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FDP: Reform- oder Volkspartei?

Meurer: Es ist still geworden um die FDP und sie leidet unter dieser fehlenden Beachtung. In der aktuellen Reformdebatte wird sie kaum wahrgenommen, diese Debatte um den Umbau der Sozialsysteme oder ein Vorziehen der Steuerreform wird von Rot-Grün und der Union geführt, aber nicht von der FDP, jedenfalls nicht so, dass man es mitbekommt. Es gärt entsprechend in den Reihen der Liberalen, insbesondere und nicht zufällig bei denen, die zu Lebzeiten mit Jürgen Möllemann eng zusammengearbeitet haben, der vor fünf Monaten verstorben ist. In Düsseldorf wurde am Montag eine Initiative Freie Demokraten in der FDP gegründet. Einer ihrer Sprecher ist der FDP-Landtagsabgeordnete Stefan Grüll, guten Morgen.

    Grüll: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Warum haben Sie denn diesen Namen gewählt?

    Grüll: Wir wollen einen Beitrag dazu leisten mit den Freunden in der FDP gemeinsam die Partei wieder zu der Reformpartei zu machen und sie als die Reformpartei wahrnehmbar zu machen, die die FDP eigentlich ist. Sie gehört in diese Wahrnehmbarkeit wieder hinein und wir wollen dazu einen Beitrag leisten. Nicht konfrontativ, nicht destruktiv, höchst konstruktiv, gemeinsam. Das ist ein Angebot, wir hoffen, es wird angenommen und die ersten Reaktionen deuten darauf hin, dass das der Fall ist.

    Meurer: Nur - gibt es in der FDP Mitglieder, die keine Freien Demokraten sind?

    Grüll: Nein, um Gottes willen, aber wir wollen damit einen Anspruch jenseits von Grenzen deutlich machen, die bisher vielleicht doch noch etwas trennendes gehabt haben, uns neu zu positionieren. Wir wollen gerne darüber nachdenken, wie wir auch neue Wege beschreiten können, uns wieder in Szene zu setzen mit den guten Inhalten, die wir haben und dazu auch andere Verbündete finden, auch mit den bundesweit circa 20 Initiativen ins Gespräch zu kommen, die sich gegründet haben jenseits der Parteien, weil sie mit ihnen unzufrieden sind. Dort ist ein Vakuum entstanden, was wir gerne mit diesen Initiativen füllen möchten. Wir können der parlamentarische Arm dieser Initiativen sein, dort ist viel Kluges von den besten Köpfen der Republik gedacht und bereits formuliert worden, das können wir aufgreifen und umsetzen, denen fehlt die parlamentarische Plattform, wir haben sie. Ich glaube, da sind große Chancen für uns.

    Meurer: Im Prinzip bedeutet das, dass Sie die alten Rezepte von Jürgen Möllemann wieder aufleben lassen wollen, FDP als Volkspartei?

    Grüll: Das ist einer Verkürzung, die so selbstverständlich nicht richtig ist. Ich habe im vergangenen Jahr und ich sage das sehr ernsthaft, einen auch persönlich sehr schmerzhaften Trennungsprozess vollzogen nach Jahren der Zusammenarbeit. Aber es hat Verirrungen gegeben mit den Stichworten Karsai und Flyer, die waren nicht verzeihbar, auch heute. Ich habe die Trennung nicht zu relativieren.

    Meurer: Aber andererseits hat Jürgen Möllemann die FDP auf zehn Prozent in Nordrhein-Westfalen gebracht.

    Grüll: Ja, genau, denn jenseits dieser Verirrungen gibt es unverändert einen Ideenpool, aus dem man heute schöpfen kann, der nichts mit dem – ich nenne es mal medialen Overkill der Jahre 2001, 2002 - zu tun hat, nichts mit diesen Verirrungen, die ich unverändert ablehne, zu tun hat. Aber es waren Themen und Bilder, die gefunden worden sind, mit denen wir die Menschen unmittelbar erreicht haben. Das hat den Erfolg ausgemacht. Zusammengefasst in der Strategie der Eigenständigkeit, die ist in Nordrhein-Westfalen nach meiner Wahrnehmung auch im Wesentlichen völlig unbestritten. Was unser Anliegen ist, ist, dass die nordrhein-westfälische FDP dort wieder zum Motor wird, auch für die Gesamtpartei, denn aus anderen Landesverbänden höre ich natürlich schon Töne (und man liest es ja auch täglich), die offenkundig eine Rolle rückwärts zur Funktionspartei zumindest nicht ausschließen.

    Meurer: Welche Töne meinen Sie damit ?

    Grüll: Es gibt ein paar Missionare der Fünf-Prozent-Verheißung, die uns suggerieren wollen, dass diese Rolle doch sehr komfortabel war, die der Mehrheitsbeschaffung. Darauf wollen wir uns nicht reduzieren und da sehe ich überhaupt keinen Dissens in Nordrhein-Westfalen, aber unser Anliegen ist es, dass dieser Konsens in NRW wieder stärker als Motor für die Gesamtpartei genutzt wird. Die Gesamtpartei als Reformpartei eigenständig darzustellen in einer Weise, für die übrigens Guido Westerwelle steht, das macht an der Stelle auch den Grund aus, warum wir ihn mit Nachruck unterstützen und dieser wirkliche Personaldebatte ohne jeden sittlichen Nährwert beendet wissen wollen.

    Meurer: Die Konfrontation scheinen Sie aber mit den zwei führenden FDP-Kräften in NRW suchen zu wollen, Andreas Pinkwart und Ingo Wolf, jedenfalls wird das so allenthalben interpretiert.

    Grüll: Ich kann das nun wirklich nicht bestätigen. Weder, dass wir sie suchen, das bestreite ich ausdrücklich, noch dass es allenthalben so wahrgenommen wird. Ich stelle fest, dass es da möglicherweise ein paar Irritationen gegeben hat, jedenfalls lässt mich das manche Reaktion vermuten. Das ist sicherlich in Kürze ausgeräumt, da bin ich ganz sicher, weil wir uns doch einig sind in der Frage, wie wir die FDP positionieren wollen: als Reformpartei, eigenständig. Nicht mehrheitsbeschaffend. Wenn man diesen Konsens hat, geht es nur noch um die Frage des Weges, da haben wir jetzt konkrete Vorschläge gemacht, weil eines deutlich ist und klar: nicht wir, die wir jetzt nach den Wegen suchen, die Darstellung der FDP zu verbessern, haben in den letzten Wochen eine Personaldebatte geführt, von der wir sagen, dass sie jetzt beendet werden muss. Das waren doch nicht wir. Nicht wir haben in Frage gestellt, ob der Kurs der Eigenständigkeit der richtige ist. Wir sind da entschieden und nochmals: auch Ingo Wolf gestern hat doch auch betont, dass es gar keine Frage ist welchen Kurs und welche strategische Ausrichtung wir in NRW für richtig erachten. Wir wollen eine Personaldebatte beenden, von der wir sagen, sie ist unsäglich, sie schadet, hat überhaupt keine Auflösung. Dann führen wir doch nicht an anderer Stelle ein neue und das wird die freuen, die da vielleicht im Moment irritiert gewesen sein können, denen wird sehr schnell deutlich werden, dass wir einen höchst konstruktiven Ansatz haben, aber wir haben zur Kenntnis genommen, dass es in den letzten Wochen Schlagzeilen gab, Kommentare, die nun wirklich nicht den Liberalen das Herz haben höher schlagen lassen.

    Meurer: Das war Stefan Grüll, FDP-Landtagsabgeordneter Sprecher der Initiative Freie Demokraten in der FDP.