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Fangverbot für Kabeljau?

In Brüssel sind die für Fischerei zuständigen EU-Minister zusammengekommen, um über die Fangquoten für das kommende Jahr zu beraten. Unterstützung bekommen die Minister bei ihrer Entscheidung vom Internationalen Rat für Meeresforschung in Kopenhagen (ICES) dessen Empfehlungen allerdings nicht bindend sind. Darunter litt in der Vergangenheit unter anderem der Kabeljau in der Nordsee. Dessen Bestände sind bereits so klein, dass Meeresbiologen schon lange ein absolutes Fangverbot fordern. Doch auch in diesem Jahr werden die Appelle wohl wieder einmal ungehört bleiben.

Von Lutz Reidt | 20.12.2006
    Wie konsequent Fischereipolitiker wissenschaftliche Empfehlungen ignorieren können, zeigt sich alle Jahre wieder beim Kabeljau in der Nordsee. Auch dieses Jahr plädieren die Experten vom ICES, dem Internationalen Rat für Meeresforschung in Kopenhagen, für einen totalen Fangstopp - zum fünften Mal in Folge. Und womöglich wie beim letzen Mal vergebens.

    Vor einem Jahr hatten die Fischereiminister in Brüssel für 2006 eine Fangquote von 23.000 Tonnen vereinbart. Damit verstoßen die Politiker gegen den von ihnen selbst verabschiedeten Wiederaufbauplan, kritisiert Fischerei-Expertin Heike Vesper vom WWF in Bremen:

    " Es gibt einen Wiederaufbauplan für den Kabeljau seit 2004. Der wissenschaftliche Rat warnt ja seit 1989 davor, dass der Kabeljau-Bestand in die Knie geht. Für 2001 wurde bereits davon gesprochen, dass nur noch ganz geringe Fänge möglich wären. In dem Wiederaufbauplan steht drin, dass die Fangmengen nur so festgesetzt werden dürfen, dass ein Minimum-Level des Elterntierbestandes nicht unterschritten wird. Und man hat gesagt, dass jährlich der Bestand um 30 Prozent wieder aufgebaut werden soll."

    Und davon ist der Kabeljau in der Nordsee weiter entfernt denn je. Die Forscher schätzen, dass der Bestand drei bis vier Mal größer sein müsste, um ihn langfristig wieder vernünftig befischen zu können. Nach Ansicht des Fischereibiologen Christopher Zimmermann von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Rostock ein erreichbares Ziel:

    " Theoretisch hat der Kabeljau-Bestand in der Nordsee ein sehr hohes Erholungspotenzial. Es könnte also gut sein, dass drei oder vier Jahre unbedingte Schonung reichen würden, um den Bestand wiederaufzubauen und dann auch wieder sinnvoll nutzen zu können."

    Vorausgesetzt, die Empfehlungen der Wissenschaftler finden Gehör in Brüssel. Abwärts geht es auch mit dem Hering in der Nordsee. Der fünfte schwache Nachwuchs-Jahrgang in Folge hat den einstmals riesigen Bestand in den vergangenen zwei Jahren um fast ein Viertel schrumpfen lassen.

    Und ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Die Experten vom ICES hatten empfohlen, die Heringsfänge in der Nordsee im kommenden Jahr vorsorglich um fast 40 Prozent zu senken. Stattdessen wird die Fangquote voraussichtlich jedoch nur um 25 Prozent reduziert werden. Darauf haben sich Norwegen und die Europäische Union bereits geeinigt.

    Diese halbherzige Maßnahme sei unverständlich, weil es durchaus Alternativen gäbe, sagt Fischerei-Experte Christopher Zimmermann:

    " Wir haben einen sehr großen Bestand, den so genannten atlantoskandischen Heringsbestand vor der norwegischen Küste; und diesem Bestand geht es besser als in den letzten 30 oder 40 Jahren; wir haben berechnet, dass er inzwischen rund 10 Millionen Tonnen Laicherbiomasse erreicht hat; also nur die erwachsenen Tiere können inzwischen 10 Millionen Tonnen sein und hier hat die Wissenschaft empfohlen, die Fänge sogar nicht unerheblich zu steigern. Das heißt, es wird auch weiter für den Verbraucher relativ günstigen, guten Hering geben, nur eben in Zukunft vermehrt von anderen Beständen als von dem Nordsee-Hering."

    Prächtig geht es auch dem Seelachs in der Nordsee. In den vergangenen Jahren wurden die vereinbarten Fangquoten noch nicht einmal ausgeschöpft, weil sich der viele Seelachs gar nicht verkaufen ließ. Die EU musste sogar Stützungskäufe vornehmen und einen "Seelachs-Berg" in den Kühlhäusern auftürmen.

    Alternativen hat die deutsche Hochseefischerei auch zum Rotbarsch im Nordatlantik, dessen Bestände stark dezimiert sind und keine lohnenden Fänge mehr erlauben. Statt dessen wird vermehrt der Schwarze Heilbutt in den Netzen zappeln. Dieser Fischart geht es in einigen Bereichen des Nordatlantiks so gut, dass die deutsche Fischereiflotte vor Grönland im nächsten Jahr rund 20 Prozent mehr davon fangen darf:

    " Der Schwarze Heilbutt erzielt wesentlich höhere Erträge, kann deutlich besser verwertet und vermarktet werden als Rotbarsch und deswegen vermute ich, dass die deutsche Hochseefischerei in der Summe keine großen finanziellen Einbußen wird hinnehmen müssen, weil sie einfach den Schwerpunkt, den Fischerei-Schwerpunkt auf eine andere, eher wertvollere Fischerei-Ressource verlagern kann."

    Während also Schwarzer Heilbutt, Seelachs und der Hering aus nördlichen Gewässern reichlich vorhanden sind, geht es in der Nordsee vor allem Kabeljau und Hering nach wie vor schlecht. Ob die Fischereipolitik daraus die richtigen Schlüsse zieht, entscheidet sich morgen in Brüssel.