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Fassadendämmung
Polysterol kein wesentliches Brandrisiko

Bei der Brandkatastrophe im Grenfell-Tower in London kamen 80 Menschen ums Leben. Ursache war eine unzulässige Aluminiumverkleidung der Fassade. Obwohl Styropor keine Rolle spielte, fragten sich danach viele, wie gefährlich die als Hausdämmung verbreiteten Polystyrolplatten im Brandfall sein könnten.

Von Tonia Koch | 28.09.2017
    Ein Haus aus den 1930er-Jahren wird am 09.11.2016 in Berlin mit Styroporplatten auf der Außenwand gedämmt.
    Ein Haus aus den 1930er-Jahren wird mit Styroporplatten auf der Außenwand gedämmt. (picture-alliance / dpa / Sebastian Gollnow)
    "Aus brandschutztechnischer Sicht bleibt die Hauptaussage: Nicht brennbar ist besser als brennbar, das ist ganz einfach", sagt Olaf Riese, Experte für Brandschutz an der Technischen Universität Braunschweig.
    Zugelassen für die Dämmung eines Hauses sind jedoch beide Varianten: brennbare wie nicht brennbare Materialien.
    Nachwachsende Rohstoffe wie Holz, Hanf, Schilf oder Schafwolle sind brennbar, ebenso das synthetisch, auf Erdölbasis hergestellte Polystyrol. Es gelangt in Form von Styropor-Platten und in Wärmedämmverbundsystemen in den Handel.
    Glas- oder Steinwolle ist nicht brennbar, aber teurer
    Zu den wenigen nicht brennbaren Dämmstoffen zählen Glas- oder Steinwolle. An den Fassaden von Gebäuden, die höher sind als 22 Meter, dürfen brennbare Dämmstoffe in Deutschland allerdings nicht angebracht werden. Das schreiben im Rahmen des vorbeugenden Brandschutzes die Landesbauordnungen vor. Für niedrigere Gebäuden sind sie jedoch erlaubt, Olaf Riese.
    "In Häusern geringer Höhe, also in Einfamilienhäusern ist es im Normalfall so, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Personen, die sich in den Gebäuden befinden, ausreichend Zeit haben, aus dem Gebäude im Brandfall auch herauszukommen."
    Zu den bevorzugten Dämmstoffen in Deutschland zählen Mineralwolle und Polystyrol, sie kommen auf einen Marktanteil um die 85 Prozent. Am kostengünstigsten ist nach wie vor Polystyrol.
    "Der Preisunterschied zwischen einer mineralischen Dämmung und einer reinen Polystyrol-Dämmung beträgt ungefähr zehn Prozent."
    Reinhard Schneeweiß ist Architekt, er berät im Auftrag der Verbraucherzentrale des Saarlandes Bauwillige, wie sie richtig dämmen. Beide Materialien erfüllten ihren Zweck, sagt Schneeweiß. Aber Verbrauchern, die im Hinblick auf den Brandschutz auf Nummer sicher gehen wollten, empfiehlt auch er Mineralwolle. Sie weise neben dem Brandschutz auch andere Vorteile auf.
    "Weil sie zum Beispiel Verbesserungen des Schallschutzes haben kann, weil sie atmungsaktiver ist und auch in der Herstellung nicht ganz so energetisch aufwendig. Aber, es gibt Dinge, die aus Sicht des Verbrauchers dagegen sprechen, das sind die höheren Kosten - und das muss man gegeneinander abwägen."
    Brandgefahr bei Polysterol verringern
    Wer bei der Dämmung seines Hauses auf Polystyrol nicht verzichten möchte, sollte sogenannte Brandriegel aus Mineralwolle einbauen, um im Brandfall ein Übergreifen der Flammen zu verhindern. Bei Gebäuden, die höher sind als sieben Meter, sind solche Sperren seit vergangenem Jahr Pflicht. Aber auch darunter seien sie empfehlenswert, sagt Schneeweiß.
    "Es ist nicht bauaufsichtlich gefordert, aber in den Brandschutzempfehlungen ist das so drin, sodass es den Regeln der Technik entspricht, dass man entweder Brandriegel alle so und so viele Geschosse, beziehungsweise über die Fenster entsprechende Brandstürze aus Mineralwolle ergänzt, das gehört inzwischen zum Stand der Technik."
    Allerdings müssten die Bauherren, die sich für Polystyrol entscheiden, darauf achten, dass die damit gedämmte Fassade dauerhaft intakt bleibt, darauf verweist Brandschutzexperte Olaf Riese von der Braunschweiger Uni.
    "Probleme entstehen, wenn die oberste Schicht, die Putzschicht an dem Gebäude an irgendeiner Stelle verletzt ist. Das könnte im Sockelbereich sein, dass da aufgrund von Fahrrädern oder anderen Gegenständen Löcher in die Wand gekommen sind. Das kann auch aufgrund von Alterungsverhalten durchaus denkbar sein."
    Solche Verletzungen, so Riese, beeinträchtigten den Brandschutz.

    Anmerkung der Redaktion: Überschrift und Vorspann des Beitrags wurden umformuliert: Beim Brand in London war die Aluminiumverkleidung Ursache für das Ausmaß der Katastrophe, aber nicht eine Polystyrol-Dämmung, wie zunächst im Vorspann nahegelegt. (29.9.2017)