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(Fast) alles außer Anerkennung

Seit zwei Jahren moderiert die EU einen Dialog zwischen Belgrad und Pristina. Seither ist einiges in Bewegung gekommen, selbst nach dem Wahlsieg der einstigen Milosevic-Anhänger in Serbien. Der Norden des Kosovo wird jedoch bis auf Weiteres ein Zankapfel bleiben.

Von Stephan Ozsváth | 17.01.2013
    Die Schlüsselfrage bleibt der Status des Nordkosovo
    Die Schlüsselfrage bleibt der Status des Nordkosovo (picture alliance / dpa EPA/VALDRIN XHEMAJ)
    Vor Weihnachten errichten albanische Ex-Rebellen im südserbischen Presevo-Tal ein Denkmal für die vor zwölf Jahren gefallenen Kameraden. Die Albaner weigern sich, das Denkmal bis zum 17. Januar abzubauen. Belgrad hatte dieses Ultimatum gestellt. Kosovos Premier Thaci reist demonstrativ ins Presevo-Tal. Zufall? Am Tag, als das Ultimatum endet, treffen sich die Premiers von Kosovo und Serbien wieder in Brüssel. Jelko Kacin, Berichterstatter des Europaparlaments für Serbien warnt.

    "Das Denkmal kann und darf keine Ausrede für die Einstellung des Dialogs sein, denn beide Seiten haben großes politisches Kapital investiert. In diesem Augenblick ist es nicht nötig, darüber zu diskutieren, das Problem wurde über alle Maße aufgeblasen. Man sollte den Ball einfach flach halten, eine Lösung finden und sich auf das Wesentliche konzentrieren."

    Doch von beiden Seiten kommt weiter Störfeuer. Da protestieren serbische Geschäftsleute im Norden des Kosovo gegen die gemeinsamen Grenzkontrollen. Und drohen mit erneuten Blockaden, wie schon vor anderthalb Jahren. Da werden auf dem serbisch-orthodoxen Friedhof in Kosovo Polje 56 Gräber verwüstet. Die Begleitmusik zum Treffen Dacic – Thaci in Brüssel. Serbiens Premier Ivica Dacic selbst schlägt versöhnliche Töne an.

    "Sie können über die EU Druck auf uns ausüben, wir lassen sie dafür nicht in die UN. Und dann? Streiten wir jetzt 30 Jahre lang? Das wollen wir nicht. Wir sind zu einer umfassenden Vereinbarung bereit. Aber wenn man das nicht will, kann man auch über die UN-Mitgliedschaft nicht reden."

    UN-Sitz für Kosovo – Ja. Kosovo als Staat anerkennen, Nein. Das hat Belgrad kategorisch ausgeschlossen. Das Parlament in Belgrad nahm am vergangenen Sonntag eine Resolution an über die "europäische Zukunft Serbiens und der Region". Alle bislang mit Pristina erreichten Abkommen wurden abgesegnet. Die Anerkennung Kosovos schloss das Parlament jedoch kategorisch aus. Das ist jedoch die Bedingung für einen EU-Beitritt. Eine Zwickmühle für Serbien. Was will Belgrad nun noch im Kosovo? Der ehemalige serbische Botschafter in Deutschland, Ognjen Pribicevic, sagt dazu:

    "Die Schlüsselfragen sind der Status des Nordens und die dortigen Institutionen. Ich glaube, dass man diese Fragen jetzt ernsthaft beginnt zu lösen."

    Bislang finanziert Belgrad mit vielen Millionen Euro serbische Strukturen dort: Krankenhäuser, Sicherheitskräfte, Schulen. Die Regierung in Pristina sagt: Die müssen weg. Das ist Kosovo. Serbien sagt: Das ist Serbien. Verschiedene Vorschläge für den Norden des Kosovo standen schon im Raum: Gebietstausch: Presevo-Tal – albanisch besiedelt – gegen Nord-Kosovo – serbisch besiedelt. Abspaltung des Nordens. Oder Autonomie für den Norden – zur Not auch gemeinsam mit Pristina verwaltet. Autonomie gilt in Belgrad als das, was maximal in den Verhandlungen herausgeholt werden kann. Doch Pristina sagt bisher kategorisch Nein. Präsidentin Atifete Jahjaga sagt.

    "Wir werden innere Angelegenheiten mit niemand diskutieren. Aber den Dialog fortsetzen. Sprechen müssen wir über die serbischen Parallel-Strukturen – die von Serbien gewollt und finanziert sind."

    Der Norden des Kosovo wird bis auf Weiteres ein Zankapfel bleiben. Aber im Alltag der Menschen hat sich durch den Dialog zwischen Belgrad und Pristina, der seit zwei Jahren von Brüssel moderiert wird, viel zum Positiven verändert. Der Grund: In Belgrad weht ein anderer Wind als zunächst erwartet, Dort regieren zwar ehemalige Milosevic-Parteigänger. Aber der kosovarische Innenminister Bajram Rexhepi kommt zu dem Schluss.

    "Jetzt gibt es zwar eine etwas nationalistischere Regierung. Aber sie zeigt einen gewissen Pragmatismus. Dacic hat in Brüssel versprochen, alle Abkommen zu erfüllen, den Dialog weiter zu führen. Es sieht vielversprechend aus. Aber wir brauchen Fakten, nicht Versprechen."

    Die Fakten: Beide Seiten haben in den jeweiligen Hauptstädten Verbindungsbüros eingerichtet. Belgrad akzeptiert mittlerweile kosovarische Führerscheine, Personalausweise und Universitätsdiplome. Kosovo-Bürger dürfen nun auch mit dem Auto und entsprechenden Kennzeichen die Grenze passieren. Einige Grenzposten werden gemeinsam kontrolliert. Und die serbischen Behörden haben das Geburtenregister an die europäische Rechtsstaatsmission EULEX gegeben. Telefonnetze und Energie-Versorgung, außerdem Grundbücher stehen in diesem Jahr auf der Agenda. Nur eins verweigert Serbien bisher: die Anerkennung des Staates Kosovo – und alles, was damit zusammenhängt: Nämlich Kosovo-Pässe und Zölle.