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Falscher Vermerk?

Eigentlich gilt die Causa der Blutbehandlung mit UV-Strahlen am Erfurter Olympiastützpunkt als erledigt. Das Ermittlungsverfahren gegen den Sportarzt Andreas Franke stellte die Staatsanwaltschaft im Juli ein. Sie fand, der Mediziner habe mit seinem UV-Verfahren, das er bei rund 30 Kaderathleten anwendete, zwar objektiv gegen den Anti-Doping-Kodex verstoßen, doch sei ihm Manipulationsabsicht nicht nachzuweisen. Der Deutsche Olympische Sportbund nahm sich der Sache an.

Von Thomas Kistner | 10.10.2012
    Wie öfter mal im nationalen Sport, der kein Anti-Doping-Gesetz hat und weit hinter Ländern von Österreich bis Spanien herhinkt, demonstrieren die Funktionäre gern Schärfe, wenn sich doch mal jemand ins weitmaschige Netz gerät. Im September verkündete das DOSB-Präsidium, Olympiastützpunkte sollten "bis mindestens Ende 2020" nicht mehr mit Franke zusammen arbeiten. Begründung: Bei der Sportärzte-Tagung des DOSB im November 2010 in Oberursel sei über die neue Wada-Verbotsliste 2011 klar informiert worden. Und Franke war dabei.

    Bei der Staatsanwaltschaft hatte der DOSB zu der Tagung ganz konkrete Angaben gemacht. Eine Kernfrage ist ja, was dort 2010 vermittelt wurde. Franke wurde zum Verhängnis, dass er noch 2011 Athleten mit UV behandelte. Laut Aktenvermerk der Erfurter Justiz sagten via Telefonkonferenz am 20. März 2012 DOSB-Generaldirektor Michael Vesper und ein Mitarbeiter Folgendes aus:

    Der 2010 in Oberursel Verantwortliche Dr. Wilfried Kindermann, habe mitgeteilt, dass dort "ausdrücklich über die Bestrahlung des Blutes als Dopingmethode referiert" worden sei. Dem Verband lägen dafür sogar Unterlagen vor: "ein anonymisiertes Fallbeispiel zur UV-Bestrahlung des Blutes, das dort im Rahmen der Tagung erörtert wurde". Klarer Fall also insofern, dass Franke informiert war und sich nicht daran gehalten hat?

    Die Ermittler hakten bei Kindermann nach. Und der widersprach: Über UV-Bestrahlung habe er 2010 nicht gesprochen, die Methode habe er da noch gar nicht gekannt.

    Jetzt lässt der DOSB durchklingen, dass der Vermerk mit Vespers Aussage falsch sei. Der Sportdachverband erklärt, dass "ein Fallbeispiel und ausdrücklich die UV-Bestrahlung des Blutes" nicht bei der Tagung 2010 erörtert worden seien, sondern erst beim Ärzte-Treffen im Jahr darauf.
    Trotzdem habe Kindermann in Oberursel verdeutlicht, dass ab Anfang 2011 Eigenblutmanipulation verboten sei. Aber das erklärt nicht Vespers klare Angaben gegenüber den Ermittlern zu Vorgängen 2010, die es offenkundig nicht gab.

    Franke, sagt dessen Anwalt Hans Wolfgang Euler, wolle gegen den Belastungseifer des DOSB vorgehen. Der habe Franke nie angehört. "Wenn der DOSB einräumt, dass er eine objektiv falsche Aussage gemacht hatte zu einem Sachverhalt, der Herrn Franke zu Unrecht belastet, bin ich fassungslos", sagt Anwalt Euler.

    Die Sache bringt auch die Erfurter Justiz unter Druck. Schon im Juli hat Clemens Prokop, Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und die Wiederaufnahme des Verfahrens verlangt. Dem DLV wurde die Causa Erfurt zu oberflächlich behandelt.