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Fachkräftemangel in Deutschland

Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums errechnet, dass die Zahl vorübergehend oder langfristig nicht zu besetzender Stellen bei Hunderttausend liegt. Der Mangel an Fachkräften wird Deutschland demnach im laufenden Jahr bis zu mehr als 20 Milliarden Euro kosten. Jetzt sollen ausländische Fachkräfte die Wirtschaft unter Volldampf halten.

Eine Sendung von Andreas Burman | 21.08.2007
    "So, jetzt haben wir hier unseren neuen Antrieb. Der ist insoweit verbessert worden, als ein neuer Zahnradantrieb eingesetzt worden ist. Und er läuft jetzt auch schon viel ruhiger als die Male zuvor." - "Ja, das ist deutlich zu hören."

    Johannes Wimberg, Leiter des Versuchsteams der Kölner Niederlassung von "Bertrandt Engineering", demonstriert Verbesserungen am elektrischen Fensterheber einer Autotür. Nur ein kleines Beispiel für das Geschäftsfeld des deutschen Unternehmens. Sind Entwicklungen gefragt für Karosserie, Interieur, Fahrwerk, Antrieb sowie Elektrik und Elektronik, sieht sich Bertrandt weltweit als einer der führenden Anbieter in der Automobil- und Luftfahrt-Industrie. Die rund 4500 Beschäftigten arbeiten für Kunden wie Airbus, Daimler, Ford, Lamborghini, Porsche, ThyssenKrupp oder Volkswagen. Der letzte Jahresumsatz von rund 240 Millionen Euro dürfte im laufenden Jahr übertroffen werden, doch gerade deshalb drückt "Bertrandt Engineering" der Schuh, erläutert der Kölner Geschäftsführer Michael Lücke:

    "Wir haben ein enormes Wachstum eigentlich in den letzten eineinhalb Jahren, welches jetzt nun gebremst wird durch die fehlenden Ressourcen am Arbeitsmarkt, sprich qualifizierte Ingenieure, angefangen von der Entwicklung, Konstruktion bis hin zu Systemingenieuren, die Projektmanagementverantwortung übernehmen könnten, aber auch in den einzelnen anderen Disziplinen wie etwa Elektronik, Versuch, Fahrwerksentwicklung, fehlen zur Zeit ungefähr 350 qualifizierte Mitarbeiter - Tendenz steigend. Hier am Standort sind es noch zwischen 50 und 100 Mitarbeitern, die wir beschäftigen könnten."

    Wie bei Bertrandt fehlen in Deutschland Ingenieure und Computerspezialisten, vor allem im exportorientierten Maschinen- und Fahrzeugbau, ebenso im Bereich der Medizin- und Elektrotechnik. Auch in der Bauwirtschaft wird händeringend gesucht.

    Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums errechnet, dass die Zahl vorübergehend oder langfristig nicht zu besetzender Stellen bei hunderttausend liegt. Der Mangel an Fachkräften wird Deutschland demnach im laufenden Jahr bis zu mehr als 20 Milliarden Euro kosten. Diese Entwicklung sei absehbar gewesen, meint der geschäftsführende Direktor des Instituts Arbeit und Qualifikation - IAQ - an der Universität Duisburg-Essen, Gerhard Bosch:

    "Zum Beispiel in der Bauwirtschaft, da wurden Fachkräfte massenhaft entlassen, jetzt zieht die Bauwirtschaft wieder an und die Fachkräfte fehlen, weil sie nicht wiederkommen. Sie sind zum Teil in andere Branchen gegangen oder ins Ausland gegangen. Dann haben wir vor allem in der exportstarken Metall- und Elektroindustrie Fachkräftemangel. Die Unternehmen haben in der Vergangenheit gedacht, dass der Arbeitskräftebedarf nicht steigen würde. Sie haben sozusagen nur an der unteren Linie Personal gefahren und ausgebildet und vor allem auch zu wenig weitergebildet, so dass sie heute vor einem Fachkräftemangel stehen."

    Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg hält die dramatischen Darstellungen der Wirtschaft für übertrieben. Dort spricht man von einem "gefühlten" Mangel. Gefühlt deshalb, weil die Auftragsbücher voll seien und es einfach etwas länger dauere, eine Stelle zu besetzen, als zuvor. Die Nachfrage sei nicht stärker als etwa in den Boomzeiten der New Economy, wo man über die Greencard für computerversierte Inder stritt. Zudem seien selbst unter den Maschinenbau- und Elektroingenieuren noch mehr als 10.000 arbeitslos. Dem hält Oliver Heikaus, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, entgegen:

    "Man muss sich vor Augen führen, dass mancher regionale Arbeitsmarkt beispielsweise in Bayern oder Baden-Württemberg inzwischen nahezu geräumt ist. Das ist nicht gefühlt, sondern ganz real. Und Gott sei Dank, wir hatten ja lange genug schwerwiegende Probleme auf dem Arbeitsmarkt, die immer noch nicht abschließend beseitigt sind. Klar ist aber auch, der Wettstreit um qualifizierte Köpfe nimmt an Intensität zu, wenn die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen insgesamt wächst, und diese hat - gemessen an der aktuellen DIHK-Umfrage - seit Jahresbeginn noch einmal deutlich zugenommen."

    Weil die Auftragsbücher gefüllt sind und die Kunden warten, sollen ausländische Fachkräfte die Wirtschafts-Lokomotive unter Volldampf halten. In der Politik hat diese Forderung eine heftige Diskussion über eine erleichterte Zuwanderung ausgelöst. Seit der Osterweiterung im Mai 2004 macht Berlin von einer Klausel Gebrauch, die es erlaubt, den Arbeitsmarkt abzuschotten und den Zuzug von Beschäftigten aus Ländern wie Polen oder Ungarn frühestens in zwei Jahren zuzulassen. Bisher dürfen ausländische Hochqualifizierte nur zuwandern, wenn sie ein Jahresmindesteinkommen von 85.000 Euro nachweisen können.

    Von CDU-Bildungsministerin Anette Schavan kommt nun der Vorschlag, diese Hürde auf 60.000 Euro im Jahr abzusenken. Ihr CSU-Kollege, Wirtschaftsminister Michael Glos, dachte zunächst sogar an 50 Prozent, ist aber seit Kritik aus den eigenen Reihen auf dem Rückzug. Auch ein Vorschlag der
    Zuwanderungskommission unter Rita Süßmuth steht wieder auf der Agenda. Einige SPD-Politiker setzen sich dafür ein, die Zuwanderung über ein Punktesystem zu regeln, um schneller und passgenauer Hochqualifizierte einzubürgern, so wie das Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien seit Jahren praktizieren.

    Eigentlich genug Stoff für die zweitägige Kabinettsklausur, die übermorgen in Meseberg beginnt. Schon jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass die Union den zuwanderungsfreudigen Denkern in ihren Reihen einen Maulkorb erteilt hat. So ist aus dem Wirtschaftsministerium niemand zu einem Interview bereit, auch in der CDU-Fraktion gilt offenbar die Ansage von Fraktionschef Volker Kauder: Zuwanderung - nein Danke! Er hält es wie Innenminister Wolfgang Schäuble und SPD-Vizekanzler Franz Müntefering, der den Arbeitsmarkt nicht öffnen will. Arbeitsmarktexperte Max Straubinger aus der CSU-Landesgruppe begründet das so:

    "Ich glaube nicht, dass es an einer mangelhaften Einwanderungspolitik liegt - der Fachkräftemangel. Wir haben derzeit noch 3,7 Millionen arbeitslose Menschen in Deutschland. Die gilt es zuvörderst zu qualifizieren, und dementsprechend hier auch weiterzubilden und Weiterbildungsangebote zu unterbreiten, um sie wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen."

    Auch die Bundesagentur für Arbeit reagiert auf die Frage der Zuwanderung zurückhaltend. BA-Chef Frank-Jürgen Weise betont, dass die Arbeitsagenturen die Menschen in Arbeit bringen sollen, und da störe es ihn schon, wenn man sich gleichzeitig Konkurrenz hereinhole. Angesichts des anhaltenden Aufschwungs in Deutschland sieht er derzeit die einmalige Chance, viel mehr Arbeitslosen - und vor allem auch weniger gut qualifizierten - einen Job zu vermitteln. Doch das zieht Gerhard Bosch vom IAQ in Zweifel:

    "Die Politik hat einen ihrer größten Fehler mit den Hartz-Reformen gemacht. Sie hat - ich würde sagen - ein Prunkstück der deutschen Weiterbildung zerstört, nämlich die langfristige Umschulung für Arbeitslose, die Arbeitslosen ermöglicht hat, in einer zweijährigen Umschulungsmaßnahme einen neuen Beruf zu erlernen. Und das waren immer gefragte Arbeitskräfte. Stattdessen hat man diese langfristigen Maßnahmen durch kurzfristige Trainingslehrgänge ersetzt und hat Fortbildung eigentlich nur noch genehmigt, wenn die Beschäftigungschancen schon absehbar waren."

    Da eine Umschulung in der Regel zwei Jahre dauert und die Arbeitsämter 2005 - angesichts der schlechten Konjunkturdaten - die heutige Entwicklung nicht absehen konnten, haben sie aufgrund ihrer Kurzfrist-Orientierung entsprechende Anträge abgelehnt. Darüber hinaus schlage negativ zu Buche, dass die BA jeweils nur noch ein Jahr lang für Arbeitslose zuständig ist, betont Bosch.

    "Das heißt, sie denkt betriebswirtschaftlich nur noch in einjährigen Zeiträumen. Das macht rechnerisch jede Umschulung zu einem Verlustgeschäft für die Bundesagentur und diese betriebswirtschaftliche Logik ist verantwortlich, dass die Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesagentur auf ein Drittel zusammengeschrumpft sind, und fast nur noch auf kurzfristige Maßnahmen. Da muss sich die Politik was einfallen lassen, hier wieder das Steuer herumzureißen. Denn das ist standortgefährdend, was die Politik hier angerichtet hat."

    Von diesen Hürden abgesehen, fragt sich jedoch, wer von den 3,7 Millionen Arbeitslosen den Fachkräftemangel überhaupt entschärfen kann? Die Antwort gibt ein Blick auf den Berufsbereich, der mit am stärksten betroffen ist. Der Verein Deutscher Ingenieure zählt rund 24.000 arbeitslose Ingenieure. Dennoch bleibt den Unternehmen nach Ansicht von VDI-Direktor Willi Fuchs nichts anderes übrig, als im Ausland nach geeigneten Fachkräften zu suchen:

    "Es ist nicht so, dass die ausländischen Ingenieure attraktiver sind, wir haben in Deutschland die Arbeitslosenzahl der Ingenieure drastisch reduziert in den letzten zwölf Monaten und zwar von 60.000 auf 24.000. Nur, wir haben jetzt das Problem, dass der miss-match, das heißt also, das Anforderungsprofil, was die Unternehmen benötigen, und das Profil, was die Ingenieure jetzt bereitstellen können, zu weit auseinanderdriften. Und leider ist es in der Bevölkerung so, dass man annimmt, ein Ingenieur ist gleich Ingenieur. Ich möchte hier nur anmerken, wenn sie zum Zahnarzt gehen, erwarten Sie auch nicht, dass er ihnen ein Bein amputiert."

    Auch für den Deutschen Industrie- und Handelskammertag geht es nicht um Aus- und Weiterbildung oder ausländischen Fachkräfte. Nötig sei vielmehr beides. Allerdings erschwere oft die Dauer der Arbeitslosigkeit die Rückkehr in den Arbeitsmarkt, erläutert DIHK-Arbeitsmarkt-Experte Heikaus:

    "Man muss sich vor Augen führen, dass über 50 Prozent der Arbeitslosen schon länger als ein Jahr ohne Job ist. Das heißt, hier sind erst einige Weiterbildungsmaßnahmen vonnöten, um diesen Menschen wieder fit für die aktuellen Erfordernisse für den Arbeitsmarkt zu machen. Dieser Weg muss gegangen werden, keine Frage, aber in Kombination mit Zuwanderung und weiteren Maßnahmen, um dem demografischen Wandel zu begegnen."

    Die Überalterung ist ein Problem, das heute zwar noch nicht auffällt, sich aber langfristig verstärken wird. Das zur Bundesagentur für Arbeit gehörende IAB in Nürnberg sieht die Wirtschaft mittelfristig auf einen breiten Fachkräftemangel zusteuern. Nach Berechnungen des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit können in zehn Jahren den deutschen Unternehmen rund 200.000 Ingenieure fehlen.

    Selbst die Gewerkschaften unterstützen daher die Idee, den Arbeitsmarkt zu öffnen. Sie kritisieren zwar, dass gerade jene Unternehmen jetzt am lautesten nach Zuwanderung rufen, die in den letzten Jahren selbst am wenigsten für Aus- und Weiterbildung gesorgt haben. Weshalb sie sich nach wie vor für eine Ausbildungsabgabe stark machen, die allerdings politisch nicht durchsetzbar ist. Dennoch sei es richtig, sagt Detlef Wetzel, IG Metall-Bezirksleiter Nordrhein-Westfalen, die Zuwanderung zu erleichtern:

    "Es ist notwendig, überhaupt im Rahmen von Internationalisierung und Globalisierung, das wir ein offenes Land sein müssen, wo auch Menschen hinkommen müssen, um hier zu arbeiten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wir brauchen keine billigen Fleischzerleger, die für 3,50 Euro Stammarbeitsplätze vernichten. Was wir brauchen, sind natürlich auch Wissenschaftler, Facharbeiter, Ingenieure, die aber aus Arbeitsinteresse nach Deutschland kommen, sich hier besonders gut verwirklichen können im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit. Ansonsten würde ich sagen, unser Fachkräfteproblem ist durch das Thema Zuwanderung nicht grundsätzlich zu lösen, diese Schulaufgaben müssen wir schon selber machen."

    Wichtig ist es, den Menschen in Deutschland die Angst vor den angeblichen sozialen Folgen der Zuwanderung zu nehmen. Solange an den Stammtischen die Furcht vor Billigkonkurrenz, Arbeitsplatzverlust, Abrutschen in Langzeitarbeitslosigkeit und "Hartz IV" umgeht, wird die Zuwanderung ein heikles Thema bleiben. Zuwanderung erlauben heißt ja aus der Sicht ihrer Befürworter nicht, die Verderben bringende Büchse der Pandora zu öffnen, betont Gerhard Bosch vom IAQ:

    "Ja, das ist eine vollkommene Fehleinschätzung. Es ist nicht so, dass an der deutschen Grenze ausländische Spitzenkräfte stehen, und die nur darauf warten, dass der Schlagbaum hochgeht und sie hier auf den deutschen Arbeitsmarkt kommen könnten. Die guten Leute haben Alternativen in vielen Teilen der Welt. Wir gelten als unattraktiv."

    Dass in den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten nicht Hunderttausende gut Ausgebildete hochmotiviert darauf warten, in Deutschland endlich arbeiten zu dürfen, unterstreicht auch Gewerkschafter Wetzel:

    "Der polnische hochqualifizierte Schweißer geht nach Norwegen und verdient 19 Euro, bevor er für sieben Euro in einer Leiharbeitsfirma im Kraftwerksbau arbeitet. Wenn alles gemacht würde für Ausbildung, wenn alles gemacht würde für Weiterbildung, wenn die Bundesagentur ihren Qualifizierungshaushalt enorm ausweiten würde und wenn alle Arbeitslosen Möglichkeiten hätten, sich weiter zu bilden, sich weiter zu qualifizieren, dann würde uns auch eine Zuwanderung nicht weh tun. Weh tut sie uns nur dann und aus der Sicht von Arbeitslosen, wenn sie sehen, für sie wird nichts getan und es werden Arbeitnehmer von der Stange aus dem Ausland geholt, das ist abzulehnen, und das würde die deutsche Wirtschaft auch nicht nach vorne bringen."

    Um den Fachkräftemangel aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen, sind in Deutschland dringend Reformen nötig. DIHK-Arbeitsmarkt-Experte Heikaus:

    "Das Modell der dualen Berufsausbildung hat sich bewährt, steht aber vor neuen Herausforderungen, muss deshalb zukunftsfest umgestaltet werden. Wir müssen zum zweiten alles daran setzen, mehr ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung zu bringen und zu halten. Wir müssen dranbleiben am Abbau sämtlicher Frühverrentungsanreize, und das gilt insbesondere mit Blick auf die betriebliche Altersteilzeitförderung. Diese sollte schnellstmöglich auslaufen, weil sie sich in der Vergangenheit nicht bewährt und zur Frühverrentung beigetragen hat..."

    Um ältere Arbeitnehmer früher loszuwerden, unterstützt die Politik die Arbeitgeber mit jährlich rund fünf Milliarden Steuergeld. Immerhin greifen mittlerweile etliche Firmen doch auf ältere qualifizierte Arbeitslose zurück, ja reaktivieren sogar Ruheständler, um von deren Erfahrung zu profitieren.

    Breit gefordert wird auch die Notwendigkeit eines nationalen Bildungspaktes, der aber durch die Föderalismusreform schwieriger geworden ist, weil die Länder seither selbständiger sind. Der Pakt sollte die Vorschulausbildung erweitern, eine Ganztagsschule in Deutschland bringen, den Ausbildungspakt verbessern, dem Kritiker einen häufig nur symbolischen Charakter vorwerfen, und vor allem sollte er die Weiterbildung fördern, gerade auch die längerfristige bei der BA.

    Was die Wirtschaft dabei leisten kann, demonstriert der Anlagen- und Maschinenbauer "SMS Group". Mit 9.000 Mitarbeitern weltweit kommt der Düsseldorfer Konzern in der Verarbeitung von Stahl, Nichteisen-Metallen und Kunststoffen auf einen Jahresumsatz von rund 2,8 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte davon erzielt die "SMS DEMAG" mit Stammwerk im Siegerland. Aus- und Weiterbildung hat bei ihr Tradition. Die Ausbildungsquote lag auch in den konjunkturschwachen Jahren über dem Branchendurchschnitt und beträgt derzeit acht Prozent. Kooperationen gibt es mit den technischen Hochschulen bzw. Universitäten in Siegen, Düsseldorf, Clausthal, Darmstadt und Aachen, erläutert Personalchef Andreas Weber:

    "Zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Aachen besteht darin, dass ein Mitarbeiter aus den eigenen Reihen einen Lehrauftrag hat, darüber hinaus haben wir ein eigenes Studentenwohnheim mit 65 Wohneinheiten am Standort in Aachen, wo alle Disziplinen vertreten sind, also Studenten aus allen Fachbereichen und dort mit der Universität in sehr engem Kontakt stehen, um frühzeitig an junge Ingenieure, sei es auch Physiker oder Chemiker, heranzukommen. Ähnliches läuft mit den Universitäten Darmstadt, Siegen, Clausthal."

    Doch das Unternehmen setzt noch früher an. "SMS DEMAG" versucht bereits unter Schülern das Interesse für die Hütten- und Walzwerktechnik zu wecken. Daher gibt es Kooperationen mit einer Realschule im Siegerland, einem Gymnasium in Düsseldorf und einer Gesamtschule in Duisburg, sagt Weber:

    "Einmal gibt es ein Projekt, das nennt sich Blick, steht für Blick ins Klassenzimmer. Dort sind wir via Internet miteinander verkabelt. Das heißt, diese Schule hat die Möglichkeit, sich während des Unterrichts hier in die Ausbildung einzuklinken und Kontakt mit den Auszubildenden und den Arbeitsplätzen aufzunehmen, so dass die Schule einen unmittelbaren Einblick in die praktische Arbeitswelt hat. Ein anderer Punkt ist, dass wir Lehrer, Studiendirektoren oder -direktorinnen von den Schulen hierhin einladen und ihnen unser Produktspektrum darstellen, das heißt, aufzeigen, was wir hier treiben."

    Eine vorbildliche Eigenleistung, und dennoch: Auch "SMS DEMAG" sucht 100 Ingenieure.

    Es bleibt also bei der Kabinettsklausur in Meseberg genug zu tun, die erheblichen Probleme um den Fachkräftemangel zu bewältigen. Laut Tagesordnung will die Runde eine "Nationale Qualifizierungs-Offensive" starten. Was dabei für den Export-Weltmeister Deutschland auf dem Spiel steht, bringt VDI-Direktor Willi Fuchs auf den Punkt:

    "Wenn es uns nicht gelingt, alle verfügbaren Ressourcen, sprich die Ingenieure, die im Beruf sind, länger dem Arbeitsprozess zuzuführen, junge Menschen für diesen Beruf zu begeistern und eben das noch zur Verfügung stehende Reservoir an arbeitslosen Ingenieuren zu aktivieren, dann kann es natürlich sein, dass Technologien abwandern. Und wenn Technologien abwandern, dann kommen sie nicht mehr zurück, höchstens als Produkt, aber nicht mehr bei uns in der Wertschöpfungskette. Wenn es uns aber gelingt, die Aktivitäten durchzuführen, auch noch ergänzt durch ausländische Arbeitskräfte, dann sehe ich unsere Zukunft weiterhin positiv."