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FBI-Informant
Wie Blazer sich vor dem Gefängnis rettete

Aus Angst vor einer hohen Gefängnisstrafe arbeitet der ehemalige amerikanische Fußball-Funktionär Chuck Blazer seit einiger Zeit mit dem FBI zusammen. Davor hatte sich Blazer jahrelang selbst an der FIFA bereichert.

Von Jürgen Kalwa | 08.11.2014
    Das frühere FIFA-Exekutivkomitee-Mitglied Chuck Blazer im Auto.
    Das frühere FIFA-Exekutivkomitee-Mitglied Chuck Blazer. (picture alliance/dpa/Steffen Schmidt)
    Er hat jahrelang von unterwegs immer wieder ein paar Eindrücke auf Video mitgebracht. Den Regen in der Wüste zum Beispiel, den er von seinem Hotelzimmer aus filmte. Das Lächeln seines Zahnarztes, der ihn auf die anstehende Prozedur vorbereitete: "We gonna do some rather interesting things."
    Und Grüße von hochrangigen FIFA-Veranstaltungen, wo ihm andere hochkarätige Fußball-Funktionäre über den Weg liefen. "Merry Christmas and a happy New Year. All of you. Thank you. Bye, bye. I see you." So wie jener Franz Beckenbauer war Chuck Blazer für vieles zu haben. Aber wohl nicht für alles.
    Als sein alter Freund und Mitstreiter Jack Warner, damals noch FIFA-Vizepräsident, im Mai 2011 bei einer Konferenz der Vertreter des Karibischen Fußballverbandes fleißig Umschläge mit jeweils 40.000 Dollar verteilte. "Give it to Trinidad and Tobago, give it Anguilla, give it to Barbados..." Da sah der Amerikaner offensichtlich eine Grenze überschritten. Er nutzte das heimlich aufgenommene Video von der korrupten Werbe-Veranstaltung für den Katarer Bin Hammam und brachte eine verbandsinterne Untersuchung in Gang.
    Abgang dreier Funktionäre
    Auf diese Weise ging die Funktionärskarriere von Warner und Bin Hammam zu Ende, der eigentlich Sepp Blatter an der Spitze der FIFA ablösen wollte. Aber auch Blazer musste gehen, der fast 20 Jahre als Generalsekretär der nord- und mittelamerikanischen Föderation CONCACAF unterwegs gewesen und in der FIFA zu einem wichtigen Mann aufgestiegen war. Er mag es befürchtet haben. Er wirkte nicht so jovial wie gewohnt in seinem voluminösen, 200 Kilogramm schweren Körper, als er damals auf dem Züricher Flughafen von einem Fernsehreporter abgepasst wurde und die Frage gestellt bekam: "Was kann getan werden, um die Korruption in der FIFA zu beenden?
    "Das was ich getan habe. Es aufzudecken, wo es existiert und dann in einem ordentlichen Verfahren letztendlich alle die zu bestrafen, die gegen Regeln verstoßen haben."
    So einfach? Schön wär's. Für die FIFA ist Blazer heute nur noch eine weitere hässliche Ranke in der ellenlangen Geschichte von Korruption und Betrug. So wie das Ermittlungsverfahren der Konföderation, die Blazer ausgeplündert hatte - nach Art jenes Mannes, den er gerne als Vorbild bezeichnete: den ehemaligen FIFA-Chef João Havelange aus Brasilien.
    In welchem Umfang sich Blazer bereicherte, ist aufgrund der kreativen Buchführung, die er praktizierte, nicht bekannt. Es dürften wohl mehr als 20 Millionen Dollar gewesen sein. Schon sehr viel klarer ist, wie das Geld floss. Das ging gewöhnlich erst mal auf die Cayman Islands, eine Steueroase in der Karibik, wo eine von ihm gegründete Firma ihren Sitz hatte. Auf diese Weise sollten die Einnahmen am amerikanischen Finanzamt vorbeigeschleust werden.
    So etwas geht mitunter lange gut. Bis sich die Behörden für solche Dinge interessieren. Wie etwa das FBI, das 2010 den englischen Journalisten und Korruptions-Experten Andrew Jennings kontaktierte. Wovon der vor ein paar Monaten auf der Online-Plattform "Unscriptd" berichtete.
    "Sie wollten wissen, was ich wusste, nachdem ich jahrelang die Korruption in der FIFA recherchiert hatte. Sie ließen aber nicht durchblicken, warum sie sich dafür interessierten."
    Jennings, der im Frühjahr sein jüngstes Buch "Omertà: Sepp Blatter's FIFA Organised Crime Family" publizierte, gab den Beamten nicht nur Auskunft, sondern auch Dokumente, die er im Rahmen seiner Recherchen beschafft hatte. Darunter solche, die Bankbuchungen und andere Zahlungsvorgänge belegen.
    Vom Funktionär zum Informanten
    Wie die Sache schließlich ins Rollen kam, ist bis heute nicht klar. Nur so viel: Blazer wurde ein halbes Jahr nach dem Bestechungsfall von Trinidad von den Behörden konfrontiert und entschied sich zu kooperieren. Das jedenfalls meldete die New Yorker "Daily News" vor einer Woche unter Berufung auf anonyme Quellen. Blazers Kenntnisse dürften unter anderem dafür verantwortlich sein, dass das FBI noch einen Informanten gewinnen konnte: Daryan Warner, einer der Söhne von Jack Warner, der die schwarzen Konten und Kassen seines Vaters gemanagt hatte.
    Das so zusammengetragene Wissen dürfte ausreichen, um noch mehr Funktionäre unter Druck zu setzen. Sei es für den Fall, dass sie in die USA einreisen. Oder auch über Auskunftsbegehren, die dem Vernehmen nach schon in die Schweiz geschickt wurden.
    Die ersten Nachrichten über die Enthüllungen der Daily News konzentrierten sich kurioserweise auf die Tatsache, dass sich Blazer angeblich breitschlagen ließ, während der Olympischen Spiele 2012 in London mit einem Mini-Mikrofon heimlich Gespräche aufzuzeichnen. Was sexy klingt, aber für den Kern der Ermittlungen nur wenig Bedeutung haben dürfte. Solche Beweismittel werden von amerikanischen Gerichten meistens gar nicht zugelassen.
    Eine Information ging so gut wie unter. Der 69-jährige Blazer ist schwer an Dickdarmkrebs erkrankt. Das könnte die Staatsanwaltschaft erstmals unter Zeitdruck setzen, denn ein toter Mann kann, sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen, nicht aussagen.
    Wie es um all das bestellt ist, konnte der Reporter, der den kranken Blazer im Hospital außerhalb von New York aufspürte, übrigens nicht herausfinden. "Ich kann einfach nicht darüber reden", sagte Blazer.