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"Fairtube"
Youtuber wollen Mitsprache auf Augenhöhe

Ohne die Videos seiner Nutzerinnen und Nutzer wäre Youtube nicht, was es ist. Viele der Videomacher fühlen sich von der Plattform allerdings unfair behandelt. Nun haben sie dem Konzern eine Frist für Verbesserungen gesetzt.

Von Brigitte Baetz | 14.08.2019
Ein Mann läuft beim YouTube-Jahresrückblick 2018 im YouTube Space Berlin vor einem YouTube-Logo.
Die Initiative Fairtube fordert vom Youtube-Betreiber Google mehr Transparenz (picture alliance/dpa)
"Hallo und willkommen zum Slingshot-Channel. Heute gehts um Ballern im Garten, mit Spielzeugen wie diesen hier. Ja, ich hab sie ja schon mal vorgestellt, das sind die gefährlichsten Spielzeugwaffen Deutschlands."
Jörg Sprave ist einer dieser Youtuber, die mit einem eher ungewöhnlichen Hobby ein weltweites Publikum erreichen. 2,2 Millionen Abonnenten hat der Kanal des 54-Jährigen, auf dem er zeigt, wie man mit möglichst skurrilen, möglichst selbst gebauten Schleudern und anderen Gerätschaften Dinge aller Art in die Gegend schießt: Kartoffeln, Klobürsten oder auch mal Kondome.
Das ist harmlos, doch einige Videos wurden wohl aufgrund ihrer martialischen Anmutung ab und an schon von der Plattform gesperrt. Gleichwohl stehen mehr als 750 Videos von Sprave auf Youtube, in deutscher und in englischer Sprache, letztere sind besonders gefragt. Abrufe im zweistelligen Millionenbereich sind keine Seltenheit.
Videomacher fühlen sich schlecht informiert
Doch trotz seines Erfolges ist Jörg Sprave sauer auf Youtube und wirft der Google-Tochter Intransparenz und mangelnde Fairness vor. Schließlich geht es auch für ihn um Reichweite und um Geld. Youtube lege keine Rechenschaft darüber ab, sagt Sprave, warum ein Video gesperrt wird oder warum in einem Video keine Werbung geschaltet wird.
"Das sagt einem niemand. Das muss man versuchen zu erraten. Finde ich merkwürdig und nicht partnerschaftlich, denn wir dürfen ja nicht vergessen, es handelt sich ja hierbei um Leute, die bereits es geschafft haben, einen großen Kanal aufzubauen und sehr viele Leute zu erreichen und mit Youtube einen rechtsgültigen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen haben. Warum man diese Leute dann aber im Regen stehen lässt und ihnen keine Auskunft erteilt, das verstehen wir nicht."
IG Metall beschäftigt sich seit Jahren mit Online-Plattformen
"Wir", das ist die Youtubers Union, die Sprave im März letzten Jahres gegründet hat, eine Interessenvertretung für Youtuber mit inzwischen über 21.000 Mitgliedern, und das ist die IG Metall, mit der die Youtubers Union nun die Kampagne Fairtube ins Leben gerufen hat. Eine nur auf den ersten Blick ungewöhnliche Verbindung: Seit einigen Jahren schon beschäftige sich die Gewerkschaft mit dem Thema Plattformen und der gerechten Bezahlung und Behandlung ihrer Mitarbeiter, sagt Robert Fuß, der beim Vorstand der IG Metall im Projekt Crowdsourcing tätig ist:
"Die Youtuber haben ähnliche Probleme wie die Crowdworker, die wir seit einiger Zeit betreuen und wo wir uns um das Thema kümmern: das Thema Transparenz, Zuverlässigkeit, das Machtungleichgewicht zwischen den dort Tätigen und den Plattformen. Und die Youtubers Union hat gesehen: Oh, die IG Metall, die beschäftigt sich seit sieben Jahren mit diesem Thema. Die hat Kompetenz in der Organisation. Und da haben wir gesagt: Dann lassen wir uns da doch zusammen arbeiten. Da kriegt man vielleicht mehr bewegt als jeder für sich."
"Da misst Youtube ganz massiv mit zweierlei Maß"
Jörg Sprave hat beispielsweise beobachtet, dass es die klassischen TV-Netzwerke viel eher schaffen, mit ihren Videos in die Empfehlungen und die so genannten "Trendings" zu kommen, die den einzelnen Youtube-Nutzern angezeigt werden.
"Nun muss man wissen, dass Trending und Recommended ganz, ganz, ganz wichtige Instrumente sind, denn mittlerweile gibt es dermaßen viele Inhalte auf Youtube, dass, wenn man es nicht schafft, auf diese Empfehlungslisten zu kommen, dann hat ein Video eigentlich keine Chance, von vielen Menschen gesehen zu werden. Und da misst Youtube ganz massiv mit zweierlei Maß. Es ist halt so, dass es ein CNN- oder ein AP-Video viel, viel einfacher hat, in ein Trending zu kommen. Da reichen schon im Schnitt 10.000 Views aus, damit sie es in die Empfehlungslisten schaffen, während ein unabhängiger Youtuber da mindestens 1,5 Millionen Views braucht.
Initiative fordert Ansprechparter und eine Schlichtungsstelle
Mehr Transparenz also fordert Fairtube, konkrete Ansprechpartner statt automatisiertem E-Mail-Verkehr, eine neutrale Schlichtungsstelle und einen Beirat, in dem auch Youtuber, von der Plattform auch "Creator" genannt, sitzen. Und rechtliche Schritte werden geprüft, zum Beispiel um zu klären, ob die Intransparenz des Youtube-Algorithmus gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt oder ob der ein oder andere Youtuber möglicherweise scheinselbständig ist.
Deshalb wurde Youtube eine Frist bis zum 23. August gesetzt, um auf den Forderungskatalog zu reagieren. Auf Nachfrage des Deutschlandfunks ließ die Plattform eine schriftliche Stellungnahme verschicken, in der es unter anderem heißt:
"Die YouTube Creator sind ein wichtiger Bestandteil des YouTube-Ökosystems. Deshalb schüttet YouTube den Großteil der Erlöse an seine Creator und Partner aus. Damit sich dieses Ökosystem gut entwickeln kann, muss YouTube ein Gleichgewicht herstellen, um die Sicherheit seiner Nutzer, die Eignung von Inhalten für Werbetreibende und die langfristige Nachhaltigkeit für YouTube Creator zu gewährleisten."
Eine Einlassung, die vermutlich die meisten Youtuber unterschreiben würden – wenn sie nachvollziehen könnten, wie dieses Gleichgewicht zustande kommt.