Essener Innenstadt, der Weihnachtsmarkt. Und da wo vor 1200 Jahren die Burg von Karl Martell, dem Großvater von Karl dem Großen stand, da dreht sich heute hier auf diesem Weihnachtsmarkt ein Riesenrad. Und dieses Riesenrad steht etwas höher als das Essener Münster. Und das Münster war vormals die Stiftskirche des Reichs- und Frauenstiftes Essen. Und während wir nun ein paar Treppenstufen zur Stiftskirche und zur Domschatzkammer hinabsteigen … ich habe ein Buch "Glanzzeit des Essener Frauenstifts" dabei. Und auf Seite 25 sind die Besitzungen, die verstreuten Immobilien, die Dörfer und Einzelgehöfte des Stiftes eingezeichnet. Es sollen bis zu 3000 gewesen sein. 3000, die ihren "Zehnten" an das Stift nach Essen abführen müssen. Wir lesen zusammengefasst:
"Was damals an Grundbesitz der Stifter (u.a. Kaiser Otto I.), was als Einstand und Mitgift der adeligen Stiftsfrauen hier zusammen kam, ist bestimmt zum standesgemäßen Unterhalt von bis zu 25 Stiftsdamen und etwa 12 Geistlichen, die den Frauen die Leviten und die Messe lesen und ihnen die Beichte abnehmen."
Wohlgemerkt, ein Damenstift war kein Kloster, mit Demut, Armut und Keuschheit. Mathilde und ihr adeliges Frauenstift unterstehen in weltlichen Dingen direkt dem Kaiser, in geistlichen Fragen direkt dem Papst. Keinesfalls dem mächtigen Erzbischof von Köln. Und man darf davon ausgehen, dass die Essener Äbtissin Mathilde zu fast allen kaiserlichen Hoftagen und Krönungen geladen wird. Sie gehört dazu und muss sich machtpolitisch repräsentabel sehen lassen.
Wir sind unten in der Domschatzkammer, wo derzeit eine Ausstellung um diese Kaiserenkelin und Äbtissin Mathilde die vergoldeten Glanzzeiten dieses Frauenstiftes andeuten und wir sehen ein pompöses Schwert. Dr. Birgitta Falk, Leiterin der Schatzkammer und der Ausstellung:
"In der Vitrine sehen wir das sogenannte Essener Schwert, es ist über und über mit Gold überzogen. Da drinnen steckt ein echtes Kampfschwert, in Damaszener Stahltechnik geschmiedet. Wir können das genau datieren, auf die Zeit 960. Und da gibt es auch Schleifspuren drauf, auf dem Schwert. Und die Schwertspezialisten haben festgestellt, dass mit dem Schwert wirklich gekämpft wurde. Es ist mehrfach nachgeschliffen und das ist in einer Schlacht benutzt worden. Dann wird das anscheinend nach Essen gegeben. Mathilde lässt in der Essener Goldschmiedewerkstatt eben das Schwert mit Gold und Filigran und Edelsteinen und Emaille verkleiden. Als ob es etwas ganz, ganz Kostbares wäre. Weil man so wenig über das Schwert selbst weiß, außer seiner Datierung und Lokalisierung, gibt es natürlich ganz viele Theorien. Und eine besagt, dass das das Schwert Otto I. gewesen sein könnte, das er bei der berühmten Schlacht auf dem Lechfeld 955 geführt hat. Und dass er das dann später zur Aufbewahrung eben nach Essen geschenkt hatte."
Nehmen wir zwei Aussagen mit, dieses damals kleine Essen, kaum mehr als 1000, vielleicht 1500 Seelen, einschließlich des Damenstiftes, leistet sich eine Goldschmiedewerkstatt. Zweitens: das Schwert, das Symbol der Macht der Ottonischen Familie. Und auch die Äbtissin Mathilde hat, auch wenn es im Reich oft drunter und drüber geht, einiges dieser Macht der Familie zu vertreten. Gehen wir nur als Beispiel kurz auf jene dramatische Episode ein, als der erst dreijährige König Otto III., drei Jahre alt, nach dem frühen Tod seines Vaters, gerade den Windeln entwachsen schon König ist. Zusammengefasst:
"Der kleine Otto wird unter der Regentschaft seiner Mutter, der Kaiserwitwe Theophanu, gegen alle Ansprüche, Giftmischer und Rivalitäten anderer Fürstenhäuser abgeschirmt und aufgebaut. Bis er als 15-jähriger vollverantwortlich sein Erbe antreten kann."
Und in dieser explosiven Gemengelage ist in diplomatischer Mission die Äbtissin Mathilde von Essen im heutigen Sinne mit vernetzt. Und so stehen wir hier vor einer Urkunde dieses jungen Königs, eben Otto III. Da ist er 13 Jahre jung.
"Hier sind wir im Februar 993. Diese Urkunde ist von Otto III. hier direkt in Essen ausgestellt worden. Das heißt, einer der Beweise dafür, dass Otto III. auch mal in Essen war. Eine seiner vielen Reisen. Und er hat hier seine Cousine Mathilde besucht. Sie war auch seine Taufpatin gewesen. Sie scheinen auch ein gutes Verhältnis gehabt zu haben. Und auch hier werden die Privilegien des Frauenstiftes bestätigt. Wir haben ein sehr schönes großes Siegel, wo Otto als römischer Kaiser dargestellt ist."
Mathilde soll ihre Kinderjahre auch in einem Frauenstift oder Kloster, verbracht haben. Mathilde kommt dann ungefähr als 17-, 18-Jährige nach Essen und wird mit wahrscheinlich 22 hier zur sehr jungen Äbtissin gewählt, wie auch immer das gelaufen sein mag. Und nun stehen wir vor einer Vitrine mit Büchern aus der opulenten Schreibwerkstatt dieses Stiftes. Auch hier mit Blick auf diese handausgemalten Buchstaben, was war ein Frauenstift?
"Es war eine Erziehungsinstitution, in erster Linie für Mädchen aus dem Adel. Aber auch für Jungen. Wir haben Nachweise, dass auch der eine oder andere Junge hier in Essen wohl gelebt hat und erzogen worden ist. Allerdings nicht sehr lange, weil die Jungen dann ja meistens im Alter von sechs, sieben Jahren das Kriegshandwerk lernten. Bis dahin aber, Lesen, Schreiben und Rechnen mitgenommen haben."
Wer waren denn die Ausbilder? Stiftsdamen?
"Die Klöster und die Stifte haben sich ihren Nachwuchs immer selber herange-zogen. So sind Mädchen erzogen worden und ausgebildet, die sie befähigten dann eben auch später als Stiftsfrauen zu agieren. Das heißt, sie haben Latein gelernt, nicht nur einfach Lesen, sondern auch Verstehen und Übersetzen. Sie haben das Chorgebet gelernt, damit sie singen konnten, vernünftig."
Waren hier denn auch Mädchen, die mit 13, 14, weil sie heiraten sollten, weil ganz andere Familienplanungen liefen, hier aus diesem Betrieb wieder rausgeholt wurden?
"Viele von denen sind später verheiratet worden. Und der Ehemann, der sie bekam, hatte eine gebildet Frau. Und die Ehefrau war sicher häufig besser gebildet als er selber. Und sie hatte auch eine ganze Menge von Fähigkeiten, die organisatorischer Art waren."
Und wir ersehen hier aus anderen Schriftstücken eine weitere wichtige Aufgabe einer Stiftsäbtissin. Sie soll das Andenken der verstorbenen Mitglieder der kaiserlichen Stifterfamilie organisieren. Etwas pointiert gesagt, es soll 24 Stunden rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr im Stundengebet für den Seelenfrieden und den Paradiesplatz der hochadeligen Onkel und Tanten auf einer direkten Hotline zum Himmel gebetet werden. Zurück in diese Schatzkammer. Sie ist nicht nur deshalb eine Schatzkammer, weil sie die Glanzzeiten des Essener Frauenstiftes unter Mathilde mit unermesslich kostbaren, beispielsweise Vortragekreuzen, aus Gold und mit Edelsteinen übersäht, zeigt. Schatzkammer heißt auch, die Ausstellung liefert Stichworte zum Machtmonopoly der Ottonischen Kaiser. Nehmen wir nur das dramatische Stichwort Liudolf.
"Mathilde ist die erstgeborene Tochter des ältesten Sohnes von Otto dem Großen, Liudolf, der als designierter Nachfolger des Vaters gilt. Doch Otto der Große soll wankelmütig in seiner Gunst gewesen sein. Der 22-jährige Liudolf fürchtet (nicht unberechtigt) um seine Nachfolge auf den Thron. Er verbündet sich mit anderen verprellten oder aufmüpfigen Fürsten. Es kommt zum offenen Hochverrat gegen den Vater; zu Schlachten und Belagerungen. Am Ende wirft sich Liudolf, um Vergebung und um sein Leben flehend, vor dem mächtigen Vater in den Staub. Otto I. nimmt ihm zwar die Herzogswürde. Sein Leben darf Liudolf, der Vater der fünfjährigen Mathilde behalten."
Otto der Große bestimmt dann seinen jüngeren Sohn, Otto II. zum Nachfolger und Mitkönig. Und wir stehen nun vor einer Urkunde. Darin verfügt Otto I. eine reiche Schenkung an das Stift Essen. Die ermöglicht seiner Enkelin Mathilde, Klammer auf, der Tochter des verlorenen Sohnes Liudolf, den standesgemäßen Eintritt in dieses Frauenstift.
Vielleicht könnte man auch mutmaßen, Mathilde ist damit nicht nur versorgt, sie kann damit den Frevel ihres Vaters Liudolf abbeten. Stellen wir uns beispielsweise zu Weihnachten vor, wie die sicherlich selbstbewusste Äbtissin von Essen mit ihren adeligen Stiftsdamen hier zum Festgottesdienst in ihre Stiftskirche einzieht. Vorangetragen wird das goldene Schwert und das sogenannte goldene Otto-Mathilden-Kreuz.
Und nun sind wir wieder oberhalb, hier in der Essener Innenstadt, in der sogenannten Glühweinschneise, Bratwurstduft. Wie mag Weihnachten vor 1000 Jahren im grauen Schatten des goldenen Glanzes des Frauenstiftes gelaufen sein? Stichwort: Leibeigene, sieben, acht, neun Kinder. Armut. Andrea Wegener:
"Also wir wissen, dass am Heiligen Abend sich die Stiftsfrauen getroffen haben, in der Kirche. Dass ein silberner Schrein auf dem Altar aufgestellt wurde. Und dort brachten die Stiftsfrauen Almosen hin, für die Armen."
Es gab keinen Weihnachtsrummel.
"Also, wenn man auf die Geschenke zu sprechen kommt, gibt es etwas, dass am Weihnachtstag die Äbtissin mit ihrem Kaplan und den Stiftsfrauen auf den Friedhof ging. Und auf dem Friedhof war eine große Waage aufgestellt. Auf diese Waage stellte sich die Äbtissin. Und auf die andere Seite der Waage kamen Fleischkeulen und Brot. Man hat die Äbtissin aufgewogen, gegen diese Nahrungsmittel. Und diese sind nachher an die Armen verteilt worden. Das ist, denke ich, eine weihnachtliche Geste."
"Was damals an Grundbesitz der Stifter (u.a. Kaiser Otto I.), was als Einstand und Mitgift der adeligen Stiftsfrauen hier zusammen kam, ist bestimmt zum standesgemäßen Unterhalt von bis zu 25 Stiftsdamen und etwa 12 Geistlichen, die den Frauen die Leviten und die Messe lesen und ihnen die Beichte abnehmen."
Wohlgemerkt, ein Damenstift war kein Kloster, mit Demut, Armut und Keuschheit. Mathilde und ihr adeliges Frauenstift unterstehen in weltlichen Dingen direkt dem Kaiser, in geistlichen Fragen direkt dem Papst. Keinesfalls dem mächtigen Erzbischof von Köln. Und man darf davon ausgehen, dass die Essener Äbtissin Mathilde zu fast allen kaiserlichen Hoftagen und Krönungen geladen wird. Sie gehört dazu und muss sich machtpolitisch repräsentabel sehen lassen.
Wir sind unten in der Domschatzkammer, wo derzeit eine Ausstellung um diese Kaiserenkelin und Äbtissin Mathilde die vergoldeten Glanzzeiten dieses Frauenstiftes andeuten und wir sehen ein pompöses Schwert. Dr. Birgitta Falk, Leiterin der Schatzkammer und der Ausstellung:
"In der Vitrine sehen wir das sogenannte Essener Schwert, es ist über und über mit Gold überzogen. Da drinnen steckt ein echtes Kampfschwert, in Damaszener Stahltechnik geschmiedet. Wir können das genau datieren, auf die Zeit 960. Und da gibt es auch Schleifspuren drauf, auf dem Schwert. Und die Schwertspezialisten haben festgestellt, dass mit dem Schwert wirklich gekämpft wurde. Es ist mehrfach nachgeschliffen und das ist in einer Schlacht benutzt worden. Dann wird das anscheinend nach Essen gegeben. Mathilde lässt in der Essener Goldschmiedewerkstatt eben das Schwert mit Gold und Filigran und Edelsteinen und Emaille verkleiden. Als ob es etwas ganz, ganz Kostbares wäre. Weil man so wenig über das Schwert selbst weiß, außer seiner Datierung und Lokalisierung, gibt es natürlich ganz viele Theorien. Und eine besagt, dass das das Schwert Otto I. gewesen sein könnte, das er bei der berühmten Schlacht auf dem Lechfeld 955 geführt hat. Und dass er das dann später zur Aufbewahrung eben nach Essen geschenkt hatte."
Nehmen wir zwei Aussagen mit, dieses damals kleine Essen, kaum mehr als 1000, vielleicht 1500 Seelen, einschließlich des Damenstiftes, leistet sich eine Goldschmiedewerkstatt. Zweitens: das Schwert, das Symbol der Macht der Ottonischen Familie. Und auch die Äbtissin Mathilde hat, auch wenn es im Reich oft drunter und drüber geht, einiges dieser Macht der Familie zu vertreten. Gehen wir nur als Beispiel kurz auf jene dramatische Episode ein, als der erst dreijährige König Otto III., drei Jahre alt, nach dem frühen Tod seines Vaters, gerade den Windeln entwachsen schon König ist. Zusammengefasst:
"Der kleine Otto wird unter der Regentschaft seiner Mutter, der Kaiserwitwe Theophanu, gegen alle Ansprüche, Giftmischer und Rivalitäten anderer Fürstenhäuser abgeschirmt und aufgebaut. Bis er als 15-jähriger vollverantwortlich sein Erbe antreten kann."
Und in dieser explosiven Gemengelage ist in diplomatischer Mission die Äbtissin Mathilde von Essen im heutigen Sinne mit vernetzt. Und so stehen wir hier vor einer Urkunde dieses jungen Königs, eben Otto III. Da ist er 13 Jahre jung.
"Hier sind wir im Februar 993. Diese Urkunde ist von Otto III. hier direkt in Essen ausgestellt worden. Das heißt, einer der Beweise dafür, dass Otto III. auch mal in Essen war. Eine seiner vielen Reisen. Und er hat hier seine Cousine Mathilde besucht. Sie war auch seine Taufpatin gewesen. Sie scheinen auch ein gutes Verhältnis gehabt zu haben. Und auch hier werden die Privilegien des Frauenstiftes bestätigt. Wir haben ein sehr schönes großes Siegel, wo Otto als römischer Kaiser dargestellt ist."
Mathilde soll ihre Kinderjahre auch in einem Frauenstift oder Kloster, verbracht haben. Mathilde kommt dann ungefähr als 17-, 18-Jährige nach Essen und wird mit wahrscheinlich 22 hier zur sehr jungen Äbtissin gewählt, wie auch immer das gelaufen sein mag. Und nun stehen wir vor einer Vitrine mit Büchern aus der opulenten Schreibwerkstatt dieses Stiftes. Auch hier mit Blick auf diese handausgemalten Buchstaben, was war ein Frauenstift?
"Es war eine Erziehungsinstitution, in erster Linie für Mädchen aus dem Adel. Aber auch für Jungen. Wir haben Nachweise, dass auch der eine oder andere Junge hier in Essen wohl gelebt hat und erzogen worden ist. Allerdings nicht sehr lange, weil die Jungen dann ja meistens im Alter von sechs, sieben Jahren das Kriegshandwerk lernten. Bis dahin aber, Lesen, Schreiben und Rechnen mitgenommen haben."
Wer waren denn die Ausbilder? Stiftsdamen?
"Die Klöster und die Stifte haben sich ihren Nachwuchs immer selber herange-zogen. So sind Mädchen erzogen worden und ausgebildet, die sie befähigten dann eben auch später als Stiftsfrauen zu agieren. Das heißt, sie haben Latein gelernt, nicht nur einfach Lesen, sondern auch Verstehen und Übersetzen. Sie haben das Chorgebet gelernt, damit sie singen konnten, vernünftig."
Waren hier denn auch Mädchen, die mit 13, 14, weil sie heiraten sollten, weil ganz andere Familienplanungen liefen, hier aus diesem Betrieb wieder rausgeholt wurden?
"Viele von denen sind später verheiratet worden. Und der Ehemann, der sie bekam, hatte eine gebildet Frau. Und die Ehefrau war sicher häufig besser gebildet als er selber. Und sie hatte auch eine ganze Menge von Fähigkeiten, die organisatorischer Art waren."
Und wir ersehen hier aus anderen Schriftstücken eine weitere wichtige Aufgabe einer Stiftsäbtissin. Sie soll das Andenken der verstorbenen Mitglieder der kaiserlichen Stifterfamilie organisieren. Etwas pointiert gesagt, es soll 24 Stunden rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr im Stundengebet für den Seelenfrieden und den Paradiesplatz der hochadeligen Onkel und Tanten auf einer direkten Hotline zum Himmel gebetet werden. Zurück in diese Schatzkammer. Sie ist nicht nur deshalb eine Schatzkammer, weil sie die Glanzzeiten des Essener Frauenstiftes unter Mathilde mit unermesslich kostbaren, beispielsweise Vortragekreuzen, aus Gold und mit Edelsteinen übersäht, zeigt. Schatzkammer heißt auch, die Ausstellung liefert Stichworte zum Machtmonopoly der Ottonischen Kaiser. Nehmen wir nur das dramatische Stichwort Liudolf.
"Mathilde ist die erstgeborene Tochter des ältesten Sohnes von Otto dem Großen, Liudolf, der als designierter Nachfolger des Vaters gilt. Doch Otto der Große soll wankelmütig in seiner Gunst gewesen sein. Der 22-jährige Liudolf fürchtet (nicht unberechtigt) um seine Nachfolge auf den Thron. Er verbündet sich mit anderen verprellten oder aufmüpfigen Fürsten. Es kommt zum offenen Hochverrat gegen den Vater; zu Schlachten und Belagerungen. Am Ende wirft sich Liudolf, um Vergebung und um sein Leben flehend, vor dem mächtigen Vater in den Staub. Otto I. nimmt ihm zwar die Herzogswürde. Sein Leben darf Liudolf, der Vater der fünfjährigen Mathilde behalten."
Otto der Große bestimmt dann seinen jüngeren Sohn, Otto II. zum Nachfolger und Mitkönig. Und wir stehen nun vor einer Urkunde. Darin verfügt Otto I. eine reiche Schenkung an das Stift Essen. Die ermöglicht seiner Enkelin Mathilde, Klammer auf, der Tochter des verlorenen Sohnes Liudolf, den standesgemäßen Eintritt in dieses Frauenstift.
Vielleicht könnte man auch mutmaßen, Mathilde ist damit nicht nur versorgt, sie kann damit den Frevel ihres Vaters Liudolf abbeten. Stellen wir uns beispielsweise zu Weihnachten vor, wie die sicherlich selbstbewusste Äbtissin von Essen mit ihren adeligen Stiftsdamen hier zum Festgottesdienst in ihre Stiftskirche einzieht. Vorangetragen wird das goldene Schwert und das sogenannte goldene Otto-Mathilden-Kreuz.
Und nun sind wir wieder oberhalb, hier in der Essener Innenstadt, in der sogenannten Glühweinschneise, Bratwurstduft. Wie mag Weihnachten vor 1000 Jahren im grauen Schatten des goldenen Glanzes des Frauenstiftes gelaufen sein? Stichwort: Leibeigene, sieben, acht, neun Kinder. Armut. Andrea Wegener:
"Also wir wissen, dass am Heiligen Abend sich die Stiftsfrauen getroffen haben, in der Kirche. Dass ein silberner Schrein auf dem Altar aufgestellt wurde. Und dort brachten die Stiftsfrauen Almosen hin, für die Armen."
Es gab keinen Weihnachtsrummel.
"Also, wenn man auf die Geschenke zu sprechen kommt, gibt es etwas, dass am Weihnachtstag die Äbtissin mit ihrem Kaplan und den Stiftsfrauen auf den Friedhof ging. Und auf dem Friedhof war eine große Waage aufgestellt. Auf diese Waage stellte sich die Äbtissin. Und auf die andere Seite der Waage kamen Fleischkeulen und Brot. Man hat die Äbtissin aufgewogen, gegen diese Nahrungsmittel. Und diese sind nachher an die Armen verteilt worden. Das ist, denke ich, eine weihnachtliche Geste."