Archiv


Fass ohne Boden

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat sieben Milliarden Euro für ein hochgradig umstrittenes Computerprojekt der Bundeswehr genehmigt. Herkules heißt es. Der Fachjournalist Peter Welchering erklärt es im Gespräch mit Manfred Kloiber.

Moderation: Manfred Kloiber. |
    Manfred Kloiber: Herr Welchering, was ist Herkules eigentlich?

    Peter Welchering: Herkules wurde 1999, also vor sieben Jahren bereits, beschlossen und sollte ursprünglich so eine Art Integrationsrahmen für zwei wichtige Vernetzungsprojekte der Bundeswehr sein, nämlich das Kintop-Projekt, das heißt im Langtext Interoperabilität der Krisenreaktionskräfte, und das Führungsinformationssystem der Bundeswehr. Dafür sollten 250 unterschiedliche Softwarepakte an über 500 Standorten der Bundeswehr auf SAP umgestellt werden. Und das hat eben überhaupt nicht funktioniert. Damit begann eine regelrechte Leidensgeschichte für dieses Herkules-Projekt, das dann immer mal wieder tot gesagt wurde und mehrfach wieder auferstand. Jetzt mit den bewilligten sieben Milliarden Euro ist es erst einmal wieder auferstanden. Die Siemens-Tochter SBS und die IBM werden für diese sieben Milliarden 140.000 IT-Arbeitsplätze, 300.000 Festnetztelefone mit eigener Infrastruktur und mehr als 15.000 Mobilfunknetzanschlüsse und Bündelfunkgeräte in ein System integrieren. Mit Herkules wird somit eine eigenständige Gesellschaft gegründet, die die informationstechnische und die Telekommunikationsinfrastruktur der Bundeswehr übernehmen soll. Daran wird die Bundesrepublik mit 49,9 Prozent beteiligt sein, die Industriepartner IBM und Siemens SBS mit 50,1 Prozent.

    Kloiber: Ist das ursprüngliche Herkules-Ziel, eine einheitliche IT-Infrastruktur für die Bundeswehr zu schaffen, denn überhaupt noch machbar und politisch gewollt?

    Welchering: Hört man sich die Zusicherungen auch der politischen Leitungsebene der Hardthöhe an, dann ist es politisch gewollt. Unternehmenspolitisch umgesetzt, wenn man im Falle der Bundeswehr von einer Unternehmenspolitik reden darf, unternehmenspolitisch umgesetzt wurde es nie, sieben Jahre lang nicht. Und auch deshalb haben die in dieser Zeit im Boot sitzenden Konsortialpartner eben mit massiven Schwierigkeiten gekämpft. Und deshalb kam es immer wieder zu Ausstiegen, CSC Ploenzke zum Beispiel, T-Systems, die EADS, Anderson Consulting, MCI Worldcom, Debis. Von den 40 Firmen, die 1999 den Rahmenvertrag "Investition, Innovation und Wirtschaftlichkeit" mit dem damaligen Bundesverteidigungsminister Scharping unterschrieben haben, sind eben 38 nicht mehr an Bord. Die bisherigen Entwicklungsergebnisse sind mehr als mager. Und es steckt schon relativ viel Steuergeld in Herkules. Deshalb war der Druck auf die Mitglieder im Verteidigungsausschuss am Mittwoch und auf die Haushälter am Donnerstag dieser Woche auch immens groß, das Projekt jetzt ohne Rücksicht auf weitere Verluste, und das könnten im Ernstfall immerhin sieben Milliarden Euro sein, durchzuziehen.

    Kloiber: Die SAP-Einführung war ja ein auslösendes Element für Herkules. Inzwischen ist SAP in der Bundeswehr eingeführt. Wo gibt es da noch einen Ansatzpunkt für Herkules?

    Welchering: SAP ist in einigen Bereichen erfolgreich in der Bundeswehr eingeführt, längst noch nicht flächendeckend, wie beabsichtigt. Herkules ist erstens ein Privatisierungsprojekt, und zweitens soll es nach wie vor für die Vielzahl der IT-Projekte in der Bundeswehr eine Art Integrationsrahmen bilden. Gerhard van der Giet, der IT-Chef der Hardthöhe und damit auch der ITler der Bundeswehr hat das vor einiger Zeit so zusammengefasst:

    "Die Infrastruktur für die Lagesysteme, die Bündelfunk- und Mobilsysteme, die Geoinformationssysteme und die Satellitenüberwachungssysteme ab 2008, das soll jetzt mit Herkules als einheitliche Infrastruktur aufgebaut werden. Deshalb ist im April dieses Jahres das Vorgehensmodell für alle IT-Projekte der Bundeswehr verbindlich eingeführt worden. Deshalb ist als Vernetzungsgrundlage Version 6 des Internet-Protokolls verabschiedet worden. Das sind zwei wichtige Voraussetzungen, damit Herkules überhaupt als Integrationsrahmen realisiert werden kann."

    Kloiber: Es gab deutliche Kritik an den sieben Milliarden für die auszugründende Gesellschaft. Würde man das bundeswehrintern preiswerter hinbekommen?

    Welchering: Da ist immer die Frage, welche Kosten man generell in Rechnung stellt. Eine Milliarde der sieben Milliarden Euro, die jetzt für Herkules genehmigt wurden, werden dafür verwendet werden, so genannte Altlasten, Herkules gibt es ja als Projekt seit 1999, zu beseitigen. Würde man Herkules bundeswehrintern weiterführen, wie man es ja immer dann gemacht hat, wenn Herkules gerade mal wieder in den Scheintod gefallen ist, in den vergangenen sieben Jahren, dann könnte man diese Milliarde optisch einsparen. Aber das wäre eben nur Optik, Augenwischerei. Denn dann würde diese Milliarde aufgeteilt auf viele 100 einzelne Kostenstellen, eben nur anders verbucht werden. Das Problem ist, dass es auf der politischen Ebene zu keiner Zeit eine nachhaltige Entscheidung für Herkules gegeben hat. Die gab es auch in dieser Woche nicht. Es gab sieben Milliarden Euro, aber eben keine nachhaltige Entscheidung alle bundeswehrinternen Systeme auf SAP und auf ein einziges Modell umzustellen. Also SAP quasi als Unternehmenssteuerung für die Bundeswehr. Diese Entscheidung steht noch aus.