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Fahrende Fabriken
Tunnelbohrmaschinen werden immer größer und robuster

Sie sind bis zu 200 Meter lang und gleichen fahrenden Fabriken: Tunnelbohrmaschinen sind mittlerweile in der Lage, mehrspurige Autobahntunnel unter dem Meer anzulegen. Doch mit den neuen Möglichkeiten wachsen auch die Herausforderungen, mit denen Ingenieure und Tunnelbau-Firmen zu kämpfen haben.

Von Volker Mrasek | 18.06.2018
    Mineure warten am 7.11.2002 im Gotthard-Basistunnel bei Bodio auf die Inbetriebnahme der 400 Meter langen und 3000 Tonnen schweren Tunnelfr
    Im Gotthard-Basistunnel bei Bodio warten Mineure auf die Inbetriebnahme der Tunnelfräse der Firma Herrenknecht. (picture-alliance / dpa/Keystone Karl Mathis)
    "So, das ist unser Modell. Ich setz' das jetzt 'mal unter Strom. Fange 'mal an, den Zug zu fahren. Jetzt liefern wir das Material an, das gebraucht wird, unter anderem die Betonsteine. Das Förderband schalt' ich 'mal an, damit wir gleich das erbohrte Material auch abfördern können. Dann schalt' ich jetzt den Bohrkopf dazu. Wenn so 'ne Maschine bohrt, wenn die wirklich im Hartgestein ist, hört man wirklich auch Gestein nach unten fallen. Bei einer Maschine, die im Weichgestein arbeitet, da hört man eher das Brummen der Motoren, weniger das Material, das vorne abgebaut wird."
    Bis zu 200 Meter - so lang können Tunnelbohrmaschinen heute sein. Das Vorführmodell unter Plexiglas misst immerhin sechs Meter. Und auch hier kann der Ingenieur Oliver Hartge die Bohrscheibe vorne elektrisch in Gang setzen:
    "Die rotiert relativ langsam. Die würde mit ungefähr einer Umdrehung pro Minute drehen, diese Maschine."
    Hartge ist Projektmanager in Erkelenz, bei der deutschen Tochterfirma des chinesischen Konzerns CREG. Der liefert im Jahr um die 200 Tunnelbohrmaschinen aus, wie der Ingenieur sagt. Man kann die Ungetüme auch als fahrende Fabriken ansehen:
    "Ja, das sagen viele! Wir haben ganz viele verschiedene Einrichtungen auf der Maschine. Im vorderen Bereich ein Bohrkopf, der das Gebirge oder den Baugrund zerkleinert. Im hinteren Bereich der Maschine wird mit dem sogenannten Erektor dann ein Betonring eingesetzt, der direkt den fertigen Tunnel dann darstellt. Sicherlich muss man für die spätere Nutzung dann eine Fahrbahn einziehen oder Gleise verlegen, aber im Prinzip ist der Tunnel selbst fertig, wenn die Maschine durchgefahren ist."
    In China schon mehrere tausend Tunnelbohrmaschinen im Einsatz
    Oliver Hartge ist auch ein idealer Ansprechpartner, wenn man wissen will, welche Dimensionen der Tunnelbau mit solchen Monstern inzwischen erreicht hat. Zum Beispiel in China. Was dort geschehe, sei für Europäer nur schwer vorstellbar:
    "Die Entwicklung seit den 90er Jahren ist immens. Im Jahr 2010 liefen 200 Tunnelbohrmaschinen. Im letzten Jahr haben schon über 2.000 Maschinen in China gebohrt. Und man rechnet damit, dass bis 2025 über 5.000 Maschinen in China bohren werden."
    Zum Vergleich: In Deutschland sind derzeit um die 40 "Tunnelvortriebsmaschinen" im Einsatz, wie sie offiziell heißen. So die Auskunft der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen.
    "Es gibt in China über hundert Städte mit mehr als einer Million Einwohner. 30 von diesen Städten haben derzeit eine U-Bahn und erweitern diese U-Bahn. Im Prinzip sollen alle diese Städte irgendwann ein eigenes Metro-Netz haben."
    Zur selben Zeit bauen die Chinesen ihr Strecken-Netz für Hochgeschwindigkeitszüge massiv aus. Auch das geht nicht ohne Tunnel und Maschinen, die sie bohren. Wieder Zahlen, die man kaum glauben mag:
    "Es werden zur Zeit 8.500 Kilometer gebaut. Und in Planung sind über 9.400 Kilometer."
    Auch von der Größe her stoßen Tunnelbohrmaschinen in immer neue Dimensionen vor. Den derzeitigen Rekordhalter lieferte der deutsche Hersteller Herrenknecht nach Hongkong, für den Bau eines Autobahntunnels unter dem Meer. Der Durchmesser des Bohrkopfes: 17,60 Meter! In einem solchen Tunnel passen mehrere Fahrspuren neben- oder sogar übereinander. Bei Projekten wie diesen wirken enorme Wasserdrücke auf den Untergrund und damit auch auf die Tunnelbohrmaschinen. Die müssten auf jeden Fall dicht sein, so Oliver Hartge:
    Herausforderung durch Wasserdruck
    "Diese hohen Drücke zu beherrschen, das sind neue Entwicklungen. Da möchte das Wasser rein, und dagegen muss ich meine Maschine eben absperren. Das macht man mit Lippendichtungen, und man pumpt Fett in diesen Bereich mit Druck, damit eben das Wasser keine Möglichkeit hat, die Maschine zu fluten. Die Dichtsysteme werden dadurch immer komplexer. Ich muss immer mehr Dichtungen hintereinander setzen, um eben diesen hohen Druck abzubauen. Das sind Dinge, die muss man teilweise auch erst simulieren, bevor man sicher sagen kann, dass sie wirklich funktionieren."
    Ein Hauch von China weht bald auch im Großraum Paris. Dort soll das Metro-Netz in den kommenden Jahren um 200 Kilometer erweitert werden. Dafür braucht es überall neue U-Bahn-Röhren im Untergrund - und vermutlich bis zu 30 Tunnelbohrmaschinen.
    "Wir stoppen jetzt 'mal den Bohrkopf. Vorschubzylinder machen wir aus. Schnecken-Förderband. Und der Zug kann auch stoppen. Und die Maschine wird jetzt ausgeschaltet."