Hasarius adansoni liegt auf der Lauer. Reglos, geduldig und vor allem hungrig. Dann nähert sich die Beute, das Tier ist vollkommen arglos. Hasarius wird aktiv, spannt die Beine, springt los – und landet punktgenau auf seinem Opfer. Der Kampf währt nur kurz, schnell ist die Beute erlegt. Ein Drama, das aber mit bloßem Auge kaum zu verfolgen ist – es spielt schon fast im Mikrokosmos. Denn Hasarius adansoni ist eine Springspinne, hierzulande bekannt als Gewächshaus-Springspinne. Sie misst kaum fünf Millimeter, und ihr Opfer ist eine gemeine Eintagsfliege. Doch das winzige Spinnenvieh sorgt nun auch in der großen Welt für Furore – der Welt der Arachnologen, der Spinnenforscher. Denn Hasarius hat im wahrsten Sinne des Wortes seine eigene Sicht auf die Dinge – zumindest was das Taxieren von Entfernungen anbelangt.
"Menschen und die meisten Tiere messen Entfernungen, indem sie zwei Augen verwenden. Hält man sich eines der beiden Augen zu, wird es schwierig, eine Entfernung abzuschätzen","
sagt Mitsumasa Koyanagi von der Universität Osaka in Japan. Beim Menschen empfangen linkes und rechtes Auge leicht unterschiedliche Bilder. Daraus vermag das Gehirn ein räumliches Bild zu rekonstruieren, mit dem es dann abschätzen kann, wie weit ein Gegenstand entfernt ist. Insekten dagegen haben einen anderen Trick entwickelt: Sie bewegen Kopf mitsamt Augen mehrfach hin und her und nehmen dadurch unterschiedliche Blickwinkel eines Gegenstands wahr – woraus ihr Gehirn dann auch die Entfernung bestimmen kann. Springspinnen aber, das wissen die Forscher schon seit längerem, nutzen keine der beiden Methoden. Dennoch müssen sie, um erfolgreich jagen zu können, Entfernungen präzise einschätzen. Ihren Trick hat jetzt das Team um Mitsumasa Koyanagi entschlüsselt. Und dabei spielen, so kurios es klingen mag, unscharfe, verschwommene Bilder die Hauptrolle.
""Eigentlich sind unscharfe Bilder ja etwas Negatives. Das wissen alle, die eine Brille brauchen. Die Springspinne jedoch macht etwas Positives draus. Und das ist schon sehr erstaunlich."
Unscharfe Bilder entstehen dadurch, dass die Linse im Auge das Licht nicht exakt auf die Netzhaut bündelt. Anders als beim Menschen aber besteht die Netzhaut der Springspinne nicht nur aus einer einzigen Schicht, sondern aus mehreren. Die ersten beiden davon sind hauptsächlich für grünes Licht empfindlich. Die Linse des Spinnenauges fokussiert nun das Licht auf die Schicht Nummer 1. Die Bilder in Schicht Nummer 2 sind dadurch zwangsläufig unscharf. Und dieser Umstand brachte die Japaner auf die entscheidende Idee: Eben diese Unschärfe – so glauben sie – hilft dem Tier bei der Entfernungsschätzung: Je stärker die Unschärfe, desto näher scheint ihm das Objekt, zum Beispiel das Beutetier.
"Um unsere These zu prüfen, machten wir eine Reihe von Experimenten: Wir beobachteten das Jagdverhalten der Spinnen unter verschiedenen Lichtbedingungen. Erst ließen wir die Spinnen bei grüner Beleuchtung jagen, anschließend bei Rotlicht. Rotes Licht nämlich erzeugt eine deutlich größere Unschärfe auf der Netzhaut der Spinnen. Und wenn unsere Hypothese stimmt, müsste die Spinne bei rotem Licht die Entfernung unterschätzen und zu kurz springen."
Bei Rotlicht müssten die eigentlich so treffsicheren Tiere glauben, das Beutetier sei ihnen deutlich näher als in Wirklichkeit – so die Annahme der Forscher. Die Experimente gaben ihnen recht.
"Die Spinnen sprangen bei Rotlicht tatsächlich zu kurz und verfehlten ihre Beute. Und da wir die Tiere ja nicht darum bitten konnten, absichtlich zu kurz zu springen, sind die Ergebnisse unseres Experiments ein gutes Indiz dafür, dass unsere Hypothese stimmt."
Damit haben Koyanagi und seine Leute eine bislang unbekannte Methode entdeckt, wie das Auge Entfernungen taxiert. Was sich dabei im Detail im Spinnenhirn abspielt, wie es die Bilder der verschiedenen Netzhaut-Schichten kombiniert – das allerdings wissen die Arachnologen noch nicht. Dazu bedarf es weiterer Springspinnen-Studien.
"Menschen und die meisten Tiere messen Entfernungen, indem sie zwei Augen verwenden. Hält man sich eines der beiden Augen zu, wird es schwierig, eine Entfernung abzuschätzen","
sagt Mitsumasa Koyanagi von der Universität Osaka in Japan. Beim Menschen empfangen linkes und rechtes Auge leicht unterschiedliche Bilder. Daraus vermag das Gehirn ein räumliches Bild zu rekonstruieren, mit dem es dann abschätzen kann, wie weit ein Gegenstand entfernt ist. Insekten dagegen haben einen anderen Trick entwickelt: Sie bewegen Kopf mitsamt Augen mehrfach hin und her und nehmen dadurch unterschiedliche Blickwinkel eines Gegenstands wahr – woraus ihr Gehirn dann auch die Entfernung bestimmen kann. Springspinnen aber, das wissen die Forscher schon seit längerem, nutzen keine der beiden Methoden. Dennoch müssen sie, um erfolgreich jagen zu können, Entfernungen präzise einschätzen. Ihren Trick hat jetzt das Team um Mitsumasa Koyanagi entschlüsselt. Und dabei spielen, so kurios es klingen mag, unscharfe, verschwommene Bilder die Hauptrolle.
""Eigentlich sind unscharfe Bilder ja etwas Negatives. Das wissen alle, die eine Brille brauchen. Die Springspinne jedoch macht etwas Positives draus. Und das ist schon sehr erstaunlich."
Unscharfe Bilder entstehen dadurch, dass die Linse im Auge das Licht nicht exakt auf die Netzhaut bündelt. Anders als beim Menschen aber besteht die Netzhaut der Springspinne nicht nur aus einer einzigen Schicht, sondern aus mehreren. Die ersten beiden davon sind hauptsächlich für grünes Licht empfindlich. Die Linse des Spinnenauges fokussiert nun das Licht auf die Schicht Nummer 1. Die Bilder in Schicht Nummer 2 sind dadurch zwangsläufig unscharf. Und dieser Umstand brachte die Japaner auf die entscheidende Idee: Eben diese Unschärfe – so glauben sie – hilft dem Tier bei der Entfernungsschätzung: Je stärker die Unschärfe, desto näher scheint ihm das Objekt, zum Beispiel das Beutetier.
"Um unsere These zu prüfen, machten wir eine Reihe von Experimenten: Wir beobachteten das Jagdverhalten der Spinnen unter verschiedenen Lichtbedingungen. Erst ließen wir die Spinnen bei grüner Beleuchtung jagen, anschließend bei Rotlicht. Rotes Licht nämlich erzeugt eine deutlich größere Unschärfe auf der Netzhaut der Spinnen. Und wenn unsere Hypothese stimmt, müsste die Spinne bei rotem Licht die Entfernung unterschätzen und zu kurz springen."
Bei Rotlicht müssten die eigentlich so treffsicheren Tiere glauben, das Beutetier sei ihnen deutlich näher als in Wirklichkeit – so die Annahme der Forscher. Die Experimente gaben ihnen recht.
"Die Spinnen sprangen bei Rotlicht tatsächlich zu kurz und verfehlten ihre Beute. Und da wir die Tiere ja nicht darum bitten konnten, absichtlich zu kurz zu springen, sind die Ergebnisse unseres Experiments ein gutes Indiz dafür, dass unsere Hypothese stimmt."
Damit haben Koyanagi und seine Leute eine bislang unbekannte Methode entdeckt, wie das Auge Entfernungen taxiert. Was sich dabei im Detail im Spinnenhirn abspielt, wie es die Bilder der verschiedenen Netzhaut-Schichten kombiniert – das allerdings wissen die Arachnologen noch nicht. Dazu bedarf es weiterer Springspinnen-Studien.