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FDP lehnt Gesundheitskompromiss der Union ab

Gerd Breker: Am Telefon begrüße ich Dieter Thomae, er ist gesundheitspolitischer Sprecher der Freien Demokraten. Herr Thomae, "in Kraft treten" war gerade das letzte Wort, was gesagt wurde. Da hat ihr Koalitionspartner in spe einen Plan vorgelegt und die ersten Reaktionen aus ihrer Partei lauten, "Die Union gefährdet die Regierungsfähigkeit" oder gar "Flickschusterei". Dabei kann es doch nicht bleiben, das ist schließlich Ihr einziger, möglicher Koalitionspartner.

Moderation: Gerd Breker |
    Dieter Thomae: In der Tat, wir sind natürlich sehr enttäuscht. Zwar will man jetzt die Lohnzusatzkosten entlasten, aber das ganz große Problem ist eben nicht angepackt worden: Das Finanzierungsproblem, aufgrund der demgraphischen Entwicklung. Und dies wird nicht gelöst, so dass also diese Thematik für uns ein ganz großes Problem ist. Außerdem kommt hinzu, dass nach unserer Auffassung die Prämien viel zu niedrig berechnet werden. Solche Prämien werden überhaupt nicht die Finanzierung sichern.

    Berker: Das heißt, Sie bezweifeln das Zahlenwerk schon?

    Thomae: Ich bezweifele sehr das Zahlenwerk und wenn ich den Betrag sehe, den man hier als Pauschale auf den Tisch legt, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass dies auf Dauer eine langfristige Finanzierung ist. Ich gehe davon aus, dass diese Gesundheitsprämie dann in den nächsten Jahren drastisch steigen wird, ja in absehbarer Zeit wird sie sich sogar verdoppeln und dazu kommt natürlich auch, dass eine solche Konzeption die PKV massiv gefährdet und der Weg zu einer Einheitsversicherung jetzt auch von der CDU/CSU aufgezeigt wird.

    Breker: PKV, das sollten wir unseren Hörer erklären, das sind die Privaten Krankenkassen.

    Thomae: Wenn dieses Konzept wirklich ernsthaft verfolgt wird, bedeutet das, dass der Risikostrukturausgleich massiv ausgebaut werden muss und das brauche ich nicht zu sagen, bedeutet erhebliche Verwaltung und erhebliche Bürokratie.

    Breker: Wie erklärt sich das aus Ihrer Einschätzung? Liegt das daran, dass hier bei diesem Kompromiss nicht die Gesundheitsexperten der Schwesterparteien zu Werke waren, sondern die Politikspitzen der Parteien das übernommen haben?

    Thomae: Ich glaube, jeder deutsche Bürger hat in den letzten Wochen erfahren, dass es gar nicht mehr um die Gesundheit ging innerhalb der CDU/CSU, sondern es war eine Machtfrage und jetzt ist diese Machtfrage in einem solchen Kompromiss gelöst worden. Aber darunter hat die Konzeption einer vernünftigen, langfristig geplanten Gesundheitspolitik massiv gelitten und von daher haben wir überhaupt kein Verständnis für diese Lösung.

    Breker: Der Plan der Freien Demokraten sieht eine weitgehende Privatisierung der Krankenversicherungen vor. Das ist doch mit dieser Union nicht mehrheitsfähig. Sie müssen doch auf einen Kompromiss hinarbeiten. Wie könnte der denn aussehen?

    Thomae: Ich sage Ihnen, ein Kompromiss mit der CDU bisher, war sicherlich machbar, mit der CSU ausgesprochen schwierig. Wir sehen nur eine Lösung: Erstens mal, wir müssen langfristig in ein echtes Prämiensystem rein und zweitens, wir müssen Altersrückstellungen aufbauen, damit die demographische Entwicklung abgefedert wird, denn andernfalls wird die Jugend diese Last nicht mehr tragen können. Das sind unsere zwei Hauptforderungen und davon werden wir nicht runter gehen.

    Breker: Das heißt, mit der nur teilweisen Abkopplung vom Faktor Arbeit in den Krankenversicherungen können die Freien Demokraten leben?

    Thomae: Wir wollen auch unbedingt den Arbeitgeberbeitrag abkoppeln. Das ist ganz klar. Das ist eine weitere Bedingung. Also von daher werden wir in dieser Frage mit der CDU/CSU zu einer Lösung kommen, aber die zwei anderen Fragen Richtung Prämiensystem und Finanzierung der Altersrückstellung, das ist völlig unakzeptabel, was hier die CDU/CSU vorschreibt.

    Breker: Der Sozialausgleich, der muss doch weiterhin erfolgen vom Steuerzahler…

    Thomae: Wir wollen das generell über den Steuerzahler. Darum sagen wir, wir wollen zuerst mal eine Steuerreform auf den Weg bringen. Die haben wir ja fertig und diese Steuerreform wird die Konjunktur sicherlich massiv beleben. Der zweite Schritt, aufgrund dann dieser Erfolge werden wir eine Gesundheitsreform auf den Weg bringen, damit die Bürger auch aufgrund ihrer Steuerersparnisse auch für ihre Gesundheitsvorsorge betreiben können.

    Breker: Sie müssen also erst mal bei Ihrem potentiellen Koalitionspartner, bei der Union für eine Umkehrung der Reihenfolge sorgen?

    Thomae: So ist es und ich glaube, Sie sehen ja auch, dass wir gar nicht so falsch liegen. Herr Merz ist ja nicht umsonst ausgestiegen aus dieser Arbeit. Er sieht die Konzeption, die ja in vielen Punkten von der FDP übernommen worden ist, gefährdet. Ich sage Ihnen, wir brauchen zuerst eine Steuerreform, eine Steuersenkung, dann soll die Konjunktur verbessert werden und dann werden wir in einem zweiten Schritt die Gesundheitsreform auf den Weg bringen, so, wie wir sie vorgestellt haben.

    Breker: Im Vergleich zur Bürgerversicherung, die von Rot-Grün präferiert wird, ist dieses System kompliziert, zu kompliziert für den Wähler?

    Thomae: Unser System nicht, denn wir gehen ja einen anderen Weg. Während in der Bürgerversicherung alle Bürger mit hineingezogen werden - zumal dann ja auch die Altersrückstellungen der privaten Versicherungen in den Bürgertopf kommen - das ist ja im Grunde genommen die Lösung der Bürgerversicherung. Das würde einige Jahre vielleicht den Beitragssatz halten, aber langfristig würden wir in die selbe Falle laufen, in der wir jetzt schon sitzen. Wir wollen den einzelnen Bürgern mehr Freiheiten geben. Wir wollen, dass jeder Bürger eine Pflicht zur Versicherung hat, ein bestimmtes Regelleistungspaket abschließt, er kann darüber hinaus weitere Leistungen abschließen und wir wollen die gesetzlichen Krankenversicherungen überführen in private Krankenversicherungen. Dann haben wir einen echten Wettbewerb und dann kann jeder entscheiden, wo er sich versichern will.