Samstag, 20. April 2024

Archiv


Faschismus unter Denkmalschutz?

Ein Hoch auf die faschistische Architektur!

Ein Beitrag von Thomas Migge | 07.05.2003
    Im Zentrum der Polemik steht die von Touristen nur selten besuchte Kleinstadt Sabaudia. Bis auf einige wenige Architekturbegeisterte sich kaum jemand auf die Reise in den südlich von Rom gelegenen Ort, der in den 30er Jahren auf Wunsch von Diktator Benito Mussolini aus dem Nichts errichtet wurde. Der Duce ließ für diese Stadt-Schöpfung sogar Sumpfgebiete trockenlegen. Seine Architekten sollten einen Ort errichten, an dem - so ist in zeitgenössischen Dokumenten nachzulesen - "der faschistische Mensch Raum zum Leben und zum Denken findet”. Der Innenstadtkern zeichnet sich durch erstaunlich moderne architektonische Lösungen aus, von denen, meint der bekanntermaßen linke Stararchitekt Massimiliano Fuksas, noch heute Baumeister lernen können:

    Die Idee war die, und meiner Meinung nach gilt sie auch noch heute, einen kommunalen Lebensraum zu schaffen, in dem sich der Mensch sich eingeengt fühlt. Sicherlich, damals war das gebaute Ideologie, aber Tatsache ist, dass Sabaudias Zentrum keine hohen Häuser besitzt, viel Natur aufweist und ungemein human wirkt, eben wegen der Symbiose von niedrigen Gebäuden, von viel Grün und viel Platz. Aus dieser Realität will der Bürgermeister von Sabaudia Geld machen. Er hat ja auch sonst nichts. Dort gibt es keine Unternehmen.

    Massimiliano Fuksas findet es ausgezeichnet, dass Sabaudia restauriert wird. Schließlich, und er wird nicht müde es zu wiederholen, sei diese Kleinstadt eines der besten Beispiele für humane Architektur. Dass Saubaudia von Benito Mussolini errichtet wurde, stört ihn nicht. Doch mit seiner Meinung steht Fuskas ziemlich allein. Der Sturm der Entrüstung in Sachen Sabaudia ist groß. In vielen oppositionellen Print-Medien ist die Rede vom Revisionismus faschistischer Architektur. Das angesehene "Giornale dell’Arte” spricht sogar von profaschistischer Kulturpolitik. Richard Meier, der sich in diesen Tagen wegen einer eigenen Baustelle in Rom aufhält, bezeichnete es als "skandalös”, dass faschistische Bauten herausgeputzt werden sollen, während sich Italien für zeitgenössische Architektur so gut wie gar nicht engagiert. Walter Veltroni, heute Roms Bürgermeister und vormals linksdemokratischer Kulturminister, spricht von einer Bankrotterklärung der Kulturpolitik. Der stellvertretende italienische Ministerpräsident Gianfranco Fini kann hingegen die Aufregung nicht verstehen. Schließlich gehe es ja um Kulturgüter, die man schützen wolle. Viele Kunstexperten wiesen aber darauf hin, dass man doch lieber Bauwerke aus früheren Jahrhunderten vor dem Verfall retten sollte.

    Für Aufregung sorgt auch die Tatsache, dass das Kulturministerium in Rom Gelder für die heftig kritisierte Aktion locker machen will. Wie kann es sein, entrüstet sich auch die römische Kunstkritikerin Carla Mafai, dass das Ministerium für so ein Projekt Geld hat, aber Renaissancepaläste vor sich hingammeln müssen”?

    Sicherlich ist es richtig die Kulturpolitik des Faschismus anders als nur ablehnend zu interpretieren. Da gab es auch zukunftsweisende Aspekte, in der Kunst und in der Architektur. Aber es ist doch wohl ein schlechter Scherz Bauten des Faschismus zu restaurieren während Hunderte von historischen Gebäuden der Renaissance und des Barock verfallen.

    Für Sabaudias Bürgermeister Salvatore Schintu ist die Rund-um-Restaurierung der Duce-Stadt eine, wie er sagt, "Herzensangelegenheit”. Nicht nur weil Schintu einst ein glühender Neofaschist war und auch noch heute, als geläuteter Rechter und Mitglied der demokratischen Partei Alleanza Nazionale AN, in manchen Momenten den "guten alten Zeiten” nachtrauert. Auch die Tatsache, dass Sabaudia von vielen Kunstexperten als bestes Beispiel der sogenannten "rationalen Architektur” Italiens gewürdigt wird, soll gewinnbringend genutzt werden. So wurde zunächst entschieden, das größte Reliefbild Sabaudias von den Zeichen der Zeit zu befreien. Es befindet sich, gut sichtbar, an der Fassade des Rathauses. Das Relief zeigt eine heroische Darstellung von Kriegern mit Liktorenbündeln, den traditionellen Machtsymbolen der Faschisten. Das Werk, es trägt den bezeichnenden Titel "Der Sieg marschiert”, stammt von Francesco Nagni aus dem Jahr 1934. Massimiliano Fuksas:

    Nun, das war damals die Art und Weise eine neue Zukunft heraufzubeschwören. Wenn wir aber die Architektur von Sabaudia von diesen faschistischen Attributen befreien und uns die architektonische Substanz anschauen, dann ist diese wirklich schützenswert. Das heisst, es ist eine gute Entscheidung den Innenstadtkern zu restaurieren. Auch wenn das manchen Leute Probleme machen wird.


    Link: mehr ...

    1180.html