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Fahrradkongress
Kampfansage an die Radlerstaus

In Holland und Dänemark beträgt der Anteil des Radfahrens am Gesamtverkehr 30 Prozent. Deutschland hinkt in dieser Statistik weit hinterher. Auch sind die Bedingungen schlechter: Radlerstaus sorgen in deutschen Städten für Frust. Das soll sich jetzt ändern, so die Forderungen auf dem Nationalen Fahrrad-Verkehrskongress in Mannheim.

Von Anke Petermann | 04.04.2017
    Fahrradstraße in Minneapolis
    Fahrradstraße in Minneapolis (imago/zuma press)
    Mit dem Velo-Taxi vom Hauptbahnhof zur Kongresshalle Rosengarten – Michael Düsterwald, heute Passagier, sonst Alltagsradler, erkennt sofort, "was in Deutschland Mangelware ist: ein schöner ausgebauter Verkehrs-Fahrradweg." In Kopenhagen und anderen Fahrradstädten verlaufen Radspuren direkt an der Fahrbahn, aber mit physischen Barrieren, Bordsteinen oder Pflanzenkübeln, abgetrennt davon.
    "Protected lanes" heißen in New York und Portland, Oregon, die breiten, sicheren Trassen, über die sich inzwischen Tausende von Berufspendlern bewegen. In Mannheim verläuft die typische deutsche Trasse eingekeilt zwischen parkenden Autos und Fußgängern. "Wir sind hier auf einer Nebenstraße unterwegs, wo ein separater Fahrradweg auf dem Bürgersteig ist und man sieht, wir holpern die ganze Zeit", sagt Düsterwald.
    Grüne Welle für Fahrräder
    Auch geübte Radler können auf einer so schmalen Buckelpiste nicht überholen. Ungeübte schreckt der Slalom zwischen Fußgängern und sich öffnenden Autotüren ganz ab. Kirsten, US-stämmige Berlinerin und heute als Shuttle-Fahrerin in Mannheim unterwegs, navigiert das mit zwei Passagieren und Gepäck etwa 400 Kilo schwere, elektro-unterstützte Dreirad-Taxi seelenruhig durch die Mini-Trasse. Ein Radler-Stau verhindert, dass sie bei grüner Fahrradampel die Straße queren kann.
    "Das ist so! Auch in Berlin ist es so. Wir haben Stau, Fahrradstau. Wir haben so viele Radler unterwegs – es ist manchmal frustrierend!"
    Nicht, dass immer mehr aufs Rad umsteigen, verursacht Frust, sondern dass den abgas- und geräuschfreien Pendlern so wenig Platz im Vergleich zum Autoverkehr eingeräumt wird. Velotaxi-Passagier Michael Düsterwald organisiert bei Siemens die Grüne Welle für Fahrräder, "…da, wo die Städte hingehen und Fahrradstraßen ausbauen. Also nicht auf den Hauptverkehrsstraßen, dem Mittleren Ring in München, das wäre jetzt kein gutes Beispiel für eine Fahrrad-Priorisierung, sondern eher in Nebenstraße, also man muss den Kompromiss der Geschwindigkeiten eingehen."
    Der Experte raubt Autofahrern ein paar Sekunden Grüne Welle, um sie Radlern zuzuschlagen. Grün für alle gibt es nicht, sagt er. Auch um dem Fahrrad auf abgetrennten Spuren je zwei Meter Platz zu geben, wie der ADFC und andere Radler-Verbände das nach Kopenhagener Vorbild fordern, muss man dem Auto in dicht bebauten Städten etwas wegnehmen.
    "Die Parkspuren am rechten Rand, die müssten meines Erachtens geopfert werden", meint Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann. "Das sind ein paar wenige Parkplätze, die vor allem den Rad-Verkehr behindern, und viel Park-Raum darstellen, aber viel nutzvollen Boden blockieren."
    Autofahrern Raum wegnehmen
    Auch dem fließenden Autoverkehr Raum zugunsten des Fahrrads wegzunehmen, fordert der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ADFC, davon allerdings will man im CSU-geführten Bundesverkehrsressort nichts wissen - ebenso wenig wie vom Streichen der Pendler-Pauschale, die nach Meinung von Experten weite Autofahrten begünstigt.
    Sogenannte Rad-"Autobahnen", also kreuzungsfreie überregionale Radschnellwege fördert der Bund aber, so Staatssekretär Norbert Barthle.
    "In diesem Jahr mit 25 Millionen, und das soll pro Jahr bis zum Jahr 2030 zur Verfügung stehen. Radschnellwege sind eine besonders gute Möglichkeit, um rasche Verbindungen zu schaffen zwischen den verschiedenen Metropolen oder Ballungsräumen."
    20 Millionen Euro kostet in Mannheim allerdings schon ein einzelner Radschnellweg durch die Innenstadt. 100 Millionen Euro jährlich gibt der Bund außerdem für Radwege an Bundesfernstraßen aus, unterstreicht Staatssekretär Barthle. Nur ein Zehntel dessen, was für eine Verkehrswende gebraucht werde, kontert der ADFC. Und: Peanuts im Vergleich zu den sechs Milliarden Euro für den Straßenbau.