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Falsch verstanden

Medizin. - Schuppenflechte ist derzeit nicht heilbar und für die Betroffenen oft eine starke Einschränkung. Viele Fragen sind bei der Hautkrankheit noch offen: Was die Krankheitsschübe auslöst zum Beispiel und wie die verschiedenen Symptome zustande kommen. Forscher aus München erklären in "Science Translational Medicine" die Mechanismen, die der Krankheit zugrundeliegen, nun ein Stück weit.

Von Katrin Zöfel |
    Es sind rötliche, juckende, stark schuppende Hautstellen, oft punktförmig, manchmal ganze Flecken an der Kopfhaut aber auch an Ellbogen, Knien oder anderen Körperstellen. Zwei Prozent aller Menschen haben sie, die Schuppenflechte, auch Psoriasis genannt. Bei manchen tritt sie nur einmal im Leben auf, bei anderen Patienten kehrt sie immer wieder.

    "Es ist so, dass man eine genetische Veranlagung für die Schuppenflechte mitbringt, das bedingt auch, dass die Schuppenflechte derzeit nicht heilbar ist, sondern dass wir nur die Entzündung lindern können und versuchen können den Patienten möglichst lange entzündungsfrei zu halten."

    Jürgen Schauber ist Dermatologe am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er untersucht, wie die Schuppenflechte in der Haut der Patienten entsteht. Zu Beginn eines Krankheitsschubs, erklärt er, sendet die Haut quasi Hilferufe an Immunzellen, die im Blut zirkulieren.

    "Das sagt dann, hier ist ein Gefahrensignal, bitte kommt hierher und macht eine Entzündungsreaktion und helft mir diese Gefahr zu bekämpfen."

    Das Startsignal für diesen Hilferuf gibt ein Protein namens AIM2. Es ist in gesunden Zellen dafür zuständig, Erbsubstanz, die frei in der Zelle vorliegt, aufzuspüren. Erbsubstanz, kurz DNA, liegt im Normalfall gut verpackt im Zellkern und in Mitochondrien vor. Schwimmt sie dagegen als "zytoplasmatische DNA" frei in der Zelle, wertet der Körper das als Zeichen für Gefahr: sie könnte von gefährlichen Bakterien oder Viren stammen. Anders bei Patienten mit Schuppenflechte. Schauber:

    "Tatsächlich war es so, dass in der Haut bei Psoriasis zytoplasmatische DNA vorliegt, während in Haut von Gesunden keine zytoplasmatische DNA nachweisbar war."

    In der kranken Haut gibt es also Anzeichen für eine Notfallsituation, ohne das echte Gefahr von außen drohen würde. Schauber:

    "Es könnte sein, dass die DNA aus dem Zellkern freigesetzt wird…"

    …weil möglicherweise die Zellkerne ungewöhnlich fragil sind. Oder die Tatsache, dass sich Hautzellen bei Psoriasis viel häufiger teilen und nur unvollständig abgebaut werden, führt dazu, dass die Erbsubstanz sozusagen in Massen als Abfallprodukt anfällt.

    Klar ist: bei Schuppenflechtepatienten taucht nicht nur das Gefahrensignal "freie DNA" vermehrt auf, auch das zugehörige "Gefahrenerkennungsmolekül" AIM2 liegt bei ihnen deutlich häufiger vor. Das konnte Jürgen Schauber im Labor nachweisen. Schon kleinste Mengen an freier DNA, Mengen, die in gesunder Haut noch einfach übersehen würden, reichen deshalb aus, um in kranker Haut eine Abwehrreaktion auszulösen. Sie reagiert übersensibel. Nach Einschätzung des niederländischen Dermatologen Peter van de Kerkhof sind die Münchener Ergebnisse zwar längst keine komplette Erklärung, wie Psoriasisschübe verlaufen. Doch immerhin, sagt er, liefern sie wichtige Details.

    "Diese Studie gibt neue Einblicke, was auf molekularer Ebene in den Zellen abläuft. Daraus ergeben sich neue Ideen für Medikamente. Moderne Präparate basieren zunehmend auf einem echten Verständnis der Krankheit. Ganz anders als früher. Da war es oft purer Zufall, ob man entdeckt hat, dass ein bestimmtes Präparat bei Schuppenflechte wirksam ist."

    Immerhin können die Forscher jetzt erklären, warum eine altbekannte Therapie so wirksam ist. Vielen Patienten helfen Salben mit Vitamin D, teils kombiniert mit UV-Lichttherapie. Das Vitamin regt in der Haut die Bildung von Cathelecidin an, einem kleinen Eiweiß, von man weiß, dass es gerne an freie DNA bindet. Es könnte in der Zelle also als Gegenspieler fungieren zu dem Prozess, der bei Schuppenflechte die Entzündung in Gang hält. Hier werden die Forscher auch ansetzen, um neue Medikamente zu entwickeln. Das Ziel: die Cathelecidin-Produktion gezielt und kräftig anzukurbeln.