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Familien sollen entlastet werden

Elke Durak: In relativ seltener und relativer Einigkeit bemühen sich Bundesregierung und CDU/CSU darum, die Arbeitsmarktreformen unters Volk und ans Volk zu bringen. Gemeinsam beschlossen, es gibt keine Alternative, trotz kritisierter handwerklicher Fehler von Rot-Grün. Nun aber scheint die SPD ein wenig Druck aus den Reformen nehmen zu wollen, beim Zahnersatz beispielsweise, bei der Pflegeversicherung soll es so sein. Ist das nun die Furcht vor den Wahlen oder die plötzliche Erkenntnis, das Volk könnte überfordert sein, wenn es so weitergeht? Das sollte die Union wiederum anfechten, als Partei, die die Regierung übernehmen will. Sie muss ihr eigenes Reformkonzept, ihr eigenes Reformtempo als wählbare Alternative entwickeln. Tut sie das aber? Die Frage geht an Volker Kauder, den ersten parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion im Bundestag.

Moderation: Elke Durak | 01.09.2004
    Volker Kauder: Das tut sie. Die Union hat ein schlüssiges Konzept zur Reform des Arbeitsmarktes. Wir haben davon leider mit dieser Bundesregierung herzlich wenig umsetzen können, was sich nun bitter auswirkt, gerade in den neuen Ländern, weil wir zuwenig Arbeitsplätze haben. Die ganzen Reformmaßnahmen, das berühmte Hartz IV beispielsweise, hängen auch damit zusammen, dass wir den Menschen Arbeitsplätze anbieten können. Wir waren für einen modernen Kündigungsschutz. Wir waren für betriebliche Bündnisse für Arbeit. Wir haben verlangt, dass wir staatlich auch den Niedriglohnsektor fördern. All dies hat die Bundesregierung nicht gemacht, und es wirkt sich wirklich schlimm aus. Wir haben ein Reformkonzept beschlossen auf dem Parteitag der CDU zum Thema soziale Sicherungssysteme. Wir haben Vorschläge gemacht, was mit Krankenversicherung, was mit Pflegeversicherung passieren soll, auch zur Rente. Die Union hat also schon Konzepte, aber sie hat eben für diese Zeit und für Deutschland bedauerlich keine Mehrheit im Bundestag.

    Durak: Sie sind nicht durchgekommen mit solchen Dingen wie den Kündigungsschutz auszuweiten, die Zumutbarkeitsregeln zu verschärfen für Langzeitarbeitslose und anderes mehr. Sie sind ja auch noch nicht in der Regierung, sagen wir mal. Ob denn die Menschen Ihnen vertrauen würden, wenn sie genau begreifen würden, dass die Union noch schärfere Regeln aufstellen wollte, was denken Sie?

    Kauder: Ich glaube, diese Formulierung, die immer wieder fällt, dass die Union noch schärfer durchgreifen wollte, trifft den Sachverhalt nicht richtig. Unser erstes Ziel ist es, Wachstum für Wohlstand zu schaffen. Wir werden kein einziges Problem in unserem Land lösen, wenn wir nicht Wachstum schaffen können und wenn wir den Menschen nicht neue Arbeitsplätze anbieten können. Das wird nur gelingen in einer geschlossenen Konzeption, auf der einen Seite Anreize zu schaffen, zur Arbeit zu gehen, aber dann auch Arbeitsplätze anbieten zu können. Ich stelle beispielsweise mit großem Interesse fest, dass Zeitungen berichten, dass früher in Brandenburg bestimmte Arbeiten in der Landwirtschaft nur Polen gemacht haben und dass jetzt seit einiger Zeit, seitdem der Druck auch ein bisschen wächst, auch wieder Deutsche in diesen Bereichen tätig sind. Also man muss beides tun, und das eine, nämlich Arbeitsplätze zu fördern, vermisse ich bei dieser Regierung.

    Durak: Die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften in der Landwirtschaft, das betrifft, sagen wir mal, die Spargelernte in Brandenburg, das betrifft aber auch die Weinlese in Baden-Württemberg oder die Hopfenernte auch in anderen westlichen Ländern. Lassen Sie uns ein Wort zur Pflegeversicherung verlieren. Da haben wir heute im Frühprogramm schon mit Frau Sager von den Bündnisgrünen darüber gesprochen. Die Union, also Ihre Partei, die will die Pflegeversicherung folgendermaßen regulieren: Eine Bonuszahlung für Familien soll es geben, ganz im Gegensatz zu dem, was die Regierungsparteien wollen, die ja Kinderlose zur Kasse bitten wollen ab dem 1.1.2005. Wie wollen Sie das bezahlen, diese zusätzlichen Mittel, die Familien wollen?

    Kauder: Also da gibt es mehrere Vorstellungen. Wir werden heute in unserer Klausurtagung des Vorstandes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion darüber sprechen. Die eine Möglichkeit ist, dass pauschal der Beitrag für alle Versicherten - nicht für die Arbeitgeber, um die Lohnzusatzkosten nicht zu erhöhen - erhöht wird, und dann wird für die Familien eine entsprechende deutliche Absenkung des Beitrages beschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat verlangt, dass die Familien entlastet werden, und was die Bundesregierung macht, ist natürlich zunächst eine Erhöhung der Beiträge für Kinderlose, und sagt dann, weil die mehr bezahlen müssen, sind die Familien automatisch entlastet. Das ist aber nicht die Art und Weise, wie das Urteil umgesetzt werden soll. Über die Finanzierung, eine leichte Erhöhung, die wesentlich geringer ist als das, was die Regierung vorhat, und dann eine deutliche Entlastung der Familien, wird heute und morgen in unserer Klausurtagung gesprochen.

    Durak: Und wofür plädieren Sie, für höhere Steuern?

    Kauder: Ich plädiere überhaupt nicht für höhere Steuern, sondern ich plädiere dafür, wie die gesamte Union, für eine Steuerreform, die einfacher ist und die auch Steuern senkt. Das wird mit dieser Regierung nicht zu machen sein. Wir werden die zweite Stufe der kleinen Steuerreform bekommen am 1.1.2005, wo noch einmal die Steuersätze, Eingangssteuersatz und Spitzensteuersatz, abgesenkt werden. Aber eine wirklich durchgreifende Steuerreform ist es nicht. Was wir im Augenblick erleben, ist ein Kurieren an Symptomen, und das macht die Menschen auch so irr und streckenweise auch aggressiv, dass sie merken, dass da immer nur an Versicherungssystemen, an Steuersystemen ein bisschen herumgedoktert wird, dass aber der wirklich große Angriff und Aufbruch in eine neue Zeit nicht stattfindet, und da hat die Union eben schon die besseren Konzepte.

    Durak: Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt. Ich wollte gerne von Ihnen persönlich wissen, wofür Sie plädieren, um diesen Familienbonus zu finanzieren.

    Kauder: Ich plädiere persönlich dafür, dass wir insgesamt den Beitrag für die Versicherten etwas anheben und dann die Familien deutlich entlasten.

    Durak: Ein Wort noch zum Zahnersatz. Da gibt es Streit, Hin und Her zwischen der Bundesregierung und der Opposition, zwischen CDU und CSU. Können Sie uns da eine Lösung aufzeigen?

    Kauder: Die Lösung kann ich Ihnen nicht aufzeigen, weil die Bundesregierung zunächst einmal für die Umsetzung verantwortlich ist. Wir erwarten jetzt einen Vorschlag von Frau Schmidt. Die Gesundheitsministerin hat unserer Fraktionsvorsitzenden Frau Dr. Merkel einen Vorschlag unterbreitet. Wenige Stunden später hat die SPD-Bundestagsfraktion erklärt, dass sie das so nicht mache. Also wir müssen jetzt zunächst mal einen verbindlichen Vorschlag aus der Koalition haben, und wenn er auf dem Tisch liegt, werden wir uns dazu äußern. Für die Umsetzung von Gesetzen ist die Exekutive, sprich die Regierung, zuständig und nicht die Opposition.

    Durak: Ihr gesamtes Reformkonzept in allen Gliederungen, wann können das die Wähler vor sich haben, lesen?

    Kauder: Wir haben jetzt bei der Gesundheitsfrage, wie wir das über die Gesundheitsprämie regeln wollen, noch einige Punkte mit unserer Schwesterpartei CSU zu klären. Es wird gelingen. Bis Ende des Jahres werden wir fertig sein.

    Durak: Besten Dank für das Gespräch.