Archiv


Fake-Interview aus der Parteizentrale der Niedersachsen-CDU

Die Niedersachsen-CDU recycelt alte Aussagen von Landeschef McAllister und verschickt das "Interview" zum Abdruck an Anzeigenblätter. Einige veröffentlichten es auch, was für Aufregungen sorgt.

Von Torben Hildebrandt |
    David McAllister hat genug von der Interviewposse, auf Nachfrage reagiert der Ministerpräsident kurz angebunden:

    "Dazu hat die Partei alles gesagt."

    Sechs Wörter zu dem medialen Unfall, der McAllisters Wahlkampfstart verhagelt hat. Hinter vorgehaltener Hand heißt es: Der Ministerpräsident habe getobt. Anlass für den Ärger: Mitten im politischen Sommerloch hat die CDU-Parteizentrale in Hannover eine Idee: Per E-Mail verschickt McAllisters Pressesprecher Torben Stephan ein fertig ausformuliertes Sommerinterview an die niedersächsischen Anzeigenblätter – im Wortlaut. Fragen und Antworten – feingeschliffen, nichts Kritisches. McAllister präsentiert sich im Frage-Antwort-Spiel als bodenständiger Landesvater. Für den Deutschen Journalisten-Verband liegt hier der Versuch vor, Medien zu manipulieren – der niedersächsische Landesvorsitzende Frank Rieger schränkt allerdings ein:

    "Der Versuch selber ist nicht verwerflich. Was ververflich wäre, wenn eine Zeitung oder ein Sender diese eins zu eins übernimmt, dann würde er kostenlos Werbung senden."

    CDU-Sprecher Torben Stephan verschickt das Interview an 150 Anzeigenblätter. Im Anschreiben heißt es, "um Ihre redaktionelle Arbeit zu unterstützen".Später sagt Stephan: Anzeigenblätter seien personell unterbesetzt, gerade im Sommer, da sei so ein Interview hilfreich. Noch später entschuldigt sich der Sprecher beim DJV – und ganz am Ende sagt er gar nichts mehr. Per SMS teilt er auf Anfrage mit: "Irgendwann ist dann auch gut." Der Pressesprecher gerät auch deshalb in die Kritik, weil das Interview niemals stattgefunden hat. Torben Stephan hat verschiedene echte McAllister-Aussagen aus der Vergangenheit gemixt – und dann ein Interview zusammengebastelt. Als Vorlage dienten McAllister O-Töne wie diese:

    "Niedersachsen ist ein tolles Land, wir leben hier, wo andere Urlaub machen. Und Niedersachsen bietet so viel, hier kann man wunderbar Urlaub machen."

    Der echte Ministerpräsident will das Gespräch nicht autorisiert haben, er habe Bedenken gehabt, heißt es. Dass das Fake-Interview dann doch den Weg in die Öffentlichkeit fand, wirft nun Fragen auf – zum Beispiel über das Verhältnis von kostenlosen Anzeigenblättern zur Politik. DJV-Landeschef Rieger sieht durchaus ein Risiko:

    "Anzeigenblätter sind, weil sie personell nicht so gut ausgestattet sind, sicherlich gefährdeter als normale, andere Presseprodukte, für die man zahlt. Immer dort, wo man bei Redaktionen spart, wo man günstig Inhalt ins Blatt oder auf den Sender bekommen will, werden solche Angebote sicherlich wahrgenommen."

    Während klassische Lokalzeitungen über sinkende Auflagen klagen, geht es den Anzeigenblättern blendend: Nach Branchenangaben lesen mehr als 58 Millionen Deutsche regelmäßig Gratiszeitungen, der Umsatz wächst. In vielen Regionen wird das Anzeigenblatt mehr genutzt, als die örtliche Tageszeitung. Kommerzielle Anbieter als Einfallstor für Politik-PR? Thorsten Hapke, Vorsitzender der Landespressekonferenz in Niedersachsen, sieht das differenziert:

    "Ich glaube, dass bei diesen Anzeigenblättern der Leser keine politischen Informationen erwartet und insofern diese Anzeigenblätter auch ihre Anzeigenaufkommen nicht dadurch generieren, dass sie viele politische Informationen bringen. Aber natürlich ist es langfristig eine Gefahr, wenn journalistische Standards auf diese Art und Weise konterkariert werden. Das passiert ja auch schon dadurch, dass eben Redaktion und Anzeigenabteilung gerade bei diesen Blättern nicht getrennt sind. Das ist ein Problem."

    Einer, auf den sich die Blicke der Medien plötzlich auch richten, ist Peter Fehlhaber. Er ist Macher des Internetmagazins "Celleheute" und hat das ausgedachte Interview veröffentlicht – die nachfolgende Diskussion hält er für übertrieben.

    "Dass eine Pressestelle Fragen und Antworten liefert, ist Alltag und Standard. Ob man das gut oder schlecht finden will, will ich gar nichts zu sagen. Es gibt jeden Tag Presseinformationen, die in dritter Person geschrieben sind von Politikern. Kein Mensch hat sich darüber aufgeregt. Insofern nenne ich das einen Sommerlochskandal. Aber, dass natürlich ein Interview gefaked wird und so nicht stattgefunden hat, das geht natürlich nicht."

    Das Internetportal will auch weiterhin Pressemitteilungen oder Interviews von politischen Pressestellen veröffentlichen. Allerdings werde man kritischer hinschauen, kündigt Fehlhaber an. Andere Portale oder Anzeigenblätter haben das Rundum-Sorglos-Paket nicht veröffentlicht – der CDU-Vorstoß erzielte nicht die gewünschte Wirkung. Für den Vorsitzenden der niedersächsischen Landespressekonferenz hat der mediale Trubel um das Interview noch eine andere Facette. LPK-Chef Hapke kritisiert: Parteisprecher Torben Stephan werde zum Sündenbock gemacht. Und das, obwohl er im Sinne der Parteispitze gehandelt habe.