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Fallen in der dritten Dimension

Psychologie. - Ärzte proben komplizierte Eingriffe am 3D–Op-Simulator und sogar der Crash-Test-Dummy ist in Zukunft überflüssig. Keine Frage: Die Zukunft der Arbeit ist dank Simulation dreidimensional. Wie gut der Mensch auf Dauer in der 3D-Arbeitswelt klar kommt, untersuchen Wissenschaftler in Dortmund.

Von Kristin Raabe | 26.06.2007
    Das amerikanische Militär versprach sich viel von den neuartigen 3D-Displays in seinen Kampffliegern: Die Piloten brauchten den Blick nicht von ihrer Flugbahn abwenden, um die Anzeigen der Geräte im Cockpit zu lesen. Das Display projizierte die Daten direkt in ihr Gesichtsfeld. Allerdings erlitten bei diesem Experiment drei teure Kampfjets bei Bruchlandungen einen Totalschaden. Das Beispiel zeigt: Anstatt ihre Anwender zu entlasten, erzeugen solche dreidimensionalen Anzeigen manchmal eher Verwirrung. Ob so genannte Head-Up-Displays, wie sie inzwischen von einigen Automobilherstellern angeboten werden, ähnliche Probleme erzeugen, will Gerhard Rinkenauer am Institut für Arbeitsphysiologie in Dortmund herausfinden:

    "Wenn wir virtuelle Räume anbieten oder auch dreidimensionale Anzeigen, zum Beispiel Head-up Displays in Autos, dann ist es sehr wichtig zu verstehen, wie Aufmerksamkeit in der Tiefe funktioniert und darauf haben wir uns spezialisiert in der Forschung, um besser zu verstehen, wie diese Mechanismen ablaufen in diesen dreidimensionalen Umgebungen."

    Ein Mitarbeiter von Gerhard Rinkenauer hat dazu ein einfaches Experiment gemacht. Versuchspersonen saßen vor einem 3D-Monitor, auf dem die Worte "vorne" und "hinten" in verschiedenen Ebenen des Raumes aufleuchteten. Dazu mussten die Versuchspersonen jeweils eine bestimmte Taste drücken.

    "Das heißt, es kommt zu Bedingungen, wo dann ein Wort "vorne", vorne steht und das Wort "hinten", hinten. Das ist sozusagen die kompatible Bedingung, aber er verwendet auch die inkompatible Bedingung, wo zum Beispiel das Wort "vorne", hinten steht. Und die Versuchspersonen sollen dann entweder auf das Wort reagieren, so schnell wie möglich, oder auf die Position des Wortes."

    Die Versuchspersonen mussten immer dann eine bestimmte Taste drücken, wenn das Worte "vorne" aufleuchtete. Wenn das Wort "vorne" im räumlichen "hinten" aufleuchtete, war die Reaktionszeit der Versuchspersonen verzögert und es entstanden mehr Fehler. Offenbar gab es einen Konflikt zwischen der semantischen Bedeutung des Wortes "vorne" und seiner Darstellung im hinteren Bereich des 3D-Monitors.

    "Das ist für uns ein Hinweis, dass Tiefe automatisch verarbeitet wird, dass Tiefe ein relevantes Reizmerkmal ist oder eine relevante Information, die unser Gehirn sehr, sehr gut aus der Umgebung extrahieren kann und immer mit verarbeitet."

    Das menschliche Gehirn ist regelrecht spezialisiert auf die 3D-Wahrnehmung und verarbeitet die Tiefeninformation genauso schnell wie andere Reizmerkmale. Das ist überraschend, denn im Gegensatz zu Merkmalen wie Farbe oder Form muss das Merkmal "räumliche Tiefe" erst vom Gehirn errechnet werden.

    "Wir haben keinen Sensor für Entfernung, Distanz oder Tiefe, sondern wir müssen Tiefe konstruieren, indem wir zum Beispiel abschätzen, da sind zwei Gegenstände, ein Gegenstand A ist hinter Gegenstand B. Dann weiß ich, dass der Gegenstand A weiter von mir entfernt ist als Gegenstand B."

    Weil unser Gehirn so gut im Berechnen der räumlichen Tiefe ist, reagiert es mit Verwirrung, wenn eine Information im Widerspruch zu ihrer Lage im Raum steht. Das sollten Hersteller von Head-Up-Displays in Zukunft berücksichtigen.

    "Wenn da Informationen angezeigt werden, die irgendein Objekt in weiterer Entfernung darstellt, dann würde man erwarten, dass es zu Inkompatibilitäten kommt, wenn in der Nähe etwas passiert, würde man jetzt erwarten auf Grund unserer Forschung, dass unser Aufmerksamkeitssystem auf die Ferne gerichtet ist. Aber wenn in der näheren Distanz zum Beispiel ein Fußgänger die Straße überquert, dann unsere Aufmerksamkeit blockiert sein kann, so dass es zu Reaktionszeitverlangsamung oder sogar zu Reaktionsfehlern kommen kann."

    Gerhard Rinkenauer ist selbst Ingenieur und Psychologe. Er würde sich wünschen, dass die Industrie bei ihrer Entwicklungsarbeit stärker berücksichtigt, wie die menschliche Wahrnehmung und Aufmerksamkeit eigentlich funktioniert.