Migration
Faeser: Schärfere Maßnahmen nötig, bis EU-Asylreform greift - Experten warnen vor falschen Versprechungen

Bundesinnenministerin Faeser hat vor dem Inkrafttreten erweiterter Grenzkontrollen am Montag für den Kurs der Regierung geworben. Der Migrationsforscher Knaus erwartet keinen spürbaren Rückgang der Asylbewerberzahlen. Der Bonner Politologe Decker mahnte eine europäische Lösung an.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht auf der Bundespressekonferenz.
    Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und für Heimat (Archivbild) (picture alliance / Geisler-Fotopress / Frederic Kern / Geisler-Fotopress)
    Innenministerin Faeser sagte der "Augsburger Allgemeinen", schärfere Maßnahmen auf nationaler Ebene seien notwendig, bis die Umsetzung der europäischen Asylreform greife. Laut Anordnung soll es ab Montag an allen Landgrenzen stationäre Kontrollen geben. Das ist im Schengenraum eigentlich nicht vorgesehen. An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es solche Kontrollen bereits. "Durch die schon laufenden Grenzkontrollen seit Oktober 2023 sind mehr als 30.000 Personen zurückgewiesen worden", betonte die SPD-Politikerin. Dies habe dazu beigetragen, dass die Asylzahlen um mehr als ein Fünftel im Vergleich zum vergangenen Jahr gesunken seien.

    Migrationsforscher Knaus: Nicht weniger Zuwanderung durch Grenzkontrollen

    Der Migrationsforscher Knaus erwartet dagegen nicht, dass die Maßnahme für einen spürbaren Rückgang der irregulären Migration sorgen wird. Knaus sagte im Deutschlandfunk, in vielen europäischen Ländern gebe es schon lange Kontrollen an den Grenzen, so etwa in Österreich. Dort sei die Zahl der Asylanträge aber nicht zurückgegangen. Er warne daher vor falschen Erwartungen, betonte der Wissenschaftler. Wenn man tatsächlich jede irreguläre Migration an den deutschen Grenzen stoppen wolle, sei dies das Ende von Schengen. Dafür brauche man dann auch Zäune an der grünen Grenze.

    Ministerpräsident Woidke fordert Zurückweisungen von Flüchtlingen an Grenze

    Brandenburgs Ministerpräsident Woidke (SPD) sprach sich dafür aus, Geflüchtete zurückzuweisen, die über sichere Drittstaaten nach Deutschland eingereist sind. "Dass wir Asylbewerber, für die ein anderes Land zuständig ist, hereinlassen und dann nicht mehr abschieben können, ist ein Irrsinn, den kein Bürger mehr versteht", sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenportal "t-online". Er erwarte von der Bundesebene, dass sie jetzt zügig Entscheidungen treffe.

    Politologe Frank Decker: Lösung auf europäischer Ebene notwendig

    Unionsfraktionschef Merz (CDU) hatte die Diskussion um Zurückweisungen zuletzt forciert und die Gespräche mit Vertretern der Ampel-Koalition und der Länder für gescheitert erklärt.  Der Politologe Frank Decker von der Uni Bonn hält das für eine falsche Entscheidung. Es wäre wichtig, wenn die Parteien im demokratischen Zentrum zusammenarbeiteten und sich verständigten, sagte Deutschler im Deutschlandfunk. Andernfalls bleibe die AfD der Hauptprofiteur. Decker betonte zudem, dass zusätzliche Grenzkontrollen und Zurückweisungen letztlich das Problem auf andere Staaten abwälzten. "Die Migrationsfrage kann am Ende also nur gemeinsam auf europäischer Ebene gelöst werden."
    Nach Einschätzung der Bundesregierung wären die von CDU und CSU geforderten weitreichenden Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen europarechtlich nicht zulässig. Stattdessen möchte sie das Verfahren für sogenannte Dublin-Überstellung beschleunigen. Dabei geht es um die Rücknahme Schutzsuchender durch jene europäischen Länder, die für die Bearbeitung ihrer Asylverfahren zuständig sind - in der Regel jene Staaten, in denen jemand zuerst europäischen Boden betreten hat.
    Diese Nachricht wurde am 14.09.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.