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Familienfreundliche Bundeswehr
"Ein gutes Signal in die Truppe hinein"

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, begrüßt die Forderung der neuen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nach einer familienfreundlicheren Bundeswehr. In der Vergangenheit habe man sich nicht ausreichend um dieses Thema gekümmert, sagte er im Deutschlandfunk.

Klaus Naumann im Gespräch mit Bettina Klein | 14.01.2014
    Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU) bei einem Treffen mit Bundeswehrsoldaten im Dezember 2013
    Bundesverteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU) bei einem Treffen mit Bundeswehrsoldaten im Dezember 2013 (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Bettina Klein: Mitgehört am Telefon hat Klaus Naumann, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und ehemaliger Vorsitzender vom NATO-Militärausschuss. Guten Morgen, Herr Naumann.
    Klaus Naumann: Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Mit ihrer ersten Entscheidung im Amt setzt Ursula von der Leyen also den Fokus auf Vereinbarkeit von Familie und Soldatendasein. Setzt sie den Fokus auf den richtigen Schwerpunkt Ihrer Meinung nach?
    Naumann: Ich begrüße diese Entscheidung sehr, denn wir haben immer gesagt, der Mensch steht im Mittelpunkt und nur ein zufriedener, mit seiner Berufsentscheidung glücklicher Mann oder Frau kann auch ein guter Soldat sein. Und hinzukommt ja nun, dass wir eine demographische Situation haben, die es der Bundeswehr immer schwerer machen wird, qualifizierten Nachwuchs für ihre Dienstposten zu gewinnen. Wir brauchen für jeden Dienstposten letztlich drei Mann mindestens, um einen vernünftig qualifizierten haben zu können, und von daher gesehen muss etwas geschehen.
    Klein: Das heißt im Umkehrschluss aber auch, Herr Naumann, wenn ich da noch mal einhaken darf, dass ihre Vorgänger an der Stelle offenbar versagt haben offenbar?
    Naumann: Bitte?
    Klein: Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass ihre Vorgänger an dieser Stelle etwas wichtiges versäumt haben oder versagt haben?
    Naumann: Wir haben, ich glaube, durchaus immer wieder versucht, etwas zu tun. Aber wir haben vielleicht doch nicht ausreichend die Schritte getan, die notwendig sind, weil natürlich auch immer in der Planung der Bundeswehr die Balance zu wahren ist zwischen Personalkosten und den notwendigen Investitionen. Und was bei Frau von der Leyen jetzt, glaube ich, gut für die Bundeswehr hinzukommt, ist ihre reiche Erfahrung als Arbeitsministerin, in der sie die gesamte Arbeitswelt unseres Landes erlebt hat und erkennen kann, was man tun kann, und diese Erkenntnis hatten wir möglicherweise nicht in ausreichendem Maße.
    Klein: Das Echo auf diese erste wichtige Entscheidung im Amt war in der Tat ja weitgehend positiv. Kritik kam eher von links und wurde an Fragen der Finanzierung festgemacht. Das erste, was die neue Ministerin unternimmt, ist ein familienpolitisches Signal auszusenden, und sie erntet weitgehend Zustimmung. Hat Sie das eigentlich überrascht?
    Naumann: Ein bisschen schon, muss ich sagen. Aber ich muss noch mal sagen: Ich finde es gut, dass sie das tut, denn damit zeigt sie ganz deutlich, dass ihr das wertvollste Potenzial, das die Bundeswehr zu bieten hat, nämlich die Menschen wirklich am Herzen liegen, und das ist ein Signal, das in der Truppe, glaube ich, gut ankommt.
    Klein: Es gibt Einwände in inhaltlicher Art insofern, als gesagt wird, die Soldatenaufgaben oder auch Führungspositionen können nicht als Teilzeitaufgabe zum Beispiel wahrgenommen werden, und auch bei Auslandseinsätzen ist es im Grunde genommen unmöglich, ein Familiendasein mit diesem Beruf zu vereinbaren, und das wisse eigentlich auch jeder vorher. Ist an bestimmten Punkten eigentlich gar keine Lösung möglich?
    Naumann: Diese Einwände teile ich. Es wird für eine Armee im Einsatz ungewöhnlich schwierig werden, Teilzeitjobs auszufüllen, und ich glaube, auch bei Auslandsverwendungen werden einfach die Kosten schlicht eine Bremse darstellen. Aber das heißt ja nicht, dass man nicht in dem einen oder anderen Dienstposten im Inland vernünftige Lösungen finden kann. Und auch, was Frau von der Leyen gesagt hat, sie will die Versetzungshäufigkeit überprüfen lassen, das ist durchaus vernünftig. Wir haben das immer wieder auch schon versucht, aber auch da gibt es bestimmte Grenzen. Ich bin nun einer, der in seinen 41 Jahren 19mal umgezogen ist, und ich weiß, was das heißt. Vor allem weiß ich, was meine Kinder da mitzutragen hatten. Aber andererseits muss ich auch sagen, für eine Spitzenauswahl – und das ist eines der Charakteristiken der Bundeswehr und eines der Qualitätsmerkmale, dass wir eine gute Auswahl getroffen haben – ist es unerlässlich, dass man die Leute durch verschiedene Verwendungen bringt, um zu erkennen, ob man den Richtigen nach oben bringt.
    Klein: Kann man sagen, Herr Naumann – und das frage ich Sie jetzt wirklich als altgedienten Militär -, wird die Bundeswehr damit weiblicher, wie man das der Gesellschaft ja insgesamt nachsagt, dass andere Themen, eine andere Kultur in den Vordergrund drängen?
    Naumann: Ich glaube nicht, dass die Bundeswehr weiblicher wird, aber sie wird sicherlich auf das Potenzial der Frauen immer stärker zurückgreifen müssen, und das ist auch gut so. Eine gut qualifizierte Frau kann viele Dienstposten in der Armee ausgezeichnet ausfüllen. Ich bin einer von den vielleicht etwas Konservativen, die sagen, ich möchte in bestimmten Kampffunktionen Frauen nicht unbedingt sehen, obwohl sie sicher das genauso gut machen. Aber ich gebe zu: Das ist eine emotionale Sperre bei mir.
    Klein: Es gibt die eine oder andere Stimme, die man hört, mit dem Tenor: Ist es eigentlich wirklich die größte Baustelle in der deutschen Verteidigungspolitik? Was ist mit dem Thema Ausrüstung, was ist mit der Anschaffung von Drohnen, was mit dem Abzug aus Afghanistan und der Abstimmung zwischen den Verbündeten? Sie sehen das nicht mit Bedenken?
    Naumann: Das sind Aufgaben, die, ich glaube, nahezu gleichrangig vor der Ministerin stehen. Das ist das unglaublich Schwierige an ihrem Amt, das zugleich aber auch wegen der unglaublich dichten Berührung mit den Menschen eines der schönsten Ministerien ist, die zu vergeben sind. Aber die Aufgaben, die Sie genannt haben, stehen natürlich vor der Tür: die Materialausstattung, das Einpassen von Personal und Material in den Finanzplan, die riesige Aufgabe des Abzugs aus Afghanistan.
    Klein: Aber da hat sie Zeit und das war also richtig, den Schwerpunkt zunächst mal darauf zu setzen?
    Naumann: Ich glaube, es ist richtig, dass sie das als erstes macht. Ich glaube, es war ein gutes Signal in die Truppe hinein. Und die anderen Dinge, die wird sie nicht vernachlässigen. Die Aufgabe Afghanistan steht vor der Tür, die Ausrüstungsplanung muss angeschoben werden und das Verhältnis zu den Verbündeten ist ein Thema, das sie schon bei der ersten NATO-Konferenz, ich glaube, im April oder Mai ganz direkt erfassen wird.
    Klein: Vielleicht noch ganz kurz dazu: Ihr Vorgänger de Maizière hat ja Kritik der Verbündeten an teilweise zögerlichem Engagement Deutschlands zurückgewiesen. Hat er recht?
    Naumann: Da bin ich etwas anderer Meinung. Ich glaube, die Verbündeten haben sich auf die gesamte Spanne des deutschen Einsatzes in Afghanistan bezogen und vielleicht hat der Minister auch das in Erinnerung gehabt, und dann kommt natürlich immer noch der Schatten Libyens, nicht wegen der Teilnahme oder Nichtteilnahme Deutschlands, sondern wegen der Enthaltung im Weltsicherheitsrat. Das sind Dinge, die nicht so ohne Weiteres aus dem Gedächtnis der Verbündeten gegangen sind. Allerdings hat Minister de Maizière absolut recht mit der Aussage, die Deutschen brauchen sich bei dem, was sie jetzt in Afghanistan leisten, nicht verstecken. Sie haben dort gekämpft, sie haben dort ihren Mann gestanden und von daher gesehen ist jede Kritik an Deutschland unrechtmäßig.
    Klein: Klaus Naumann, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Naumann.
    Naumann: Vielen Dank, Frau Klein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.