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FDP auf Bildungskurs
"Wir wollen selbstständige Schulen"

Die FDP will die Bildungspolitik zu ihrem Thema Nummer eins machen - das ist eines der Ergebnisse des Bundesparteitags in Berlin. Ein Hauptziel dieses Kurses sei es, Schulen zu mehr Hoheit über ihr Budget, Personal und ihre Organisation zu verhelfen, sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer im Deutschlandfunk.

Nicola Beer im Gespräch mit Sandra Pfister | 18.05.2015
    FDP-Generalsekretärin Nicola Beer
    FDP-Generalsekretärin Nicola Beer (picture alliance / dpa - Bernd von Jutrczenka)
    Sandra Pfister: Was bleibt vom FDP-Parteitag am Wochenende hängen? Dass die Partei einen Einheitssteuersatz für alle prüfen und Cannabis freigeben will. Aber vielleicht noch was anderes: dass die FDP jetzt Bildung als ihr Herzensanliegen verkauft. Das Wort Bildung – das nur zur Erinnerung – existierte in den vergangenen Jahren bei der Bundes-FDP vorwiegend in der Kombination mit Vermögen, also Vermögensbildung. Jetzt aber scheint sich das zu ändern. Parteichef Christian Lindner hat gestern nach dem Parteitag angekündigt, er wolle Bildungspolitik zum Thema Nummer eins machen, also zu dem Motor, der die FDP 2017 in den Bundestag zurückbringen soll. Wir reden darüber mit der FDP-Parteisekretärin Nicola Beer. Guten Tag, Frau Beer!
    Nicola Beer: Schönen guten Tag, Frau Pfister!
    Pfister: Frau Beer, die FDP will sich stärker über Bildungspolitik profilieren – was wollen Sie denn, was die anderen Parteien nicht wollen?
    Beer: Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche, aber auch Menschen über den gesamten Lebenszeitraum individuelle Möglichkeiten haben, gefördert zu werden, wir wollen sie aber auch fordern. Wir wollen echte Wahlfreiheit und eben nicht Präferenzen für bestimmte Schulformen oder Bildungsgänge. Und es ist ein Thema für uns, weil wir insgesamt Menschen stark machen wollen. Wir wissen, dass in jedem Potenziale schlummern, sie werden nur in unserem System zurzeit nicht ausreichend entwickelt. Insbesondere wenn ich aus sozial niedrigeren, bildungsferneren Familien komme, dann gibt es eben Schwierigkeiten, weil vom Elternhaus her nicht so geholfen werden kann.
    Pfister: Da hören Sie sich fast an wie die SPD.
    " ... dass Schulen ihre Hoheit bekommen"
    Beer: Nein, das hat mit SPD nichts zu tun. Ich hab ja selber als FDP-Kultusministerin in Hessen gesehen, wie gerade die Sozialdemokratie versucht, mit dem Einheitsmodell "Bildung für alle" Menschen glücklich zu machen, das klappt aber nicht, weil Kinder einfach unterschiedlich sind und wir deswegen wesentlich individueller ansetzen müssen, den Mut haben müssen, Vielfalt in der Bildungslandschaft zuzulassen, um für jeden passgenau zu fördern. Und genau deswegen fordern wir ja zum Beispiel, dass Schulen selbstständig werden. Wir haben damit in Hessen angefangen, zu der Zeit, als wir dort das Kultusministerium geführt haben, und das bedeutet eben, dass Ministerialbürokratie loslassen muss, dass Schulen ihre Hoheit bekommen, über Budget, aber auch über Personal und Organisation, und dass am Ende einer Klassenstufe, dass am Ende eines Bildungsganges dann geprüft wird, ob die Schulen die Ziele erreicht haben und ihre Kinder ordentlich zu fördern.
    Pfister: Also mehr Freiheit für Schulen, verstehe ich, gibt es in Ansätzen auch schon anderswo. Der Punkt, den Sie am weitesten ...
    Beer: Ja, weil es die Freien Demokraten dort eingeführt haben, wissen Sie. Das ist ja ein Modell, dass durch die Freien Demokraten erst einmal bei den Hochschulen eingeführt worden ist. Frau Wagner als Wissenschaftsministerin in Hessen, Herr Pinkwart als Wissenschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, und dass dann zum Beispiel die Kollegin Henzler und ich in Hessen, der Kollege Heubisch in Bayern noch fortgeführt haben und dann auch auf die Schulseite übertragen.
    "Wir wollen kein Bundesbildungsministerium"
    Pfister: Der Punkt ist klar. Was in dem Programm eher auffällt, was Sie gestern verkündet haben, ist, dass Sie mehr Zentralismus in der Bildungspolitik haben wollen, also mehr Zuständigkeit des Bundes – da haben sich ja schon ganz andere die Zähne daran ausgebissen. Keine Partei hat es bislang auch gegen ihre Landesfürsten durchgesetzt. Glauben Sie, dass Sie die Kraft haben, den Ländern da ihre letzte große Bastion der Eigenständigkeit zu rauben?
    Beer: Nein, wir haben nicht mehr Zentralismus beschlossen, wir wollen kein Bundesbildungsministerium, weil das wäre noch weiter weg von den Schulen. Wie gesagt, wir wollen selbstständige Schulen, da braucht man relativ viel Mut, um als Ministerialbürokratie loszulassen, nicht überall reinzuregieren, sondern wir wollen eine gesamtstaatliche Verantwortung, was die Finanzierung betrifft. Das bedeutet, wir haben viel zu wenig Geld insgesamt im System, und wir wollen, dass nicht nur mehr Geld hier mobilisiert wird, sondern wir möchten, dass dieses Geld direkt an die Schulen geht, um diese eben in ihrer Selbstständigkeit dann auch ordentlich finanziell auszustatten. Über dieses Geld sollen sie dann aber selbst verfügen können, unter der Bedingung, dass sie die dann bundesweit gültigen Bildungsstandards auch erreichen mit ihren Kindern. Das heißt ...
    Pfister: Da würden Ihnen viele zustimmen beim Geld, gleichzeitig wollen Sie als Bundes-FDP, dass der Staat sich nicht weiter verschuldet, Sie fordern radikale Steuersenkungen. Wenn es zum Schwur kommt, wo das Geld herkommen soll, dass ja dann auch vom Bund kommen soll teilweise, woher soll es denn kommen für die Bildung?
    Beer: Für die Bildung könnte man es zum Beispiel aus der Mehrwertsteuer nehmen. Man müsste sich zwischen Bund und Ländern darauf einigen, dass etwa ein Mehrwertsteuerpunkt zusätzlich direkt in die Schulen, in die Bildung investiert wird. Und bei den sprudelnden Steuerquellen, die wir momentan haben, bei dem niedrigen Zinsniveau, das Herrn Schäuble Milliardeneinsparungen in seinen Planungen beschert, können wir trotzdem noch den Soli abschaffen und auch die kalte Progression.
    Gefordert: Leistungstests für Lehrer
    Pfister: Lassen Sie mich noch einen Punkt erwähnen, der die Lehrer besonders freuen wird – die gehören nicht zu Ihrer Stammwählerschaft, deswegen können Sie da vielleicht unbeschwert aufschlagen: Sie fordern nicht nur bessere Weiterbildung für sie, sondern auch Leistungstests. Wie sollen die denn aussehen?
    Beer: Es geht darum, bessere Lehrkräfte besser zu bezahlen. Der Bildungsbereich, gerade die Schulen sind der einzige Berufsbereich, wo wir nach Laufzeit der Dienstzeit bezahlen und nicht danach, ob ein Lehrer besonders engagiert ist, ob ein Lehrer seine Kinder zu besonders guten Lernfortschritten animieren und führen kann. Ich glaube, dass das falsch ist. Wir vertrauen den Lehrkräften das Wertvollste an, was wir haben, unsere Kinder, und ich glaube, dass man auch dort genau unterscheiden kann – das weiß jeder Schulleiter recht gut –, welches die Lehrkräfte sind, die eine Schule, die die Kinder voranbringen und welches nicht, und da möchten wir Leistungsanreize setzen.
    Pfister: Leistungsanreize für gute Lehrer, mehr gesamtstaatliche Verantwortung für die Bildung, mehr Selbstständigkeit für die Schulen, das sind einige Teile der neuen Linie der FDP, mit der sie sich in der Bildungspolitik profilieren will. Danke Ihnen, Frau Beer!
    Beer: Danke schön, Frau Pfister!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.