Eine Familie in der Krise: Dem Vater wurde das Gehalt um 30 Prozent gekürzt, das kleine Geschäft der Mutter bringt nichts mehr ein, und der hochbegabten Tochter, in die alle Hoffnungen gesetzt und viel investiert wurde, wird wegen staatlicher Kürzungen das erwartete Stipendium für Amerika verweigert. Dass der Vater alle Ersparnisse einem gekündigten Kollegen geliehen hat und die Wohnung und der ausländische Pfleger des bettlägerigen Großvaters bezahlt sein wollen, trägt auch nicht zum Seelenfrieden der Familie bei.
Wenn der katalanische Dramatiker Sergi Belbel in seinem Stück "Ins Abseits" erzählt, wie eine Familie in eben dieses gerät, dann tut er das nicht mit realistischer Abbildhaftigkeit. Denn dass die andauernde Finanz- und Weltwirtschaftskrise den Menschen eine unterschwellige, heftige Angst bereitet und dabei menschliche Beziehungen zerstört, ist längst ein Gemeinplatz.
Belbel aber zeigt auf nur scheinbar einfache, in Wirklichkeit aber raffinierte und subtile Weise, wie Menschen brutal werden, weil sie von ihren Mitmenschen erwarten, dass sie "funktionieren". Er zeigt das in filmschnittartiger Dramaturgie und in oftmals grotesken, ja surrealen Szenen. Da wechseln Binnen- und Außensicht der Menschen, die gelegentlich in Parallelwelten schlüpfen, um ihre verzweifelten Gewaltfantasien aus zu agieren. Belbel zitiert filmische Themen und Methoden von Pedro Almodovar, Spielberg und John Ford, und seine Figuren sind gleichermaßen von Tragik und Komik durchdrungen.
Ein kleines, aber, auch für Schauspieler nicht einfaches, sondern kompliziert kunstvolles Stück. Dessen Regisseur etwa eine Woche vor der Premiere "wegen konzeptioneller Differenzen zwischen dem Regisseur und der Theaterleitung" abgesetzt wurde, wie die offizielle Lesart der Theaterleitung lautet. Die besteht nach dem vorzeitigen Weggang des künstlerischen Leiters Stephan Märki nach Bern derzeit aus dem kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Schmidt. Der designierte Intendant Hasko Weber schickte aus Stuttgart sofort den Regisseur Christian Weise, der nun in einer Woche das Stück "mit eigenem Regiekonzept und -team von Grund auf neu realisiert hat", so die Verlautbarung. Ein zumindest recht ungewöhnlicher Vorgang.
Christian Weise nun reduziert das Stück auf die Klamotte und schlägt Belbels Stück dabei mit der Unterhaltungspatsche platt. Die Simultanbühne von Julia Oschatz zeigt eine weiße Comic-Welt mit schwarzen Umrandungen. Hier ist alles aus Pappe: die Küchenzeile, die Badewanne, in der der Opa haust, und auch die tragbare Auto-Attrappe, mit der die Mutter öfter davon rennt. Geräusche kommen aus der Tonkonserve, und der Joint der Mutter wird von Szene zu Szene riesiger. Weise stellt die Figur der Mutter ins Zentrum, was zulasten der anderen Figuren und der Stückdramaturgie geht.
Natürlich ist ein Bezug zu Almodovars Film "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" gewollt. Doch die zur Üppigkeit ausstaffierte Darstellerin Anette Straube verkrampft völlig, wenn sie ihre Mutter-Figur in die schreiende Hysterie übersteigert. Eine Aussprache zwischen Mutter und Tochter:
Der Ehemann wird zum klemmigen Hämelchen im Pullunder verkleinert. Während Bernd Lange den Opa, der sich schließlich in eine Altersresidenz begibt, mit immer der gleichen, komisch sein wollenden Beeindruckungs-Mimik um jedes Profil und jede existentielle Tragik bringt. Ohnehin fehlt in Weises Inszenierung die echte Tragik völlig. Denn die Figuren besitzen in seiner Inszenierung keinen realistischen Kern wie bei Belbel, der komisch überzeichnet werden könnte, sondern sind nur grelle Karikaturen wie aus einer Fernsehserie. So sind manch direkte, politisch-ökonomische Erklärungen der Figuren konsequent gekürzt, denn diese Inszenierung setzt erbarmungslos auf Effekt und Klamauk.
Der lateinamerikanische Pfleger des Opas tobt vor bei Weise immer wieder wild beim Fußball vor dem Fernseher. Wenn er sich in seine in der Heimat verbliebene Frau verwandelt, zelebriert er dies wie eine transvestitische Strip-Shownummer. Dass er ein Lehrer aus Südamerika ist, der sich aus ökonomischer Not in Deutschland verdingt, erfährt man nicht. Wenn er sich schließlich, weil von seiner Frau verlassen, in eine Liaison mit der steifen und farblosen Tochter begibt, wird er nur als sexuelle Beute einer neugierigen Jungfrau gezeigt.
Diese klamottige Weimarer Inszenierung, der Belbel zum Opfer fällt, ist ein Trauerspiel. Auch wenn ich zugeben muss, wie das Publikum, gelacht zu haben. Gelegentlich.
Wenn der katalanische Dramatiker Sergi Belbel in seinem Stück "Ins Abseits" erzählt, wie eine Familie in eben dieses gerät, dann tut er das nicht mit realistischer Abbildhaftigkeit. Denn dass die andauernde Finanz- und Weltwirtschaftskrise den Menschen eine unterschwellige, heftige Angst bereitet und dabei menschliche Beziehungen zerstört, ist längst ein Gemeinplatz.
Belbel aber zeigt auf nur scheinbar einfache, in Wirklichkeit aber raffinierte und subtile Weise, wie Menschen brutal werden, weil sie von ihren Mitmenschen erwarten, dass sie "funktionieren". Er zeigt das in filmschnittartiger Dramaturgie und in oftmals grotesken, ja surrealen Szenen. Da wechseln Binnen- und Außensicht der Menschen, die gelegentlich in Parallelwelten schlüpfen, um ihre verzweifelten Gewaltfantasien aus zu agieren. Belbel zitiert filmische Themen und Methoden von Pedro Almodovar, Spielberg und John Ford, und seine Figuren sind gleichermaßen von Tragik und Komik durchdrungen.
Ein kleines, aber, auch für Schauspieler nicht einfaches, sondern kompliziert kunstvolles Stück. Dessen Regisseur etwa eine Woche vor der Premiere "wegen konzeptioneller Differenzen zwischen dem Regisseur und der Theaterleitung" abgesetzt wurde, wie die offizielle Lesart der Theaterleitung lautet. Die besteht nach dem vorzeitigen Weggang des künstlerischen Leiters Stephan Märki nach Bern derzeit aus dem kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Schmidt. Der designierte Intendant Hasko Weber schickte aus Stuttgart sofort den Regisseur Christian Weise, der nun in einer Woche das Stück "mit eigenem Regiekonzept und -team von Grund auf neu realisiert hat", so die Verlautbarung. Ein zumindest recht ungewöhnlicher Vorgang.
Christian Weise nun reduziert das Stück auf die Klamotte und schlägt Belbels Stück dabei mit der Unterhaltungspatsche platt. Die Simultanbühne von Julia Oschatz zeigt eine weiße Comic-Welt mit schwarzen Umrandungen. Hier ist alles aus Pappe: die Küchenzeile, die Badewanne, in der der Opa haust, und auch die tragbare Auto-Attrappe, mit der die Mutter öfter davon rennt. Geräusche kommen aus der Tonkonserve, und der Joint der Mutter wird von Szene zu Szene riesiger. Weise stellt die Figur der Mutter ins Zentrum, was zulasten der anderen Figuren und der Stückdramaturgie geht.
Natürlich ist ein Bezug zu Almodovars Film "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" gewollt. Doch die zur Üppigkeit ausstaffierte Darstellerin Anette Straube verkrampft völlig, wenn sie ihre Mutter-Figur in die schreiende Hysterie übersteigert. Eine Aussprache zwischen Mutter und Tochter:
Der Ehemann wird zum klemmigen Hämelchen im Pullunder verkleinert. Während Bernd Lange den Opa, der sich schließlich in eine Altersresidenz begibt, mit immer der gleichen, komisch sein wollenden Beeindruckungs-Mimik um jedes Profil und jede existentielle Tragik bringt. Ohnehin fehlt in Weises Inszenierung die echte Tragik völlig. Denn die Figuren besitzen in seiner Inszenierung keinen realistischen Kern wie bei Belbel, der komisch überzeichnet werden könnte, sondern sind nur grelle Karikaturen wie aus einer Fernsehserie. So sind manch direkte, politisch-ökonomische Erklärungen der Figuren konsequent gekürzt, denn diese Inszenierung setzt erbarmungslos auf Effekt und Klamauk.
Der lateinamerikanische Pfleger des Opas tobt vor bei Weise immer wieder wild beim Fußball vor dem Fernseher. Wenn er sich in seine in der Heimat verbliebene Frau verwandelt, zelebriert er dies wie eine transvestitische Strip-Shownummer. Dass er ein Lehrer aus Südamerika ist, der sich aus ökonomischer Not in Deutschland verdingt, erfährt man nicht. Wenn er sich schließlich, weil von seiner Frau verlassen, in eine Liaison mit der steifen und farblosen Tochter begibt, wird er nur als sexuelle Beute einer neugierigen Jungfrau gezeigt.
Diese klamottige Weimarer Inszenierung, der Belbel zum Opfer fällt, ist ein Trauerspiel. Auch wenn ich zugeben muss, wie das Publikum, gelacht zu haben. Gelegentlich.