
Mangelernährung wird hierzulande häufig übersehen oder nicht behandelt: Das beklagt der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Matthias Pirlich. Dabei betreffe sie 20 bis 30 Prozent der Patientinnen und Patienten in deutschen Kliniken, sagte Pirlich in einer Online-Pressekonferenz. Er äußerte sich zur Aktionswoche gegen Mangelernährung ("Malnutrition Awareness Week").
Berechnungen zufolge könnten sich 55.000 Todesfälle jährlich vermeiden lassen, wenn individuell angepasste Ernährungstherapien an allen Kliniken verankert würden, sagte der Ernährungsmediziner. Sinnvoll sei es, Menschen am Tag ihrer Aufnahme einen entsprechenden Fragebogen ausfüllen zu lassen und Fachleute hinzuzuziehen, sobald eine Mangelernährung festgestellt werde. Manche Betroffenen bräuchten einen Ernährungsplan, andere müssten intravenös versorgt werden.
Experte: "Armutszeugnis" für Deutschland
Der Präsident der Fachgesellschaft, Gert Bischoff, sprach von einem "Armutszeugnis" für ein wohlhabendes Land wie Deutschland. Es gebe ausreichend qualifiziertes Fachpersonal. Spezielle Ernährungsteams einzusetzen, scheitere außerdem nicht am Willen der Krankenhäuser, sondern am Geld. Das Thema betreffe auch Pflegeheime. Zwischen fünf und sechs Euro stehen für alle Mahlzeiten zur Verfügung, die ein Mensch pro Tag im Krankenhaus zu sich nimmt. "Eine gesunde, nachhaltige, ausgewogene Ernährung ist so nicht machbar", kritisierte Bischoff.
Betroffenen Kindern drohen Langzeit-Folgen
Unter Kindern und Jugendlichen, die im Krankenhaus behandelt werden, sind 23 Prozent betroffen, hauptsächlich chronisch Erkrankte. "Sie sind in der Phase von Wachstum und Entwicklung, und dafür ist Ernährung eine wichtige Grundlage", mahnte der Kinder- und Jugendmediziner Frank Jochum. Insbesondere bei Frühgeborenen sei es wichtig, auf eine angemessene Ernährung zu achten - aber auch bei älteren Kindern, die das nicht selbst kontrollieren könnten.
Alarmzeichen, auf die auch Angehörige achten könnten, sind den Angaben zufolge eine dauerhaft nachlassende Nahrungsaufnahme sowie ungewollter Gewichtsverlust. Die Folge seien Infektionen, ein Verlust der Selbstständigkeit und der Lebensqualität.
Diese Nachricht wurde am 12.11.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.