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Fallschirm für Flugzeuge

Technik. – Sportflugzeuge sind nicht ungefährlich für ihre Benutzer. Geraten sie ins Trudeln und stürzen ab, gibt es für den Flugzeugführer meist keine Rettung. Ein neuartiges Rettungssystem lässt Fluggerät und Mensch an einem Fallschirm sanft zu Boden schweben.

Von Wolfgang Noelke | 30.05.2008
    Ein schöner Sommertag. Bei herrlichem Flugwetter über den Vogesen befinden sich zwei Sportflugzeuge dreihundert Meter über dem Boden auf seitlichem Kollisionskurs. Der Pilot des Schleppflugzeugs für Segelflieger zieht blitzschnell nach oben, um dem drohenden Zusammenprall mit dem von links heranrasenden zweiten Flugzeug auszuweichen. Das gelingt in letzter Sekunde. Doch da hängt noch das Schleppseil aus Stahl. Bevor der Pilot es kappen kann, verfängt es sich in den Tragflächen und im Propeller des zweiten Flugzeugs.

    Dessen Pilot beweist eiserne Nerven: Noch während sein Flugzeug durch die Wucht des kollidierenden Schleppseils nach oben gerissen wird, sich dabei fast überschlägt, stoppt er den Motor – und noch während seine Maschine beginnt nach unten zu kippen, zieht er an einem roten Griff: Ein kräftiger Ruck beendet den trudelnden Absturz. Die Maschine fängt sich, stabilisiert sich, schwebt fast wie ein pendelnder Helikopter, dem Boden entgegen. Dann- so hält es der mitlaufende Rekorder fest, - die Landung:

    Statt mit Tempo 200 zu zerschellen, "landet" die Maschine an einem riesigen Fallschirm mit nur einem Zehntel der normalen Absturzgeschwindigkeit. Der Pilot überlebt das ohne Schramme und - er kann seine Maschine nach einer Reparatur weiterbenutzen. Fallschirme für Sportflugzeuge üblicher Größe hätten schon mehr als zweihundert Menschenleben gerettet, sagt der Fluglehrer Frank Miklis, aus dem brandenburgischen Locktow:

    "Die Schirme werden aus dem Flugzeug mit Hilfe einer Rakete herausgezogen und außerhalb den Flugzeuges gestreckt. Die Piloten brauchen den Flieger nicht zu verlassen."

    Etwa fünfzehn Kilogramm wiegt die gesamte Einheit, bestehend aus einem langen und dicken Kunststoffzylinder, dessen Öffnung sich knapp hinter den Tragflächen unter einer dünnen Abdeckung des ‚Flugzeugrückens verbirgt, dort, wo sich normalerweise der Gepäckraum befindet. Neben dem Zylinder sitzt eine kleine Rakete, die im Notfall bewusst mechanisch per Griff und Bowdenzug ausgelöst wird. Miklis:

    "In den Anfangsjahren wurden diese Raketen elektrisch gezündet. Die Akkus mussten generell nach jedem Flugtag frisch geladen werden. Die Akkus unterlagen einer gewissen Alterung. Es war immer eine Gefahr. Wir hatten festgestellt, dass vor dem Flug noch alles gestimmt hat, aber während des Fluges die Spannung des Akkus so weit herunter war, dass eine Zündung der Rakete nicht mehr möglich gewesen wäre. Deshalb ist man übergegangen, mechanisch, über Schlagbolzen und pyrotechnische Zünder auszulösen."

    So bleibt die Rakete einige Jahrzehnte einsatzbereit. Auf dem Testgelände der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung demonstriert Frank Miklis dies an einer zwanzig Jahre alten Rakete: Die startende Rakete durchbricht mit etwa 120 Kilometern pro Stunde die Flugzeughaut und reißt an einem kurzen Stahlseil den im Zylinder liegenden Fallschirm mit sich. Daran ist an drei starken Gurten das Flugzeug so befestigt, dass sich dessen Schwerpunkt unter der Mitte des Schirms befindet. Auch die Gurte verstecken sich bis zum Notfall unter der Flugzeughaut. Miklis:

    "Alles, was außen ist am Flieger, ist Widerstand. Da sollte alles möglichst aerodynamisch verpackt im Flieger untergebracht werden. Selbst die Tragegurte, die dann den Flieger am Schirm halten, sind in Kanälen untergebracht, ohne störend auf der Oberfläche herumzuliegen. Das ist eigentlich das Problem, das wir mit den älteren Flugzeugen haben, das dann auch wirklich sinnvoll und aerodynamisch zu verpacken."

    Ein bekannter Hersteller liefert Flugzeuge bereits serienmäßig mit Rettungsfallschirm, andere testen ähnliche Systeme schon an größeren Maschinen, um auch deren Passagieren Überlebenschancen zu bieten, selbst bei Notfällen, in geringen Höhen. Miklis:

    "Wir haben erfolgreiche Rettungen bereits deutlich unter hundert Meter, aber dann müssen auch die Gesamtbedingungen, das heißt, die Fluglage des Flugzeuges und die Geschwindigkeit, die für die Öffnung des Schirmes erforderlich ist, das muss halt alles stimmen."