Archiv


Fakten zur Impfung gegen die Schweinegrippe

In voraussichtlich zweieinhalb Wochen ist es soweit: dann können in Deutschland die Bürger gegen die Schweinegrippe geimpft werden. Wir geben Antworten zu Risiken und Nebenwirkungen.

Von Nina Giaramita |
    Der Virologe Jan Leidel, langjähriger Leiter des Kölner Gesundheitsamtes, ist erst kürzlich in den Ruhestand verabschiedet worden. Als eines von 16 Mitgliedern der Ständigen Impfkommission ist der 66-Jährige jedoch gefragter denn je. Zusammen mit seinen Kollegen hat er eine Empfehlung zur Impfung gegen die Schweinegrippe erarbeitet.

    "Zunächst einmal empfehlen wir die Impfung gegen die Schweinegrippe denjenigen, die ein besonders hohes Risiko haben, sich anzustecken. Das sind zum Beispiel alle Angehörigen von medizinischen Berufen, die Patientenkontakt haben oder Kontakt zu infektiösen Untersuchungsmaterialien. Außerdem empfehlen wir die Impfung all denen, die durch eine vorbestehende chronische Krankheit, beispielsweise der Atemwege, des Herz-Kreislauf-Systems, durch eine Nierenerkrankung, durch eine bösartige Erkrankung, besonders gefährdet sind, schwer zu erkranken."

    Der Rat der Experten: Auch Schwangere sollten sich gegen den H1N1-Virus impfen lassen. Denn nach der bisherigen Datenlage gibt es unverhältnismäßig viele schwere Fälle unter schwangeren Frauen. Für sie gibt es die Impfempfehlung – jedoch mit einer Einschränkung:

    "Aus guten Gründen reguliert die Natur bei Schwangeren das Immunsystem etwas runter, einfach auch, um zu verhindern, dass unter Umständen eine Immunreaktion gegen das ungeborene Kind eintreten könnte. Jetzt wissen wir einfach nicht genau, was passiert, wenn man dieses Immunsystem mit einem sehr potenten Verstärker ankurbelt. Und das ist der Grund, warum die Ständige Impfkommission empfiehlt, Schwangere nach Möglichkeit mit einem nicht adjuvantierten Impfstoff zu impfen."

    Für den Großteil der Bevölkerung ist jedoch ein Impfstoff mit einem sogenannten Adjuvans vorgesehen. Diese Verstärkersubstanz hat den Experten zufolge zwei große Vorteile: Zum einen kann man mit der gleichen Menge Impfstoff eine größere Anzahl von Menschen impfen, zum anderen zeigen klinische Studien, dass der Impfschutz dadurch breiter gestreut ist.

    "Der Impfstoff ist ein sogenannter Spaltimpfstoff, also der besteht nicht aus dem kompletten Virus. Er ist deswegen auch selber nicht vermehrungsfähig, man kann also durch diesen Impfstoff selbst eine Grippe nicht bekommen, und man kann auch andere nicht anstecken."

    50 Millionen Dosen des Schweinegrippe-Impfstoffs haben die Länder bestellt. Die Substanz ist im Zusammenhang mit der drohenden Pandemie durch die Vogelgrippe entwickelt worden. Jetzt wird sie, leicht abgewandelt, gegen den grassierenden neuen Virus eingesetzt. Wer sich impfen lassen möchte – gleich in welchem Bundesland –, sollte mit seinem Hausarzt Kontakt aufnehmen und klären, ob dieser sich an der Impfkampagne beteiligt.

    "Ich gehe davon aus, dass die Hauptlast dieser Impfungen durch die niedergelassenen Ärzte getragen wird – entweder in ihrer eigenen Praxis, kann aber auch sein, dass sich mehrere Ärzte zusammentun und in eigens dafür eingerichteten Impfpraxen nun größere Menschenzahlen impfen. Das wird unter Umständen notwendig sein, weil es diese Impfungen nicht in Einzelportionen gibt, sondern immer nur in Zehnerportionen. Und diese Zehnerportion muss innerhalb von 24 Stunden verbraucht sein."

    Unsicher sind sich die Experten noch darüber, ob eine Injektion für einen wirksamen Schutz ausreicht. Die derzeitige Empfehlung: Sich zweimal, im Abstand von sechs bis zwölf Wochen, impfen zu lassen. Darüber hinaus raten die Fachleute, auch die alljährlich wiederkehrende saisonale Grippe nicht außer Acht zu lassen. Beide Impfstoffe zugleich werden jedoch nicht verabreicht.

    "Das tut man nicht so gerne, weil: Wenn es zu einer Nebenwirkung kommt, dann weiß man nicht, an welchem Impfstoff es lag. Deswegen tendiert man dazu, die nicht gemeinsam zu machen."

    Neben den sogenannten Risikogruppen sollte sich nach Wunsch der Experten auch die übrige Bevölkerung impfen lassen. Denn auch gesunde und junge Leute können an der an der neuen Grippe erkranken. Darüber hinaus muss es nicht bei den bislang meist vergleichsweise milden Krankheitsverläufen bleiben.

    "Was ich für möglich halte, ist, dass auch diese Pandemie, wie alle Pandemien des vergangenen Jahrhunderts, in der zweiten Welle deutlich schwerer verläuft. Und solange ich das nicht ausschließen kann, bin ich eher ein Befürworter dieser Impfung."