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Fällt bald der letzte Vorhang?

Das Theater ist in der Krise. Das ist nicht neu. Kaum etwas ist theatertreibender als eine Krise. Ist aber die Strukturkrise nur eine vorübergehende Finanzkrise oder steht uns landesweit ein Theatersterben ins Haus? Wenn man sich die landesweiten Sparbeschlüsse beispielsweise in Köln ansieht, wo über 20 Millionen Euro in der Kultur eingespart werden sollen, steht zu befürchten, dass Museen und Theater schließen müssen.

Jürgen Flimm, der Präsident des Deutschen Bühnenvereins im Gespräch |
    Köhler: Ich habe Jürgen Flimm, den Präsidenten des deutschen Bühnenvereins, gefragt, der übrigens gerade die Schauspielsparte der Salzburger Festspiele leitet, ob ihm diese Entwicklung nicht die Tränen in die Augen treibt.

    Flimm: Nein, das nicht, da staunt man nur noch. Eine Stadt, die sich aufmacht, Kulturhauptstadt zu werden, rasiert vorher ihre Kultur, das finde sehr witzig. Ich habe sozusagen überhaupt keine Töne mehr, denn das ist im Grunde so wenig Geld und man kann damit so viel hermachen, das haben ja nun auch die CDU-Fürsten, Herr Blömer und wie sie heißen in Köln, neulich auch gezeigt, aber sie handeln nicht danach, das ist so merkwürdig.

    Köhler: 'Alle Macht den Mieteseln' überschreibt die Süddeutsche Zeitung heute einen Artikel über unbequeme Theaterintendanten. Sind es nur die Intendanten, die unbequem sind, über Köln sprachen wir schon, in Freiburg gibt es ähnliche Probleme, wo ist das Problem Ihrer Meinung nach, sind es die kostentreibenden Tarifverträge?

    Flimm: Das Problem ist ganz simpel: Der Staat hat weniger Geld. Das wissen wir und damit muss man auch umgehen. Nur muss man auch damit umgehen können, man muss in die Lage versetzt werden, damit umzugehen. Wir können ja nur noch die Gehälter der Schauspieler und Künstler runterleveln, aber an einige große Kosten kommen wir nicht ran, da können wir nichts einsparen: dieser Block, der sich im öffentlichen Dienst befindet. So lange die zuständigen Politiker das nicht einsehen oder zu feige sind, sich nicht an das Problem herantrauen, wird es da keine Lösung geben, ganz einfach.

    Köhler: Heißt das Ausstieg aus dem Tarifvertrag?

    Flimm: Das hieße Ausstieg aus dem kommunalen Arbeitgeberverband, das wäre das erste, was die Berliner jetzt versuchen, um dann zu einer vertraglichen Regelung zu kommen.

    Köhler: Könnte es sein, dass das Problem auch noch woanders liegt oder anders gelöst werden könnte, dass also extern eingekauft wird, sich so eine art just-in-time-Kultur entfaltet?

    Flimm: Das nützt ja nichts, sie haben ja noch all die Leute im Haus. Sie haben Betriebe und die haben eine bestimmte Struktur, die alt ist und die mal sehr sehr gut war, dem Theater wahnsinnig geholfen hat, die Anbindung an den öffentlichen Dienst. Damit haben wir die Lohnsteigerungen und von heute auf morgen kriegen Sie das ja nicht weg.

    Köhler: Kommen Sie sich manchmal ein bisschen wie freiwillige Feuerwehr vor, die herumrennt und Brände löscht?

    Flimm: Nein, ich habe ja schon gar kein Wasser mehr im Schlauch. Alles, was wir seit Jahren vorgeschlagen haben, die Politiker aufmerksam machen auf diese Steigerung der Personalkosten. Ich habe schon vor 16 Jahren meiner ersten Hamburger Senatorin gesagt und allen, die es hören und nicht hören wollen gesagt: die Einnahmen bleiben die gleichen, da kann man nicht viel machen und die anderen Kosten steigen. Da muss man was unternehmen, das seht Ihr doch.

    Köhler: Sie sprachen gerade vom Beispiel Hamburg. Es gibt diese schönen beiden Zeilen in Goethes Vorspiel auf dem Theater 'denn freilich mag ich gerne die Menge sehen, wenn sich der Strom nach unserer Bude drängt'. Herr Flimm, ist die Zeit für die großen Häuser, Hamburg, Düsseldorf, tausend Plätze, nicht vorbei?

    Flimm: Wieso vorbei, das Theater ist doch voll. Die Leute gehen nach wie vor ins Theater. Wenn Sie sich die Statistiken ansehen, werden Sie das unschwer feststellen. Es gibt keine Sinnkrise, keine Formkrise, es gibt nur eine vermaledeite Finanzkrise und damit eine Lohnstrukturkrise.

    Köhler: Herr Flimm, es gibt ein berühmtes Theaterstück, eine Komödie von Thomas Bernhard, die heißt 'Der Theatermacher'. Sie galten ja so ein bisschen bei der Inthronisierung des ersten deutschen Staatsministers für Kultur als, ja, Ministermacher bin ich versucht zu sagen. Was kommt denn so bei Ihnen als nächstes? Die Intendanz der Ruhrtriennale oder womit müssen wir rechnen?

    Flimm: Erst mal habe ich das nicht gemacht, sondern das war eine Gruppe von vielen Leuten, die das gemacht haben. Ein paar Leute, die Schröder sich eingeladen hat und dann wurde dieser Job entwickelt, wir haben ein Papier gemacht, wie der aussehen soll, welche Kompetenzen er hat und es dem Schröder feierlich auf einer Party überreicht, haben Rotwein und Zigarre geraucht, überlegt, wer das machen kann und dann kamen wir ganz schnell auf Naumann, der war damals in New York. Was ich demnächst bin, weiß ich noch nicht.

    Köhler: Politik reizt Sie nicht?

    Flimm: Das hätte ich ja schon alles machen können, ich hätte ja auch Minister werden können. Politik reizt mich überhaupt nicht.

    Köhler: Haben Sie die gute Hoffnung, dass unsere Theaterlandschaft so reichhaltig bleibt, wie sie ist?

    Flimm: Nein, da bin ich skeptisch.

    Köhler: Wen trifft es zuerst?

    Flimm: Immer die kleinen Theater. Sie sehen ja, was für ein Problem die haben. Ich kenne viele Theater, die im Technikerbereich einfach die Stellen nicht mehr besetzen.

    Köhler: Köln, Freiburg, Bautzen - überall drohen Spielpläne nicht mehr erfüllt werden zu können unter dem Spardisktat. Jürgen Flimm, Präsident des deutschen Bühnenvereins, über die Zukunft der Theater.

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