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Fake News in Kenia
Gefälscht und brandgefährlich

Schon im zurückliegenden Wahlkampf hat professionelle Propaganda in Kenia die Runde gemacht – auch mithilfe von Politikern. Nachdem die Wahl nun annulliert wurde, könnte auch Gewalt geschürt werden. Fake news spielen dabei eine wichtige Rolle.

Von Linda Staude | 06.09.2017
    Unterstützer des kenianischen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga bei einem Protestmarsch im Mathare Slum in Nairobi.
    Unterstützer der Opposition in Kenia bei einem Protestmarsch in Mathare (AFP - Luis Tato)
    Auf den Straßen von Mathare brennen Autoreifen und kleine Marktstände. Wütende junge Männer bauen Barrikaden. Einzelne werfen dicke Steine in Richtung der schwer gerüsteten Sicherheitskräfte, die mit Tränengas und scharfen Schüssen gegen die Demonstranten vorgehen.
    Die Proteste nach den inzwischen annullierten Wahlen in Kenia Anfang August waren heftig, aber lokal begrenzt. Kein Vergleich zu den Gewaltausbrüchen nach dem Urnengang 2007 mit mehr als 1.200 Toten. Aber die Angst davor war da, sagt Händler Japheth.
    "Ich habe große Angst. Sie können sehen, dass ich das Geschäft heute nicht aufgemacht habe, alles ist weggeschlossen. Es ist nicht gut und ich glaube, wir müssen Angst haben."
    Gerüchte in sozialen Medien
    Geschürt wurde diese Angst von den zahllosen Gerüchten, die über das Internet und soziale Medien verbreitet wurden. Caleb Odhiambo:
    "Uns wurde gesagt, dass die Mungiki in Mathare eingefallen sind, in alle Gegenden, in denen Luos wohnen. Aber später haben wir herausgefunden, dass das fake news waren."
    Mungiki ist die verbotene, kriminelle Jugendorganisation der Volksgruppe der Kikuyu. Der lange schwelende Konflikt mit der zweiten großen Ethnie der Luo kann in Wahlzeiten schnell eskalieren. Gefälschte Nachrichten über angebliche Überfälle sind da brandgefährlich.
    Schnelle Verbreitung
    "In Kenia haben 39 Millionen Menschen ein Handy. Sieben Millionen sind auf Facebook und doppelt so viele auf Whatsapp. Das heißt: es gibt einen riesigen Empfängerkreis, in dem sich alles verbreitet wie ein Lauffeuer", erklärt Alphonce Shiundu, der Leiter von Africa Check in Kenia. Die Organisation überprüft Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt. Aber bis sie Gerüchte öffentlich als falsch brandmarken kann, haben ihre Empfänger sie oft schon weiter verbreitet. So wie Eric Otieno.
    "Manchmal denkst Du, was jemand Dir geschickt hat, könnte gefälscht sein. Aber dann siehst Du, wie viele Leute es weitergeleitet haben, und erkennst, dass es doch wahr ist."
    Journalisten werden ferngehalten
    Da war es wenig hilfreich, dass die Polizei professionelle Journalisten von den Krawallen in Nairobis Slums ferngehalten hat – notfalls mit Gewalt. Glaubwürdige Berichte über die Kämpfe und das rabiate Vorgehen der Sicherheitskräfte waren rar.
    "Ich habe einige Übergriffe mit eigenen Augen gesehen. Aber sie waren nicht in den Nachrichten. Manche haben sogar behauptet, sie haben nie stattgefunden."
    Das schafft Misstrauen. Noch mehr, wenn die Politiker beider Seiten regelmäßig offensichtliche Lügen verbreiten. Wie der Innenminister mit seiner öffentlichen Behauptung, niemand sei von der Polizei erschossen worden. Während die Opposition genauso falsch von über hundert Toten sprach. Solche offiziellen fake news haben Methode in Kenia, sagt Alphonce Shiundu:
    Propaganda mit BBC-Logo
    "Sie haben ein so genanntes Ökosystem der Falschmeldungen, durch das fake news florieren können. Auf der einen Seite sind Leute mit einem abgestumpften Sinn für Moral, aber den Mitteln, ihre eigenen Nachrichten zu schaffen. Für sie geht es um Geld. Andere brauchen ihre Dienste - normalerweise sind das Politiker."
    Schon im Wahlkampf hat professionell gemachte Propaganda die Runde gemacht: Diffamierende Videos unter dem bekannten Logo der Fernsehsender CNN oder BBC. Alle gefälscht, um Stimmung gegen den politischen Gegner zu machen. Paul Haggai aus Mathare:
    "So etwas richtet großen Schaden an, denn die Sicherheit wird zum Problem. Wenn die Leute in unserer Nachbarschaft zusammenkommen und diskutieren, dann brechen Kämpfe aus. Diese Dinge schaden uns."
    Einfluss auf die Wahlen
    Trotz aller zweifelhaften Videos mit ihren aufrührerischen Bildern haben die meisten Kenianer sich nach der Wahl mit ihrem umstrittenen Ergebnis nicht zu Gewalt verleiten lassen. Aber Probleme verursacht das blühende Geschäft mit überzeugend wirkenden Falschmeldungen doch, so Alphonce Shiundu:
    "Fake news vor Wahlen führen zu falschen Entscheidungen, mit denen Sie fünf Jahre lang leben müssen. Das ist schädlich, riskant und gefährlich."