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Faszination Snooker-WM
Spannende Duelle, markante Charaktere

Es ist eine Randsportart - und trotzdem schalten zur Snooker-Weltmeisterschaft weltweit 350 Millionen Menschen in 89 Ländern den Fernseher ein. Traditionell dominieren dort Snooker-Spieler aus dem Vereinigten Königreich. Doch auch China macht seit einiger Zeit auf sich aufmerksam - und will den Markt übernehmen.

Von Mathias von Lieben | 23.04.2017
    Ronnie O’Sullivan im Duell gegen Shaun Murphy bei der diesjährigen Snooker-WM.
    Höchste Konzentration: Ronnie O’Sullivan im Duell gegen Shaun Murphy bei der diesjährigen Snooker-WM. (Imago)
    Es ist Snooker-Zeit. Schauplatz: Das Crucible Theatre in der englischen Stadt Sheffield. Seit 1977 finden hier über 17 Tage die Snooker-Weltmeisterschaften statt. In Deutschland zeigt Eurosport jährlich 400 Stunden Snooker live, durchschnittlich 200.000 Menschen haben bisher zugeschaut. Dabei fehlt - wie immer - ein deutscher Profi. Woher also kommen die Zuschauer? Der Bundestrainer der deutschen Snooker-Nationalmannschaft, Thomas Hein, sagt:
    "Aus jeder Ecke kommt da was. Von der 14-jährigen Schülerin bis hin zur 83-Jährigen Groß-Oma, männlich weiblich, da ist alles dabei: 'Die Leute sind nett, die sind gut angezogen, das beruhigt mich abends nach dem Stress des normalen Berufslebens', bis - 'ich finde es einfach faszinierend, wie die mit den Bällen umgehen können' - Sie haben alles dabei!"
    "Wer an den Tisch geht, braucht Leidensfähigkeit und Geduld"
    Für Thomas Hein hat die deutsche Snooker-Faszination noch andere Gründe: Der Sport eigne sich mit seinen Duellen und den markanten Charakteren ganz besonders für eine mediale Dramaturgie. Daraus sei über die Jahre ein kleiner Hype entstanden. Doch die Diskrepanz zwischen dem Fernseh- und Mediensport Snooker und der Arbeit an der Basis ist riesig, sagt Hein:
    "So gut der Sport auch passiv läuft - also im Fernsehen - so schwierig ist der Job aktiv. Weil jeder, der an den Tisch geht, braucht eine extrem hohe Leidensfähigkeit und Geduld. Und gerade im Nachwuchsbereich haben wir natürlich wie alle anderen Sportarten, die nur ein bisschen lauter schreien, enorme Nachwuchsprobleme."
    In Deutschland gibt es nur knapp 3.000 Vereins-Snooker-Spieler. Zwei, drei junge Spieler spielen zwar regelmäßig bei großen Turnieren mit - doch für eine Weltmeisterschaft reicht es meistens nicht. Und dann ist ein Leben als Snooker-Profi auch nicht lukrativ: Ein Top-Spieler, der in Deutschland ein gutes Jahr spielt und viele Preisgelder gewinnt, verdient gerade mal zwischen 5.000 und 10.000 Euro.
    China hat Snooker zum Volkssport erklärt
    Fast alle Spieler üben den Sport daher nur nebenberuflich oder ehrenamtlich aus - so wie auch Bundestrainer Thomas Hein. Da haben andere Länder viel größere Möglichkeiten, sagt er. Zum Beispiel China:
    "Die hatten als Frühstarter Ding Junhui. Der hatte sich alleine auf den Weg gemacht nach England, da war er noch minderjährig! Danach, also nach dem ersten Erfolg von Ding Junhui, wurde Snooker von Sonntag auf Montag zum Volkssport erklärt. Die Regierung hat sich da mal richtig reingeschaltet. Also 60.000 Mitglieder über Nacht wurden kreiert. Die haben da auch vor den Markt zu machen, die hätten die Weltmeisterschaft der Profis am liebsten dort, geben Preisgelder in ihren Turnieren, da kommen die in England gar nicht mit. Und das ist Volkssport mittlerweile, da ist also ein Hype entstanden."
    Bei der aktuellen Weltmeisterschaft haben es fünf Chinesen in die Endrunde geschafft - und jedes Jahr kommen sie eine Runde weiter. Ding Junhui trifft im Viertelfinale der WM nun auf den fünfmaligen Weltmeister und wahrscheinlich bekanntesten Snooker-Profi weltweit - auf den Briten Ronnie O’Sullivan.
    Unbekannte Talente auf der ganzen Welt
    Doch nicht nur in China nimmt Snooker mittlerweile einen hohen Stellenwert ein. Große, unbekannte Talente gibt es auf der ganzen Welt, der Snooker-Hype ist weit verbreitet. Die Öffentlichkeit bekommt davon nur wenig mit, sagt Thomas Hein: "Die Länder, die ziemlich starke Amateurspieler haben, haben aber immer auch aufgrund der geopolitischen Lage jetzt Visa-Probleme: Pakistan, Iran, Irak, Afghanistan. Es gibt sehr starke Syrer. Also der Mittlere Osten, auch bei den Israelis sind ein paar sehr gute Amateurspieler mit dabei. In Brasilien wird ein etwas anderes Spiel gespielt. C-nooker nennt sich das, da haben die auch 60.000 Mitglieder - alleine im Damenbereich."
    Doch bei den großen Turnieren sieht man von Spielern aus diesen Ländern bislang nur sehr wenig. Vielleicht ändert sich das ja in Zukunft. Und vielleicht steigt die Begeisterung für diese vermeintliche Randsportart dann noch weiter an. Thomas Hein versucht das unergründliche Phänomen Snooker zu beschreiben:
    "Also diese Ruhe und diese Langatmigkeit, die ist dort sehr beliebt. Und das ist noch eine Nische, die - unergründbar eigentlich - so viele Leute fasziniert. Ob es die Farben von dem großen grünen Tisch sind, oder die Schiedsrichter oder die Spieler in Hemd, Weste und Fliege - da hat jeder etwas."