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Fahrzeugzulieferer aus Prignitz
Transformation vom real existierenden Sozialismus in den Kapitalismus

Zu DDR-Zeiten war die Firma ein Kreisbetrieb für Landtechnik in der Planwirtschaft. Heute, nach der Übernahme durch das westdeutsche Traditionsunternehmen Hüffermann stellt die Firma Transportsysteme her und beschäftigt immer noch Mitarbeiter aus der Region Prignitz.

Von Axel Flemming |
    etallbauer Andreas Gawe arbeitet am 28.10.2010 in der Transportsysteme-Hersteller Firma Hüffermann in Neustadt (Dosse) an einer Neuentwicklung für LKW-Muldenanhänger. Hier wurde die weltweit erste kettenlose Ladungssicherung entwickelt.
    Die Firma Hüffermann aus Brandenburg wird mit dem "Zukunftspreis" des Bundeswirtschaftsministeriums ausgezeichnet. (picture-alliance / ZB / Nestor Bachmann)
    Rund um das Firmengelände am Gewerbegebiet Ost sieht es aus, als ob die Bauern Solarpaneele statt Mais anbauen.
    "Dahinten überall. Das ist aber ganz kurz erst, seit ein bis zwei Jahren. Das ist nicht immer so gewesen."
    Bernhard Becker. Er ist seit zehn Jahren Gesellschafter von Hüffermann Transportsysteme. In dieser Zeit verdoppelt sich die Belegschaft, die Zahl der Mitarbeiter wächst von 67 auf 190.
    Der Umsatz bewegt sich nach seinen Angaben zwischen 25 und 30 Millionen Euro:
    "Wir haben uns sehr stark entwickelt in den letzten zehn Jahren. Wir haben sukzessive die Märkte weiter entwickelt Richtung Europa, machen mehr und mehr auch im Bereich Export, sind spezialisiert. Wir machen keine Serienfahrzeuge, das ist das Entscheidende. Damit heben wir uns ab von den Großen unserer Branche. Wir können noch Einzelstücke bauen. Wir sind eine Manufaktur."
    Denn die Anhänger sind Handarbeit.
    Vor der 'Meisterrunde' führt er den Besucher durch den Betrieb:
    "Wir gehen mal rum? Gut!"
    Der Hof von Hüffermann ist vollgestellt mit Lastwagen-Anhängern, die zur Auslieferung anstehen, die Wechselbehälter und Abrollcontainer transportieren sollen:
    "Es gibt so einen Slogan, der ist viele Jahre alt, der heißt: 'Was keiner kann, kann Hüffermann!' Bedeutet, dass man sehr genau hinschaut, was wir tun. Ist immer auch eine Frage von Patenten und Schutzrechten, die wir regelmäßig anmelden, weil wir immer ganz vorne innovativ mit dabei sein müssen."
    Rund um den Hof sind riesige Hallen, in denen die Hänger gefertigt werden, dazu noch Lkw- und Sonderaufbauten, Entsorgungsfahrzeuge und eine markenfreie Kfz-Werkstatt, in der Fahrzeuge aus der Region repariert werden.
    Die Firma entwickelt Ladungssicherungssysteme, betreibt eine Lackiererei, ist außerdem Dekra-Standort für die Lastwagen. Bernhard Becker geht um die Hallen herum, hier ist die Warenannahme, dahinter das Lagerhaus für die Fahrzeugteile. Die sollen einerseits nicht zu lange hier lagern, andererseits soll alles vorhanden sein, wenn es an die Fertigung geht – 'lean production', 'just in time'.
    Becker geht durch eine grüne Metalltür, dahinter trifft er auf Uwe Bölt, den 'Produktionsleiter gezogene Einheiten'. Er machte schon die Transformation vom real existierenden Sozialismus in den Kapitalismus mit, als nach einer Privatisierungs-Schlingerfahrt 1990 die traditionsreiche West-Firma Hüffermann aus dem niedersächsischen Wildeshausen den Betrieb übernimmt:
    "Gänsehaut, bewegende Zeiten."
    Bölt ist schon 1976 im Betrieb, als der zu DDR-Zeiten Landmaschinen aufarbeitet, als Kreisbetrieb für Landtechnik in der Planwirtschaft:
    "War eben alles von oben herab gesteuert. Man muss planen, man muss sich aber auch am Markt orientieren. Sonst hat das alles keinen Wert. Wir haben gebastelt, gepunnert, gepriemt, bis das dann irgendwie wieder einen Meter weiter ging. Also richtig Mangelwirtschaft: aus zwei mach eins. Aber damals der Vorteil war: alles genormt! Was ich vom Trecker abgebaut hab, hab das am Mähdrescher angebaut, hat irgendwie gepasst."
    Bölt ist nicht der Einzige aus der 'alten Zeit'.
    "Da war Vertrauen drin"
    Die Firma ist stolz darauf, Männer über 50 aus der Region zu beschäftigen, die noch die 'gute alte Handwerkskunst der Metallbearbeitung' beherrschen, teilweise mit 20, 30 oder sogar 40 Jahren Betriebszugehörigkeit.
    "Sie können noch entlang einer Skizze ein Fahrzeug tatsächlich von Hand produzieren. Das ist der feine Unterschied zu anderen Fertigern, die Stück für Stück gerade ihre Produktion laufen lassen müssen. Bei uns ist kein Fahrzeug wie das andere, wenn es zur Auslieferung ansteht."
    Horst Teurich, jetzt kurz vor dem Ruhestand, damals bei der Neugründung Betriebsratsvorsitzender, erinnert sich auch noch an die Zeit des Übergangs: "Wo keiner richtig wusste, was passiert überhaupt? Wie geht's weiter? Aber von der Sache her sind wir alle optimistisch geblieben. Da war Vertrauen drin. Jeder einzelne Mitarbeiter hat ja auch sein Bestes gegeben, damit die Firma wirklich hochkommt.
    Und dann hat man ja gesehen, dann wurde das modernisiert, dann wurde das abgerissen. Wo wir gesehen haben, dass investiert wurde, dann hat man ja auch mitgekriegt, dass es aufwärts geht."
    Während damals das Hauptproblem war, die Arbeitsplätze zu erhalten, weil die traditionellen Absatzmärkte einer nach dem anderen wegbrachen und selbst gut Qualifizierte in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden, hat sich die Situation nun grundlegend gewandelt.
    Zwar ist die Prignitz immer noch strukturschwach, allerdings führten geringe Geburtenraten und der Wegzug vieler junger Leute zu einem dramatischen demografischen Wandel: Qualifizierte Arbeitskräfte werden seit Jahren schon gesucht.
    Gesellschafter Bernhard Becker sagt, Hüffermann bilde deshalb seit Jahren in acht Berufszweigen aus, über 30 Auszubildende im Jahr, die Firma begleitet auch Magister- und Bachelor-Arbeiten:
    "Wir unterstützen im Studium. Wir versuchen, die Leute zu halten, dass sie zurückkommen, und das ist eines unserer wesentlichen Elemente, warum wir auch heute noch so ein junger Betrieb sind und nicht überaltert und nicht irgendwann vor der Erkenntnis stehen, jetzt gehen alle gleichzeitig in die Rente."
    Der Einsatz wird belohnt: Hüffermann bekommt jedes Jahr Ausbildungspreise, 2009 den 'Großen Preis des Mittelstands' und heute den 'Zukunftspreis Brandenburg', verliehen vom Wirtschaftsministerium.