bei Friend-Feed. Man kann diese Status-Updates vertiefen und mit Freunden darüber diskutieren und deren Meldungen bewerten. Im Unterschied zu Twitter gibt es aber keine Begrenzung auf 140 Zeichen. Friend-Feed zapft solche Dienste wie Twitter über dessen Programmierschnittstelle an. So werden Aktivitäts-Ströme miteinander verbunden. Natürlich lassen sich auch bei Friend-Feed Nachrichten eingeben, die dann wiederum bei Twitter erscheinen. So richtig erfolgreich war Friend-Feed allerdings nicht, der Dienst sieht nicht besonders schön aus und ist in der Bedienung meiner Meinung nach zu kompliziert.

    Kloiber: Das Thema Echtzeit-Internet und sogenannte Aktivitäts-Ströme scheint im Silicon Valley eines der angesagtesten Themen zu sein?

    Schuler: Ja, das stimmt. Das übrigens noch ein anderer, sehr wichtiger Grund, weshalb Facebook Friend-Feed gekauft hat. Die Programmierer haben dort eine API, eine Schnittstelle entwickelt, die im Bereich der Echtzeitsuche wegweisend sein soll. So kann man bei Friend-Feed, wenn man die lieblose Oberfläche und die Plattform verstanden hat, komplexe Echtzeit-Filter anlegen. Ein Beispiel: Man möchte sich alle Twitter-Einträge von Robert Scoble ansehen, die mehr als fünf andere User mit gut bewertet haben. Oder man möchte sich alle Bewertungen von Tim O-Reilly, die er in den letzten 30 Minuten für gut befunden hat, anzeigen lassen. Genau dieses Thema ist auch für Facebook sehr wichtig. Auch dort sind die Status-Meldungen, die Aktivitäts-Ströme der einzelnen Nutzer, zum wichtigen Inhalt geworden. Mit den Fähigkeiten, die die vier Friend-Feed-Macher einbringen, wären noch ausgefeiltere Anwendungen bei der Echtzeit-Suche denkbar. Das ist ein Thema, das besonders für Suchmaschinen-Unternehmen wie Google oder Bing interessant sind. Die Suche der Zukunft wird vor allem sehr stark beeinflusst sein, von dem, was mir mein Freundes- und Bekanntenkreis empfiehlt. Hier ist es viel wahrscheinlicher, dass ich als Nutzer eine Aktion auslöse, also ein Produkt bestelle, als das bei Suchergebnissen der Fall ist, die mir ein Suchroboter von Google vorschlägt. Das ist der Grund, weshalb man bei Facebook an solchen Anwendungen mit Hochdruck arbeitet. Immerhin hat Facebook noch kein Geschäftsmodell vorzuweisen, jedenfalls noch kein richtiges - außer der Einblendung kleiner Werbebotschaften. Auf persönlichen Empfehlungen basierende Suchergebnisse scheinen da das Geschäftsmodell schlechthin zu sein - bei mehr als 250 Millionen Mitgliedern weltweit würde das auch Sinn machen.

    Kloiber: Allerdings mit dem Unterschied, dass Google all jene Suchergebnisse des gesamten Internets auswirft, während Facebook ein in sich geschlossenes System darstellt. Nicht mal Google kommt dort hinein, kann also die Facebook-Seiten in seinen Index aufnehmen. Müsste da Facebook nicht sein Konzept der Abschottung aufgeben?

    Schuler: Das tut es gerade. Diese Woche hat Facebook eine abgespeckte Version seines Netzwerkes als Beta gestartet. Facebook Light heißt der Dienst. Außerdem kann man auf den englischsprachigen Seiten bereits eine Suchmaschine nutzen und das Internet, also alles, was außerhalb von Facebook liegt, durchsuchen. Das geht mit Bing, der Suchmaschine von Microsoft. Microsoft ist selbst Anteilseigner bei Facebook. Sie haben aber Recht: Facebook muss sich öffnen. Wie gesagt: Das passiert gerade. Facebook wird aber sicherlich alles daran setzen, um Google außen vor zu lassen. Denn das große Geld, das da zu verdienen ist, das liegt in diesen sozialen Suchergebnissen. Das will man sich nicht mit Google teilen.

    Kloiber: Twitter steht im Moment noch allein auf weiter Flur. Welche Auswirkungen haben diese Ambitionen von Facebook und Google bei der Echtzeit-Suche auf den Microblogging-Dienst?

    Schuler: Mark Zuckerberg von Facebook wollte ja für 500 Millionen Dollar Twitter kaufen. Das haben deren Besitzer aber abgelehnt. Google handelte sich unlängst auch eine Abfuhr ein. Aber natürlich ist Twitter mit seinen 45 Millionen Usern eine gewichtige Größe. Allerdings: Die Echtzeit-Suchmaschine von Twitter ist eher schlecht. Die Funktionen sind sehr spartanisch. Man kann da nur ein paar Tage rückwärts suchen. Im Grunde fehlt Twitter da ein großer Partner. Ich persönliche glaube ja, dass über kurz oder lang Twitter von Google übernommen werden wird.

    Kloiber: Was passiert mit Friend-Feed?

    Schuler: Über die Zukunft von Friend-Feed haben deren Besitzer bislang noch geschwiegen. Ich vermute, der Dienst läuft noch ein paar Monate, vielleicht auch Jahre weiter. Er wird aber nicht mehr fortentwickelt. Sollten die Benutzer dann deutlich an Interesse verloren haben, wird man irgendwann mal die Friend-Feed-Server abschalten.