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Fakten statt Fehler

Medizin. - Mit einem Symposium feiert das Deutsche Cochrane Zentrum an der Universität Freiburg sein zehnjähriges Bestehen. Das Zentrum hat sich den Maximen des britischen Arztes Archie Cochrane verschrieben, der als Vater der sogenannten evidenzbasierten Medizin gilt. Weniger auf ärztliche Intuition sollte sich Medizin stützen, sondern auf in seriösen Studien erarbeitete konkrete Beweise.

Von Klaus Herbst |
    Es ist eine Sisyphusarbeit, was die deutschlandweit verteilten rund 400 Mitarbeiter vom Deutschen Cochrane Zentrum täglich leisten: Sie suchen nach wissenschaftlichen Studien, die nie publiziert beziehungsweise elektronisch veröffentlicht worden sind, obwohl die Studien für Gesundheit und Leben der Patienten entscheidend sein könnten.

    "Oft stellt man fest, es gibt viele Studien von einer katastrophalen Qualität. Und manchmal findet man auch Studien, die richtig gut sind, die man schlichtweg vorher nicht gesehen hat", "

    sagt der Mathematiker Dr. Gerd Antes vom Institut für Medizinische Biometrie und Informatik der Universität Freiburg. Oftmals hapert es an den einfachsten Dingen: Die Forscher besitzen ungenügende Statistikkenntnisse. Es fehlen Kontrollgruppen. Oder wenn es Kontrollgruppen gibt, dann sind die oft so unterschiedlich zusammengestellt, dass sie eigentlich nicht vergleichbar sind. Auch der so genannte Bias - der steht für Vorurteile und Tendenzen, die sich in Studien einschmuggeln - wird oft nicht herausgerechnet, was mathematisch kein Problem wäre.

    " "Also es ist erstaunlich, wie viele Fehler dieser Art man tatsächlich findet. Und das Spektrum ist kontinuierlich, also es gibt unglaublich viele Fehler dieser Art, die wir auch in den Übersichtsarbeiten finden. Man stellt einfach durch die Methodik nicht sicher, dass das nicht passieren kann. Man geht mit einer schlampigen Methodik rein, und dann passiert das halt. Das ist weit verbreitet."

    Das sei, so Antes, eine grundsätzliche Frage der Forschungskultur an deutschern Hochschulen. In den vergangenen zehn Jahren, der Zeit seines Bestehens, war das Deutsche Cochrane Zentrum bei vielen großen Gesundheitsthemen direkt oder indirekt beteiligt.

    "Brennpunkte der letzten Jahre, Hormonersatztherapie, Brustkrebs-Screening, also alles das, was in der Diskussion war, dann finden Sie dabei keine einzige deutsche Studie."

    Neben Brustkrebs-Screening und Hormonersatztherapie gibt es neue, aktuelle Themen, um die sich Cochrane-Forscher oder ihnen nahestehende Einrichtungen kümmern: Ein Beispiel ist das Krankheits-Management bei Asthma und der Chronischen, Obstruktiven Bronchitis -COPD genannt -, die zu einer Pandemie geworden ist. Ebenso stellen es Cochrane nahestehende Forscher gerade in Frage, ob die Gabe des Dopingmittels und Blutmedikamentes EPO bei bestimmten Krebserkrankungen wirklich nützt oder eher schadet; auch hier gibt es noch keine abschließende Bewertung. Viel Arbeit für das Cochrane-Center, aber auch viel Unterstützung. Die Zahl der deutschen Mitglieder hat sich vervielfacht. Gerd Antes:

    "Die Pegel geht eindeutig in Richtung mehr Akzeptanz, weil einfach nicht zu übersehen ist, dass über viele Verfahren wenig bekannt ist oder auch fehlinformiert wird. Die Ärzte, die glauben, dass sie Studienergebnisse nicht brauchen, die leiden an einer großen Selbstüberschätzung. Also wenn Sie sich mal anschauen, dass sie vergleichende Studien haben, wo sie wenige%e mehr Wirksamkeit nachweisen, dann zu glauben, dass ein Arzt, der im Jahr ein paar Dutzend Patienten sieht, diese kleine Diskrepanz intuitiv richtig beurteilen kann, ist völlig vermessen. Völlig."

    Fast 12.000 Menschen haben nun eine Petition an die Europäische Union unterschrieben, um die in der Cochrane Library gespeicherten Ergebnisse allen kostenlos zur Verfügung zu stellen - den Ärzten, anderen Interessierten und den Betroffenen selbst, die dies immer stärker nutzen.

    "Das funktioniert auch, und das funktioniert vor allen Dingen dort natürlich, wo jemand chronisch erkrankt ist. Es gibt bei den chronischen Krankheiten Patienten, wo die Ärzte, die bei uns mitarbeiten, sagen: Die sind besser als wir selbst. Sie haben ein so umfassendes Wissen, weil sie natürlich extrem hoch motiviert sind, zu begreifen, was da passiert, die sich auch über Jahre das Fachwissen aneignen, weiter informieren, austauschen in Selbsthilfegruppen. Und da ist man teilweise wirklich erstaunt, was dort möglich ist."