Uli Blumenthal: 1951 fand im malerischen Städtchen Lindau zum ersten Mal eine Tagung statt, die Wissenschaftsgeschichte schreiben sollte. Um die nach dem Krieg international isolierten deutschen Forscher auf den neuesten Stand der Wissenschaft zu bringen, regten zwei Lindauer Ärzte an, Nobelpreisträger zu einer Konferenz einzuladen. Der dem schwedischen Königshaus nahestehende und entstammende Graf Bernadotte von der Insel Mainau fand diese Idee unterstützenswert, ließ seine Verbindungen zum Nobelkomitee in Stockholm spielen und siehe da: das entsandte sieben Medizinnobelpreisträger für eine Woche nach Lindau. Es war der Startschuss für eine jährliche Tagung kluger Köpfe in diesem Jahr.
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Bei rund 700 Teilnehmern 2010, Herr Krauter in Lindau am Bodensee, woran erkennt man da überhaupt die Nobelpreisträger? Hoffentlich nicht nur am Alter.
Ralf Krauter: Das ist gar nicht schwierig, Herr Blumenthal. Ungefähr 60 Nobelpreisträger sind hier, also fast jeder Zehnte ist einer. Man erkennt sie daran, dass die alle ständig blau sind. Also nicht wegen der lokalen Weine, die man hier verkosten kann, die auch ganz gut sind, sondern es gibt eine Farbkodierung, jeder hat ein Batch umgehängt bekommen, um hier Zugang zur Konferenzhalle zu bekommen. Und die Nobelpreisträger sind an diesen blauen Batches ganz leicht zu erkennen. Hier wo wir gerade stehen, im Foyer, läuft im Prinzip im Fünf-Minuten-Takt einer vorbei, den man etwas fragen könnte, wenn man will. Alter ist nicht mehr das große Problem. Das Kriterium, die zu erkennen, war früher so, das wurde ja mal belächelt. Die ganze Veranstaltung hier hat sich dramatisch verjüngt und gleich zum Auftakt ist man auch besonders stolz, dass man dieses Jahr zwei ganz frisch gebackene Nobelpreisträger hier hatte, zwei Preisträger aus dem Jahr 2009. Ada Yonath nämlich, die Chemie-Nobelpreisträgerin vom Weizmann Institute und Jack Szostak, der den Medizin-Nobelpreis bekommen hat.
Blumenthal: Im 60 Jahr, im Jubiläumsjahr, wie man gerne sagt, kann man auch nach dem Ziel und dem Sinn dieser Veranstaltung fragen. Wie würden Sie es einschätzen?
Krauter: Ursprüngliches Ziel war es, den Anschluss an die internationale Wissenschaft für die Deutschen wiederzufinden und das trägt natürlich nicht beliebig lange. Deutschland ist wieder in der Wissenschaftswelt angekommen. Es gab deswegen auch für diese Veranstaltung ein bisschen ein Konzept, ein Rechtfertigungsproblem, eine Durststrecke in den 90er-Jahren. Die hat man jetzt überwunden. Im Jahr 2000 gab es neue Organisationen, neue Sponsoren, neuen Wind. Das Treffen hat sich stark internationalisiert. Die Vertreter stammen hier aus fast 70 Ländern. Es hat sich auch alles deutlich verjüngt, wie schon erwähnt, und das zieht. Insgesamt haben sich also fast 40.000 junge Nachwuchsforscher für die Teilnahme hier beworben. Nur 690 wurden akzeptiert. Da wurde also extrem gesiebt. Und neue Ziele hat man natürlich auch definiert im Zuge dieses Relaunches im Jahr 2000. Bildung, Inspiration, Vernetzung – das sind so die Schlagworte, die diese Tagung hier prägen sollen.
Blumenthal: Lassen Sie uns eins davon rausgreifen und ein bisschen abklopfen: Stichwort Bildung: Wie gut klappt das in Lindau?
Krauter: Sehr gut. Die Tagung ist dieses Jahr interdisziplinär. Es sind also Preisträger, Laureaten aus Physik, Chemie und Medizin hier und auch die entsprechenden Forscher. Die Vorträge, die ich gehört habe, sind extrem allgemeinverständlich, besser als auf jeder anderen Fachtagung, die ich besucht habe. Heute früh zum Beispiel Ada Yonath, die schon erwähnte Chemie-Nobelpreisträgerin, eine ältere Dame um die 60, graues Haar, aber quirlig, hielt einen total einfach verständlichen Vortrag mit Auszügen aus Kinderbüchern "The amazing ribosome" – es ging um diese Proteinfabriken in den Zellen, deren Struktur sie half mit aufzuklären. War alles prima verständlich und in der Kaffeepause danach konnte ich dann auch hören, wie andere, die eben nicht Biologie studiert hatten, sagten: Mensch, prima. Habe ich alles verstanden, war wirklich Klasse. Also Bildung auf hohem Niveau, aber prima verständlich serviert.
Blumenthal: Das Entscheidende, so sagen ja die Veranstalter gerade in diesem 60. Jahr, wo der Deutschlandfunk, wo die Wissenschaft und die Bildung Medienpartner dieser Veranstaltung sind, das Entscheidende ist der Geist von Lindau. Was ist da in diesem Jahr besonders zu spüren und was werden wir in den nächsten Tagen von Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen dort im Studio hören.
Krauter: Das Ziel ist natürlich, Nobelpreisträger zum Anfassen zu bieten. Also die jungen Forscher sind hier, um ihre Idole hautnah zu erleben und wichtig ist eben, dass hier dieser Kontakt auch wirklich zustande kommt. Wie ich das bisher mitbekommen habe, ist die Atmosphäre wirklich so locker, dass Nobelpreisträger und Jungforscher ins Gespräch kommen. Das ist das Erfolgsmodell von Lindau und das war auch in der Vergangenheit schon so. So hat mir das die Schirmherrin der Tagung, Gräfin Bettina Bernadotte, kurz erklärt.
"Was mich immer wieder begeistert ist, wenn ich Begegnungen sehe zwischen Preisträgern und jungen Leuten, zum Beispiel hier nach einer Diskussion kommen drei Studenten auf einen Preisträger zu und sagen: Wir bewundern Sie so. Und diese eine Frage hat uns so beschäftigt, die haben wir jetzt gerade in der Studentendiskussion gehört, wir würden da gerne noch mit Ihnen drüber sprechen. Und der Preisträger guckt sich um, weiß, er wird jetzt eigentlich erwartet und soll gehen, weil er ja auch weitere Termine hat, sagt dann: Ach was, wir gehen jetzt zusammen ein Bier trinken. Und dann laufen die in die Stadt, setzen sich irgendwo in einen Biergarten und unterhalten sich einfach – das ist das Wichtige auch hier an diesen Tagen."
Krauter: Es ist wirklich alles darauf angelegt, dieses Eis zwischen den Idolen und ihren Bewunderern zu brechen. Man trifft sich bei Diskussionsrunden am Kaffeetisch, in der Schlange beim Mittagessen und bei geselligen Abendveranstaltungen. Heute Abend zum Beispiel wird hier die obligatorische Polonaise aller Konferenzteilnehmer getanzt.
Blumenthal: Davon hören wir dann vielleicht morgen. Ralf Krauter vom 60. Nobelpreisträgertreffen in Lindau am Bodensee. "Forschung aktuell" berichtet die ganze Woche von dort.
Weiteres zum Nobelpreisträgertreffen in Lindau unter www.dradio.de/nobelpreistreffen
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Bei rund 700 Teilnehmern 2010, Herr Krauter in Lindau am Bodensee, woran erkennt man da überhaupt die Nobelpreisträger? Hoffentlich nicht nur am Alter.
Ralf Krauter: Das ist gar nicht schwierig, Herr Blumenthal. Ungefähr 60 Nobelpreisträger sind hier, also fast jeder Zehnte ist einer. Man erkennt sie daran, dass die alle ständig blau sind. Also nicht wegen der lokalen Weine, die man hier verkosten kann, die auch ganz gut sind, sondern es gibt eine Farbkodierung, jeder hat ein Batch umgehängt bekommen, um hier Zugang zur Konferenzhalle zu bekommen. Und die Nobelpreisträger sind an diesen blauen Batches ganz leicht zu erkennen. Hier wo wir gerade stehen, im Foyer, läuft im Prinzip im Fünf-Minuten-Takt einer vorbei, den man etwas fragen könnte, wenn man will. Alter ist nicht mehr das große Problem. Das Kriterium, die zu erkennen, war früher so, das wurde ja mal belächelt. Die ganze Veranstaltung hier hat sich dramatisch verjüngt und gleich zum Auftakt ist man auch besonders stolz, dass man dieses Jahr zwei ganz frisch gebackene Nobelpreisträger hier hatte, zwei Preisträger aus dem Jahr 2009. Ada Yonath nämlich, die Chemie-Nobelpreisträgerin vom Weizmann Institute und Jack Szostak, der den Medizin-Nobelpreis bekommen hat.
Blumenthal: Im 60 Jahr, im Jubiläumsjahr, wie man gerne sagt, kann man auch nach dem Ziel und dem Sinn dieser Veranstaltung fragen. Wie würden Sie es einschätzen?
Krauter: Ursprüngliches Ziel war es, den Anschluss an die internationale Wissenschaft für die Deutschen wiederzufinden und das trägt natürlich nicht beliebig lange. Deutschland ist wieder in der Wissenschaftswelt angekommen. Es gab deswegen auch für diese Veranstaltung ein bisschen ein Konzept, ein Rechtfertigungsproblem, eine Durststrecke in den 90er-Jahren. Die hat man jetzt überwunden. Im Jahr 2000 gab es neue Organisationen, neue Sponsoren, neuen Wind. Das Treffen hat sich stark internationalisiert. Die Vertreter stammen hier aus fast 70 Ländern. Es hat sich auch alles deutlich verjüngt, wie schon erwähnt, und das zieht. Insgesamt haben sich also fast 40.000 junge Nachwuchsforscher für die Teilnahme hier beworben. Nur 690 wurden akzeptiert. Da wurde also extrem gesiebt. Und neue Ziele hat man natürlich auch definiert im Zuge dieses Relaunches im Jahr 2000. Bildung, Inspiration, Vernetzung – das sind so die Schlagworte, die diese Tagung hier prägen sollen.
Blumenthal: Lassen Sie uns eins davon rausgreifen und ein bisschen abklopfen: Stichwort Bildung: Wie gut klappt das in Lindau?
Krauter: Sehr gut. Die Tagung ist dieses Jahr interdisziplinär. Es sind also Preisträger, Laureaten aus Physik, Chemie und Medizin hier und auch die entsprechenden Forscher. Die Vorträge, die ich gehört habe, sind extrem allgemeinverständlich, besser als auf jeder anderen Fachtagung, die ich besucht habe. Heute früh zum Beispiel Ada Yonath, die schon erwähnte Chemie-Nobelpreisträgerin, eine ältere Dame um die 60, graues Haar, aber quirlig, hielt einen total einfach verständlichen Vortrag mit Auszügen aus Kinderbüchern "The amazing ribosome" – es ging um diese Proteinfabriken in den Zellen, deren Struktur sie half mit aufzuklären. War alles prima verständlich und in der Kaffeepause danach konnte ich dann auch hören, wie andere, die eben nicht Biologie studiert hatten, sagten: Mensch, prima. Habe ich alles verstanden, war wirklich Klasse. Also Bildung auf hohem Niveau, aber prima verständlich serviert.
Blumenthal: Das Entscheidende, so sagen ja die Veranstalter gerade in diesem 60. Jahr, wo der Deutschlandfunk, wo die Wissenschaft und die Bildung Medienpartner dieser Veranstaltung sind, das Entscheidende ist der Geist von Lindau. Was ist da in diesem Jahr besonders zu spüren und was werden wir in den nächsten Tagen von Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen dort im Studio hören.
Krauter: Das Ziel ist natürlich, Nobelpreisträger zum Anfassen zu bieten. Also die jungen Forscher sind hier, um ihre Idole hautnah zu erleben und wichtig ist eben, dass hier dieser Kontakt auch wirklich zustande kommt. Wie ich das bisher mitbekommen habe, ist die Atmosphäre wirklich so locker, dass Nobelpreisträger und Jungforscher ins Gespräch kommen. Das ist das Erfolgsmodell von Lindau und das war auch in der Vergangenheit schon so. So hat mir das die Schirmherrin der Tagung, Gräfin Bettina Bernadotte, kurz erklärt.
"Was mich immer wieder begeistert ist, wenn ich Begegnungen sehe zwischen Preisträgern und jungen Leuten, zum Beispiel hier nach einer Diskussion kommen drei Studenten auf einen Preisträger zu und sagen: Wir bewundern Sie so. Und diese eine Frage hat uns so beschäftigt, die haben wir jetzt gerade in der Studentendiskussion gehört, wir würden da gerne noch mit Ihnen drüber sprechen. Und der Preisträger guckt sich um, weiß, er wird jetzt eigentlich erwartet und soll gehen, weil er ja auch weitere Termine hat, sagt dann: Ach was, wir gehen jetzt zusammen ein Bier trinken. Und dann laufen die in die Stadt, setzen sich irgendwo in einen Biergarten und unterhalten sich einfach – das ist das Wichtige auch hier an diesen Tagen."
Krauter: Es ist wirklich alles darauf angelegt, dieses Eis zwischen den Idolen und ihren Bewunderern zu brechen. Man trifft sich bei Diskussionsrunden am Kaffeetisch, in der Schlange beim Mittagessen und bei geselligen Abendveranstaltungen. Heute Abend zum Beispiel wird hier die obligatorische Polonaise aller Konferenzteilnehmer getanzt.
Blumenthal: Davon hören wir dann vielleicht morgen. Ralf Krauter vom 60. Nobelpreisträgertreffen in Lindau am Bodensee. "Forschung aktuell" berichtet die ganze Woche von dort.
Weiteres zum Nobelpreisträgertreffen in Lindau unter www.dradio.de/nobelpreistreffen