"Familie wird immer mehr zu einen Stück Arbeit, dass muss bewusst getan werden. Das ergibt sich nicht von alleine."
Karin Jurczyk, Leiterin der Abteilung Familie und Familienpolitik beim Deutschen Jugendinstitut in München.
"Es wird einfach immer klarer, dass die Keimzelle der Gesellschaft nicht mehr einfach gegeben ist. Sie steht nicht mehr einfach als gesellschaftliche Ressource zur Verfügung. Sie steht aber auch nicht mehr für die Individuen zur Verfügung."
Dieses "Familie machen" – so wurde es auf der Tagung beleuchtet- hat sehr verschiedene örtlich, zeitliche, inhaltliche Dimensionen. Für viele, vor allem ältere akademische Paare beginnt es bereits damit, überhaupt ein Kind zu bekommen. Sie sind auf die Reproduktionsmedizin angewiesen und treffen dabei auf einen inzwischen weltweiten Markt mit unterschiedlich Regelungen, Preisen und Erfolgsaussichten.
"Die Anforderung an die Paare ist schon immer zu entscheiden, wo gehe ich eigentlich hin. Was ist die richtige Behandlung für mich."
Stefan Beck, Professor für Ethnologie an der Humboldt-Universität Berlin. In Deutschland, der Türkei und Großbritannien untersucht er mit seinen Kollegen, wie Paare heute durch eine reproduktionsmedizinische Behandlungen Verwandtschaft herstellen.
"Man bemüht sich schon die eigenen Keimzellen von Mann und Frau in der Paarbeziehung für die Zeugung zu nutzen. Erst wenn das nicht geht – wenn alle Optionen ausgeschlossen sind – greift man auf Spendergermeten zurück. Und damit stellt sich dann das Problem, wie gehe ich um, wenn es teilweise oder gar nicht das biologische Kind ist. Da hat man eine ähnliche Situation wie bei eine Adoption."
Permanent müssen die Paare entscheiden: Welchen Eingriff wählen wir? Erfährt die Verwandtschaft von dem Schritt? Wie und wann teilen wir dem Kind mit, wie es entstand?
Für diese Paare sind die traditionellen Vorstellungen von Familie bereits aufgeweicht, ehe sie als Eltern auf die flexible Arbeitswelt treffen. Die verlangt eine weitere Entgrenzung: Möglichst immer und überall einsatzbereit zu sein – ohne Rücksicht darauf, ob man Mutter oder Vater ist. Ein Forschungsprojekt am DJI fragt, wie die Flexibilität des Ortes heute das Familienleben beeinflusst.
"Das ist einmal familial bedingte Multilokalität. Das sind Trennungsfamilien. Die leben oft multilokal. Väter wollen sich auch nach der Trennung nicht immer, aber oft, um die Kinder kümmern. Es sind allerdings oft die Kinder, die pendeln. Die Kinder tragen auch die Bürde dieser sich trennenden Eltern, was dann die Brückenfunktion angeht, zwischen diesen Haushalten hin und her zu gehen. Die andere Seite ist die beruflich bedingte Multilokalität und das wissen wir aktuell, dass ein Fünftel aller Erwerbstätigen in irgendeiner Form von Mobilität betroffen ist. Es gibt zunehmend Paare, wo der eine hier arbeitet und der andere da und da gibt es richtige absurde Konstruktionen mit viel Jonglagen. "
Dabei sind in Familien noch immer meist die Väter die mobilen, die Mütter jene, die sich um die Kinder kümmern müssen und den Haushalt Aufrecht erhalten. Immer komplizierter wird es für die Paare, ihre Rollen zur Zufriedenheit beider und des Kindes zu definieren und zugleich noch Zeiten auszuhandeln, um sich als Familie an einem Tisch zu treffen. Auch ohne materielle Not geraten Paare bei dieser erschöpfenden Arbeit des Alltags in Risikolagen, ist die Erkenntnis von Karin Jurczyk.
"Wir sagen, dass man mehr an Familie gewinnt, auch an Qualität für Familienleben, wenn man teilweise was aus Familie raus nimmt bzw. wenn man Dienstleistungen oder Infrastruktur mit rein gibt. Das ist nicht eine Bedrohung für Familie. Das ist eine Entlastung für Familie und selbstverständlich ist der wichtigste Punkt die Kinderbetreuung, die für die kleinen Kinder schlecht ist. Aber das ist es nicht nur. Wir haben durch die steigende Lebenserwartung das Problem, dass Eltern, deren Kinder schon größer sind, sich wiederum um ihre eigenen Eltern kümmern müssen. Wir haben nicht die institutionellen Rahmungen, die das ermöglichen - entweder gleichzeitig, Familie und berufliche Aufgaben zu übernehmen oder auch hintereinander."
In diesem Sinne unterstützt es Familien unzureichend, wenn die Familienpolitik der neuen schwarz-gelben Regierung vor allem auf finanziellen Transfer setzt. Geld ermöglicht einigen Familien, sich zusätzliche Dienstleistungen zu kaufen. Aber es verschafft ihnen nicht mehr Zeit. Das wirkt sich nicht nur auf die Lebensqualität von Familien heute negativ aus. Es beeinflusst auch das Reproduktionsverhalten der Jüngeren. Gerade junge Männer nehmen in ihren Netzwerken sehr genau die Belastungen, Überforderungen und enttäuschten Beziehungserfahrungen vor allem von Vätern wahr. Davon ist An-Magritt Jensen von der Universität Trondheim, in Norwegen überzeugt.
"Sie fragen: Ist das das Leben, dass ich als Vater führen will oder ist es besser, ohne Kind zu sein. Vielleicht sehen sie, dass Väter in ihrem Arbeitsleben eingeschränkt sind – durch die die Vaterschaft und auf diese Weise wird der Wert von Vaterschaft relativiert."
Die Soziologieprofessorin untersucht Wege zur Vaterschaft. In Norwegen, einem Land mit einer praktizierten Politik der Geschlechtergerechtigkeit, haben inzwischen 25 Prozent der Männer über 40 Jahre und 20 Prozent der Männer über 50 keine Kinder. Gleichzeitig werden 70 Prozent der Kinder außerhalb einer Ehe geboren und oft von den Müttern allein groß gezogen. Junge Männer erleben so: Vaterschaft ist eine ambivalente Konstruktion geworden. Der Ernährer und Partiarch ist out. Doch jene Männer, die sich mehr für ihre Kinder engagieren wollten, müssten – so wie die Arbeit heute organisiert ist - dafür ebenso ihre berufliche Laufbahn opfern wie es die Frauen tun. Die Eltern allein, so die Position von An-Magritt Jensen, finden nicht den Weg aus der Sackgasse.
"Der Arbeitsmarkt muss akzeptierten, das nicht nur Frauen für die Kinder verantwortlich sind und auch nicht nur der Staat, sondern dass auch die Unternehmen etwas tun müssen Sie haben die Arbeit in einer Weise zu organisieren, dass Elternschaft lebbar wird. Stellen sie sich vor, ein junger Mann bewirbt sich gemeinsam mit 19 anderen um einen guten Job bewirbt. Er plant, im nächsten Jahr ein Kind zu haben und seine Väterzeit zu nehmen und will sich als Vater gleichberechtigt einbringen. Ist er davon überzeugt, dass das ein Vorteil ist, dass in einem Bewerbungsgespräch zu erwähnen? Wir müssen anfangen ein Klima zu schaffen, in dem ein Kind zu haben ein Vorteil für junge Männer wie für junge Frauen ist."
Karin Jurczyk, Leiterin der Abteilung Familie und Familienpolitik beim Deutschen Jugendinstitut in München.
"Es wird einfach immer klarer, dass die Keimzelle der Gesellschaft nicht mehr einfach gegeben ist. Sie steht nicht mehr einfach als gesellschaftliche Ressource zur Verfügung. Sie steht aber auch nicht mehr für die Individuen zur Verfügung."
Dieses "Familie machen" – so wurde es auf der Tagung beleuchtet- hat sehr verschiedene örtlich, zeitliche, inhaltliche Dimensionen. Für viele, vor allem ältere akademische Paare beginnt es bereits damit, überhaupt ein Kind zu bekommen. Sie sind auf die Reproduktionsmedizin angewiesen und treffen dabei auf einen inzwischen weltweiten Markt mit unterschiedlich Regelungen, Preisen und Erfolgsaussichten.
"Die Anforderung an die Paare ist schon immer zu entscheiden, wo gehe ich eigentlich hin. Was ist die richtige Behandlung für mich."
Stefan Beck, Professor für Ethnologie an der Humboldt-Universität Berlin. In Deutschland, der Türkei und Großbritannien untersucht er mit seinen Kollegen, wie Paare heute durch eine reproduktionsmedizinische Behandlungen Verwandtschaft herstellen.
"Man bemüht sich schon die eigenen Keimzellen von Mann und Frau in der Paarbeziehung für die Zeugung zu nutzen. Erst wenn das nicht geht – wenn alle Optionen ausgeschlossen sind – greift man auf Spendergermeten zurück. Und damit stellt sich dann das Problem, wie gehe ich um, wenn es teilweise oder gar nicht das biologische Kind ist. Da hat man eine ähnliche Situation wie bei eine Adoption."
Permanent müssen die Paare entscheiden: Welchen Eingriff wählen wir? Erfährt die Verwandtschaft von dem Schritt? Wie und wann teilen wir dem Kind mit, wie es entstand?
Für diese Paare sind die traditionellen Vorstellungen von Familie bereits aufgeweicht, ehe sie als Eltern auf die flexible Arbeitswelt treffen. Die verlangt eine weitere Entgrenzung: Möglichst immer und überall einsatzbereit zu sein – ohne Rücksicht darauf, ob man Mutter oder Vater ist. Ein Forschungsprojekt am DJI fragt, wie die Flexibilität des Ortes heute das Familienleben beeinflusst.
"Das ist einmal familial bedingte Multilokalität. Das sind Trennungsfamilien. Die leben oft multilokal. Väter wollen sich auch nach der Trennung nicht immer, aber oft, um die Kinder kümmern. Es sind allerdings oft die Kinder, die pendeln. Die Kinder tragen auch die Bürde dieser sich trennenden Eltern, was dann die Brückenfunktion angeht, zwischen diesen Haushalten hin und her zu gehen. Die andere Seite ist die beruflich bedingte Multilokalität und das wissen wir aktuell, dass ein Fünftel aller Erwerbstätigen in irgendeiner Form von Mobilität betroffen ist. Es gibt zunehmend Paare, wo der eine hier arbeitet und der andere da und da gibt es richtige absurde Konstruktionen mit viel Jonglagen. "
Dabei sind in Familien noch immer meist die Väter die mobilen, die Mütter jene, die sich um die Kinder kümmern müssen und den Haushalt Aufrecht erhalten. Immer komplizierter wird es für die Paare, ihre Rollen zur Zufriedenheit beider und des Kindes zu definieren und zugleich noch Zeiten auszuhandeln, um sich als Familie an einem Tisch zu treffen. Auch ohne materielle Not geraten Paare bei dieser erschöpfenden Arbeit des Alltags in Risikolagen, ist die Erkenntnis von Karin Jurczyk.
"Wir sagen, dass man mehr an Familie gewinnt, auch an Qualität für Familienleben, wenn man teilweise was aus Familie raus nimmt bzw. wenn man Dienstleistungen oder Infrastruktur mit rein gibt. Das ist nicht eine Bedrohung für Familie. Das ist eine Entlastung für Familie und selbstverständlich ist der wichtigste Punkt die Kinderbetreuung, die für die kleinen Kinder schlecht ist. Aber das ist es nicht nur. Wir haben durch die steigende Lebenserwartung das Problem, dass Eltern, deren Kinder schon größer sind, sich wiederum um ihre eigenen Eltern kümmern müssen. Wir haben nicht die institutionellen Rahmungen, die das ermöglichen - entweder gleichzeitig, Familie und berufliche Aufgaben zu übernehmen oder auch hintereinander."
In diesem Sinne unterstützt es Familien unzureichend, wenn die Familienpolitik der neuen schwarz-gelben Regierung vor allem auf finanziellen Transfer setzt. Geld ermöglicht einigen Familien, sich zusätzliche Dienstleistungen zu kaufen. Aber es verschafft ihnen nicht mehr Zeit. Das wirkt sich nicht nur auf die Lebensqualität von Familien heute negativ aus. Es beeinflusst auch das Reproduktionsverhalten der Jüngeren. Gerade junge Männer nehmen in ihren Netzwerken sehr genau die Belastungen, Überforderungen und enttäuschten Beziehungserfahrungen vor allem von Vätern wahr. Davon ist An-Magritt Jensen von der Universität Trondheim, in Norwegen überzeugt.
"Sie fragen: Ist das das Leben, dass ich als Vater führen will oder ist es besser, ohne Kind zu sein. Vielleicht sehen sie, dass Väter in ihrem Arbeitsleben eingeschränkt sind – durch die die Vaterschaft und auf diese Weise wird der Wert von Vaterschaft relativiert."
Die Soziologieprofessorin untersucht Wege zur Vaterschaft. In Norwegen, einem Land mit einer praktizierten Politik der Geschlechtergerechtigkeit, haben inzwischen 25 Prozent der Männer über 40 Jahre und 20 Prozent der Männer über 50 keine Kinder. Gleichzeitig werden 70 Prozent der Kinder außerhalb einer Ehe geboren und oft von den Müttern allein groß gezogen. Junge Männer erleben so: Vaterschaft ist eine ambivalente Konstruktion geworden. Der Ernährer und Partiarch ist out. Doch jene Männer, die sich mehr für ihre Kinder engagieren wollten, müssten – so wie die Arbeit heute organisiert ist - dafür ebenso ihre berufliche Laufbahn opfern wie es die Frauen tun. Die Eltern allein, so die Position von An-Magritt Jensen, finden nicht den Weg aus der Sackgasse.
"Der Arbeitsmarkt muss akzeptierten, das nicht nur Frauen für die Kinder verantwortlich sind und auch nicht nur der Staat, sondern dass auch die Unternehmen etwas tun müssen Sie haben die Arbeit in einer Weise zu organisieren, dass Elternschaft lebbar wird. Stellen sie sich vor, ein junger Mann bewirbt sich gemeinsam mit 19 anderen um einen guten Job bewirbt. Er plant, im nächsten Jahr ein Kind zu haben und seine Väterzeit zu nehmen und will sich als Vater gleichberechtigt einbringen. Ist er davon überzeugt, dass das ein Vorteil ist, dass in einem Bewerbungsgespräch zu erwähnen? Wir müssen anfangen ein Klima zu schaffen, in dem ein Kind zu haben ein Vorteil für junge Männer wie für junge Frauen ist."