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Farbe und Gestus

Schossig: Robert Motherwell gehörte zur Gruppe der legendären "american abstract expressionist painter". Nach dem Zweiten Weltkrieg erfanden sie eine Malerei, in der sich der Künstler ausschließlich durch den gestischen Gebrauch von Form und Farbe ausdrückt, eine pathetisch ungegenständliche Kunst. Neben Arshil Gorki, Willem DeKooning und Jackson Pollock, gehörte zu ihnen auch der 1915 in Washington geborene Robert Motherwell. An diesen, in den 50er und 60er Jahren auch in Europa hochgehandelten und seit seinem Tod 1991 aber dann hierzulande wieder fast vergessene Künstler erinnert jetzt das Leverkusener Museum Schloss Morsbroich mit einer Schau großformatiger Gemälde, Collagen und Tuschzeichnungen von Motherwell. Frage an Christiane!Vielhaber Das geschieht ja in Leverkusen nicht mal eben so, sondern die Ausstellung hat ihre eigene Geschichte, die auch mit dem Ort zusammenhängt?

Christiane Vielhaber im Gespräch |
    Vielhaber: Genau vor 50 Jahren wurde zum ersten Mal Motherwell in Deutschland präsentiert, das war damals eine Gruppenausstellung in Schloss Morsbroich. Da gehörten zum Beispiel Maler wie Ernst William Nye dazu, da gehörte Willy Baumeister dazu, aber eben auch Pierre Soulage und man hatte eingeladen Robert Motherwell. Immerhin hatte schon zehn Jahre vorher das New Yorker MoMa, das Museum of Modern Art, eine Arbeit von ihm eingekauft. Er hatte seine erste große Einzelausstellung bei Peggy Guggenheim 1944. Das war alles in der Zeit, obwohl, das muss man dazu sagen, er eigentlich ein Europäer war. Denn seine erste Einzelausstellung hatte er 1939 in Paris, wo er überhaupt lange gelebt hat. Er hat in Frankreich studiert, er hat in Grenoble studiert, er ist durch Europa gereist, weil er davon überzeugt war, man kann nur eine neue Kunstform eigentlich schaffen, wenn man auf einer alten aufbaut.

    Schossig: Wenn man sich an diese Ausstellung erinnert, die älteren unter uns werden das noch können, in den 50er, späten 50er Jahren, das waren im Grunde etwas ganz anderes als dann dieses Leuchtende der Pop Art, dieses Heitere. Das waren eigentlich ernste, schwere Bilder, die da aus Amerika rüberkamen, wenn ich an Klein denke oder Phil Guston, Kenneth Noland. Was ist das Besondere, was jetzt Motherwell da in diesem Kreis auszeichnet?

    Vielhaber: Ich glaube, er ist der große Einzelgänger auf die Art und Weise, weil er Intellekt und Intuition miteinander verbindet, er verbindet das Gestische und das klar Überlegte, das Konstruierte. Das können sie in dieser Ausstellung jetzt wunderbar sehen. Sie ist nicht chronologisch gehängt, das ginge auch gar nicht, denn das ist auch das Bemerkenswerte, das Formenrepertoire bei Motherwell. In allen Phasen taucht es immer wieder auf. Die berühmte Serie der Elegien, die 1948 einsetzte, Elegien auf den Spanischen Bürgerkrieg, sind zum Beispiel dadurch berühmt geworden, dass sie diese riesigen, großen schwarzen Eiformen haben, richtig kräftige, wie so Keulenschläge auf der Leinwand und parallel dann dazu eingequetscht in senkrechte, schwarze Balken. Das ist die eine Serie. Es gibt die Serie der Open, da würde man sagen, es ist fast eine Malerei, nicht ganz so sublim wie Barnet Newman, er öffnet die fast monochromen Bilder mit so kleinen Fensterchen, es ist eine wunderbare Arbeit in Leverkusen zu sehen. Eine große, rote Arbeit. Oben ist eine kleine Eins draufgeschrieben und diese Eins wirkt aus der Ferne, wenn sie auf dieses Bild zugehen, wie ein Schnitt von vorne in die Leinwand. Das heißt also er macht diesen Schnitt malerisch und das ist unten noch so ein kleines Fensterchen, eine winzige Fläche, sowie eine Streichholzschachtel, weiß gelassen, da tropfen dann so rote Farblinien rüber, dass man auch das Gefühl hat vielleicht eines vergitterten Fensters.

    Schossig: Es ist doch eine Malerei zwischen vollständiger Abstraktion, wo sie nicht ganz hingeht und auf der anderen Seite aber auch nicht wirklich realistisch. Es ist weder Farbfeld noch reine Gestik?

    Vielhaber: Es gibt zum Beispiel eine gestische Malerei, da denkt man, das ist Pollock. Aber was bei Pollock einfach im Aktionismus passiert, ist bei ihm das Abmalen der Gischt, die vor seiner Terrasse am Meer da hoch spritzt. Auf der anderen Seite hat er auch gegenständliche Bilder, die sehr erotisch sind, die Serie der schwarzen Samurain, das ist auf Japanpapier und dann zischelt da und schlängelt ein Phallus hoch, dass es nur so eine Art hat. Dann wiederum, da merkt man, dass er die wichtigen Surrealisten damals, die nach Amerika gingen, kennen gelernt hat. Er hat mit Max Ernst ständig Schach gespielt, er hat mit Breton zusammengearbeitet. Dann übernimmt er auch diese Form oder er versucht es zumindest, automatistische Zeichnungen zu machen, die sehen sie in dieser Ausstellung und daneben dann freie Zeichnungen und ich kann Ihnen sagen, ich merke eigentlich gar keinen Unterschied. Wahrscheinlich kann man dieses Automatistische überhaupt nicht völlig unkontrolliert loslassen.

    Schossig: Es sind ja nicht nur Gemälde und Zeichnungen, sondern auch ganz erstaunliche Collagen.

    Vielhaber: Die hier nicht so sehr bekannt sind. Aber in diesen Collagen erweist er sich auch wieder als ein großer Europäer, der seinen Schwitters gekannt hat. Er hat auch mit Schwitters damals 1955 bei Peggy Guggenheim ausgestellt, die die ganzen Künstler aufgefordert hatten, Collagen zu machen. Sie haben dann zum Beispiel eine Collage, da sehen sie den Briefaufkleber von Berggrün. Berggrün hatte ihm eine Kiste mit Büchern geschickt 1981 und da ist noch der Zollstempel drauf. Sie finden eine andere Collage mit einer Zigarettenschachtel der Ernte 21, das ist ein Hinweis auf sein exzessives Rauchen oder der Hinweis auf sein exzessives Trinken. Sie finden eine Collage, das ist von einer Weinkiste abgemacht, da liest man nur noch drauf, dass da 20 Flaschen Wein drin waren.

    Schossig: Amerikanische Malerei mit europäischen Anspielungen. Christiane Vielhaber über eine Ausstellung in Schloss Morsbroich zum Werk von Robert Motherwell.