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Familienpolitik entzweit Staat und Kirche in Spanien

Das Verhältnis zwischen den in Spanien regierenden Sozialisten und den katholischen Bischöfen ist zerrüttet. Ehe für homosexuelle Paare, vereinfachtes Scheidungsrecht - was die Sozialisten einführten, bezeichnet die Kirche als Angriff auf die Familie oder gar als Demontage der Demokratie. Doch immer mehr spanische Familien können den Streit nicht nachvollziehen. Hans-Günter Kellner berichtet.

Von Hans-Günter Kellner | 03.01.2008
    Mehr als 100.000 Gläubige waren dem Aufruf der spanischen Bischöfe zum "Fest der christlichen Familie" in der Madrider Innenstadt gefolgt. Die Botschaft des Gottesdienstes wurde sehr schnell politisch. So sagte der Madrider Erzbischof und Kardinal Antonio María Rouco Varela:

    "Traurig müssen wir feststellen, dass unsere Gesetze inzwischen hinter der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen zurückbleiben. Dort heißt es: 'Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat.'"

    Und der Kardinal Valencias, Agustín García Casco meinte:

    "Wir sind auf einem Weg, auf dem die spanische Verfassung von 1978 nicht mehr respektiert wird. Wir sind dabei, die Demokratie aufzulösen."

    Die katholische Kirche hatte in dieser Legislaturperiode bereits mehrmals zu Protesten gegen die sozialistische Regierung aufgerufen. Gegen die Abwertung der Religion zum freiwilligen Schulfach, die Einführung der Staatsbürgerkunde, gegen die Ehe für homosexuelle Paare und gegen das vereinfachte Scheidungsrecht. Aber die Vehemenz ihrer Kritik an der Regierung nur zwei Monate vor den Parlamentswahlen hat die Sozialisten doch überrascht. Deren Sprecher José Blanco meinte:

    "Das ist empörend. Wer im Namen Christi spricht, und ich bin Christ, darf nicht lügen. Zu behaupten, bei uns würden die Menschenrechte missachtet, ist eine sehr schwerwiegende Anschuldigung. Da wurde gesagt, die Familie werde zerstört. Dabei sind es die Bischöfe, die diese christliche Gemeinschaft kaputt machen. Denn es gibt viele christliche Familien, die bei solchen Bischöfen am liebsten aus der Kirche austreten würden."

    Dem sechs Monaten alten Manuel ist das Bilderbuch, das er zu Weihnachten bekam hingegen deutlicher wichtiger als der Streit zwischen Politikern und Bischöfen. Seine Eltern, Ana und Enrique, winken ab. Sie erwarten von der katholischen Kirche keine ernsthaften Beitrag zu sozialen Fragen. Das traditionelle Familienbild halten sie für überholt.

    "Das Wichtige ist die Verbundenheit der Menschen miteinander. Das ist die wirkliche Säule unserer Gesellschaft. Das war früher vor allem die Verbundenheit zwischen Eltern und Kindern. Das nannten wir dann Familie."

    "Familie ist heute einfach mehr: Das setzt keine genetische Verbindung mehr voraus."

    Dabei halten auch die beiden Eltern die Familienpolitik für das große Schlüsselthema der Zukunft. Gerade in dieser Frage meinen die Sozialisten viel geleistet zu haben. Ihre Regierung habe einen Babyscheck in Höhe von 2500 Euro für jedes Neugeborene eingeführt und die Zahl der Stipendien für Schüler und Studenten aus armen Familien erhöht, heißt es in einer Stellungnahme der Partei zur Kritik der Bischöfe. Enrique hält das alles jedoch für wenig effektiv:

    "Wir haben immer weniger Kinder, weil sich die Frauen immer später dafür entscheiden. Weil Beruf und Familie nicht zu vereinbaren sind. Die neue Familienpolitik ist ein Anfang, aber es ist eben auch viel Wahlkampftaktik dabei."

    Kinder störten. Sie seien wegen des kleinen Manuel sogar schon aus Hotels und Gaststätten verwiesen worden, erzählt Ana. Doch sie ist optimistisch:

    "Wir Spanier werden uns gerade darüber klar, dass es mit diesem Land ohne Kinder nicht weitergeht. Die Kinderlosigkeit wurde bis vor kurzem noch als privates Problem eines Paares gesehen. Jetzt ist uns Spaniern deutlich geworden: Wir alle müssen etwas dafür tun, dass ein Paar seinen Kinderwunsch auch verwirklichen kann. Und das ist neu."