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Fahrverbote in Stuttgart
Gelbe Westen und populistische Sprüche

Die Fahrverbote in Stuttgart sorgen bei vielen Autofahrern für Wut und Ärger. Seit einigen Wochen finden dort deshalb Demonstrationen statt. Doch die Organisatoren der "Gelbwesten"-Proteste kämpfen gegen "AfD-Sprüche" auf der Veranstaltung.

Von Uschi Götz | 04.02.2019
    Demo-Organisator Ioannis Sakkaros in gelber Wüste vor einer Gruppe Demonstranten, von denen ebenfalls viele gelbe Westen tragen.
    Demo-Organisator Ioannis Sakkaros (links) kämpft gegen populistische Untertöne und "AfD-Sprüche", die sich in die Proteste mischen (imago/Arnulf Hettrich)
    Ioannis Sakkaros sitzt mit einem Journalisten in einem Stuttgarter Cafe, ein Kamerateam filmt die beiden.
    "Es sind sehr viele Interviews zu machen, auch die Organisation selber, ich war jetzt auch schon zweimal in Berlin zu Fernsehauftritten."
    Mittlerweile ist der 26-jährige Porsche-Mitarbeiter berühmt. Er hat die Demos gegen Diesel-Fahrverbote in Stuttgart ins Leben gerufen. Unpolitisch sei er, sagt er. Entsprechend einfach sind seine Erklärungen für sein Motiv:
    "Die grüne Regierung war ja orientiert daran, den Individualverkehr einfach abzuschaffen."
    Man sollte nicht seine Ideologie durchsetzen, erklärt er mit Blick auf grüne Politiker.
    "Sondern man muss das machen, was das Volk verlangt."
    Ein schlanker, eher ernster Typ ist Sakkaros. Vor der Demo heute geht er noch schnell zu seiner Mutter zum Essen.
    Feindbilder: Die Grünen und die Medien
    Die Grünen spielen auf dieser vierten Demo gegen Diesel-Fahrverbote eine große Rolle. Auch um Journalisten geht es, die nicht tun, was ein älterer Redner von ihnen verlangt:
    "Neue Ideen mit Nachweisen werden in den Medien ignoriert."
    Von medialer Verblödung spricht der Mann und viele in gelben Warnwesten gekleideten Demonstranten rufen: "Lügenpresse".
    "Die Grünen wollen für ihre Klientel freie Straßen bekommen", beklagt der nächste Redner. Jetzt ruft die Menge: "Grüne weg!"
    "Dann können sie endlich auf leeren Straßen mit ihren fetten SUVs mit gutem Gewissen zum Bäcker fahren, ihre Vollkornbrötchen kaufen, die Kinder zu den Kindergärten, in die Waldorfschule oder Privatschule fahren."
    Reden darf jeder, der keiner Partei oder politischen Gruppierung angehört. Inhaltliche Vorgaben gibt es dabei wohl keine. Falsch platzierte Messstationen, willkürlich festgelegte Grenzwerte. Alle Redner eint die Forderung: Das Fahrverbot in Stuttgart muss aufgehoben werden. Seit Anfang des Jahres gilt in Stuttgart das erste bundesweit flächendeckende Diesel-Fahrverbot für Euro 4 und ältere Modelle in einer Stadt:
    "Man fühlt sich wie in der Hochzeit der Apartheid in Südafrika, wobei wir hier die Schwarzen sind."
    Ruft der Mann mittleren Alters in die Menge und etliche Demonstranten applaudieren bei derartigen Sprüchen nicht mehr. Der Veranstalter spricht von rund 2.000 Teilnehmern, die Polizei zählte rund 900.
    Unter ihnen sind Familien mit Kindern, Mitarbeiter der umliegenden Autobauer und Zulieferer, auch Mitglieder der rechten Gruppierung "Zentrum Automobil" sind auszumachen.
    Ein Mann mit gelber Weste erklärt, er sei Betroffener:
    "Ich fahre ein Dieselauto mit der Euronorm 4. Das Auto ist noch nicht sehr alt, also acht Jahre, ist noch Pfenniggut. Ich habe nicht das Geld für eine Neuanschaffung und ich sehe auch nicht ein, dass das Auto danach nach Rumänien, Tschechien oder Polen, dort, wo er erlaubt ist, weiterfährt. Deswegen bin ich hier heute zum zweiten Mal und ich werde noch öfter hier sein, bis das revidiert wird."
    Initiator kämpft gegen "AfD"-Sprüche auf der Demo
    Kurz vor Ende der rund zweistündigen Kundgebung greift auch Initiator Sakkaros noch zum Mikrofon. Er lädt zur nächsten Demo am kommenden Samstag ein und rügt seine Mitreiter:
    "Es wurde hier vorher gehetzt, gegen die Presse."
    Mit einem Appell beendet er diese Demonstration;
    "Diese AfD-Sprüche, 'Lügenpack' - das ist unangebracht, das müssen wir klarstellen. Die Presse berichtet wohlwollend über unser Leid! Ist das in Ordnung?"
    Die Töne werden schärfer in Stuttgart. Politisch nehme die Regierung die Proteste ernst, betonte jüngst Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Landesregierung sei jedoch von Gerichten zu Fahrverboten gezwungen worden, da nützte keine Demonstration etwas.
    Die grün-schwarze Regierungskoalition gerät zunehmend unter Druck. Während Kretschmann an den aktuell gültigen Stickoxid-Grenzwerten festhalten will, fordert die mitregierende CDU ein Moratorium. Fahrverbote sollten dabei ausgesetzt werden, bis neue Werte vorliegen. Mit Blick auf die Forderung des Koalitionspartners blieb Kretschmann bislang diplomatisch:
    "Ich nehme an, die Interpretation heißt: Das ist eine Aufforderung an die europäische Union, die nach ihrer Meinung wissenschaftlich nicht mehr so gesicherten Grenzwerte, dafür ein Moratorium zu machen, nur sie kann das."
    Bereits im Sommer muss die Landesregierung über ein mögliches Euro-5-Diesel-Fahrverbot in Stuttgart entscheiden. Es sei ein nicht geringer Konflikt mit dem Koalitionspartner, der an die Kante gehe. Das sagte Kretschmann am Wochenende in Stuttgart.