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FDP will Banken-Rettungsplan zustimmen

Die FDP wird dem Banken-Rettungsplan der Bundesregierung zustimmen. Dies sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der FDP-Politiker Otto Fricke. In der Nacht seien noch "positive Änderungen" in den Gesetzentwurf eingebracht worden, betonte er. So sei unter anderem die Unabhängigkeit der Bundesbank gesichert worden. Zudem werde die Arbeit des Rettungsfonds von einem parlamentarischen Kontrollgremium überwacht.

Otto Fricke im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Zu den wichtigsten Aufgaben des Parlaments gehört die Entscheidung darüber, wofür das Geld der Steuerzahlerinnen und -zahler ausgegeben wird. In dieser Woche wird Parlamentsgeschichte geschrieben - in zwei Disziplinen: Zeit und Ausmaß. Nur wenige Tage liegen zwischen dem Kabinettsbeschluss und der Unterschrift des Bundespräsidenten für die Bewilligung von 480 Milliarden Euro, die größtenteils als Bürgschaft für Banken und den Zahlungsverkehr vorgesehen sind. Zum Vergleich: der gesamte Bundeshaushalt des kommenden Jahres beläuft sich auf 288 Milliarden Euro. "Gefahr im Verzug" meint der Finanzminister.

    Peer Steinbrück: Wenn es auf den Weltfinanzmärkten brennt, meine Damen und Herren, dann muss gelöscht werden, auch wenn es sich um Brandstiftung handelt, und es muss für einen besseren Brandschutz gesorgt werden.

    Heinemann: Peer Steinbrück. Neben dem Bundestag soll heute auch noch der Bundesrat - also die Ländervertretung - ja sagen. Diese Zustimmung erarbeitete sich die Kanzlerin gestern in Verhandlungen mit den Regierungschefs. Am Telefon ist der FDP-Politiker Otto Fricke, der Vorsitzende des Bundestagshaushaltsausschusses. Guten Morgen!

    Otto Fricke: Einen etwas übermüdeten schönen guten Morgen.

    Heinemann: Konnten Sie nicht ausschlafen?

    Fricke: Na ja, wir sind um halb zwei heute Morgen im Ausschuss fertig geworden. Da war dann nicht mehr ganz so viel.

    Heinemann: Danke schön, dass Sie trotzdem uns Rede und Antwort stehen. Herr Fricke, stellen sich bei Ihnen Schwindelgefühle ein bei einer solchen Summe, die in so kurzer Zeit durchs parlamentarische Verfahren geschleust wird, jetzt unabhängig von der Übermüdung?

    Fricke: Schwindelgefühle vielleicht nicht, hoffe ich jedenfalls, dass wir sie nicht hatten, aber etwas weiche Knie. Das gebe ich zu, selbst für jemanden, der wie ich regelmäßig mit höheren Beträgen zu tun hat und der weiß, dass wir 1,5 Billionen Euro, also 1500 Milliarden Staatsschulden haben, denn das ist schon ein heftiger Brocken.

    Heinemann: Werden Sie, wird die FDP zustimmen?

    Fricke: Wir werden, nachdem es einerseits schon seitens der Koalition Änderungen, positive Änderungen gegeben hat und wir auch noch positive Änderungen zusätzlich haben einbringen können, heute Morgen dann im Parlament zustimmen, ja.

    Heinemann: Welche positiven Änderungen?

    Fricke: Verkürzt: Es sind noch sehr, sehr viele Details geändert worden. Viele sagen ja, es sei die Stunde der Exekutive; es waren wirklich jetzt die Tage der Legislative. Erstens: Im Bereich der Unabhängigkeit der Bundesbank, die von uns kritisiert worden ist, von anderen aber auch, hat die Koalition Regelungen eingeführt, die dafür sorgen, dass dieser Fonds jetzt nicht direkt bei der Bundesbank ist, sondern dass er bei der Bundesbank nur angegliedert ist, sich dort in einer Anstalt befindet. Das hat zur Folge, dass wir das Knowhow der Bundesbank nutzen können, ohne dass die Regierung auch nur im Ansatz die Unabhängigkeit des Bundesbankpräsidenten, der Bundesbank insgesamt angreift. Das ist das eine. Das Zweite ist dann, dass wir im Bereich der Parlamentsrechte, der Parlamentsbeteiligung erhebliche Veränderungen haben. Zum einen werden Finanz- und Haushaltsausschuss regelmäßig informiert über die Abschlüsse, im weitesten Sinne über die halbjährlichen Zinsstände, und sie werden auch über die so genannten Rechtsverordnungen, mit denen der Fonds dann agieren wird, in Kenntnis gesetzt, und zwar unverzüglich. Letzter Punkt ist aber dann - und das ist noch wichtiger -, es wird einen eigenen neuen Ausschuss geben, so wie eine Art parlamentarisches Kontrollgremium bei den Geheimdiensten jetzt bei den Finanzdiensten. Das war der FDP sehr wichtig. Das ist auch das, was wir ich will jetzt nicht sagen durchgesetzt, sondern gemeinsam dann mit der Koalition erarbeitet haben, und es war unser "Baby". Dieser Ausschuss wird über alle wesentlichen Dinge, die diesen 480 Milliarden Fonds - nennen wir ihn mal so - betreffen, informiert werden, und er ist derjenige, der zustimmen muss, wenn am Ende dieser Fonds aufgelöst wird - nicht nur der Bundesrat, sondern eben auch der Bundestag über diesen Ausschuss.

    Heinemann: Gleichwohl können die Parlamentarier nicht mitreden über die Verwendung des Geldes. Sie werden nur informiert, haben Sie gerade gesagt.

    Fricke: Vollkommen richtig. Es ist immer wieder der Wunsch auch in meiner Fraktion gewesen und ich gebe ehrlich zu: Natürlich ist das etwas, was jeder Politiker gerne lieber in den Händen hätte, dass er nämlich von Vornherein mitentscheidet. Nur wollen wir ehrlich sein. Es wird um Entscheidungen gehen, die tief in Finanzmarktkenntnisse hineingehen. Es wird um Entscheidungen gehen, die innerhalb kürzester Zeit erfolgen müssen, mit flexiblen Maßnahmen. Hier zu behaupten, die Politik, die Abgeordneten wären in der Lage zu sagen, wir stimmen jetzt mal darüber ab, ob die Bank A, die Sparkasse B, die Volksbank C beispielsweise eine Milliarde als zusätzliche Kapitalverstärkung kriegt zu einem Satz von 1,4 oder zu einem Satz von 1,5, je nachdem wie sich gerade etwa der Euro entwickelt hat. Das wäre zu viel. Aber die entscheidende Sache ist, schnell informiert zu werden, das in einem kleinen geheimen Gremium, in diesem Ausschuss, der das kontrolliert, und dann übrigens, wenn man der Meinung ist, dass es nicht richtig läuft, schnell anfängt, Gesetzesänderungen zu machen, die das Handeln des Fonds einschränken. Dieses Wechselspiel sorgt dafür, dass wir schon eine Möglichkeit des Einflusses haben. Anders sehe ich geht es nicht.

    Heinemann: Herr Fricke, Stichwort Information. Die FDP wirft der Bundesregierung vor, das Parlament falsch informiert zu haben. Dem Bundesfinanzminister habe bereits Anfang August ein Prüfbericht der Depfa - also des angeschlagenen Tochterunternehmens der Hypo Real Estate Bank - vorgelegen. Hat Ihrer Meinung nach Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die Unwahrheit gesagt?

    Fricke: Ich werde nicht sagen, dass Herr Steinbrück die Unwahrheit gesagt hat, weil ich einfach den Fall aufklären will. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist mir nicht klar, warum uns als Parlament immer gesagt worden ist, also da ist gar nicht in Irland geprüft worden, gleichzeitig aber Herr Sanio in der Ausschusssitzung am Mittwoch, die ich geleitet habe, uns dann zur Überraschung aller und ich sage Ihnen - das ist mein Bemerken als Ausschussvorsitzender, wo in der Nähe das Ministerium auch sitzt - auch zur Überraschung des Ministeriums dann von dieser Prüfung erzählte. Und jetzt gibt es im Detail einen Streit, was Teil, was Inhalt der Prüfung war. Diese Prüfung erfolgte übrigens, weil die irische Aufsicht der deutschen Aufsicht das erlaubt hat. Ich bin da nicht jemand, der sofort sagt, der hat gelogen. Das ist mir einfach - mag komisch klingen - zu unchristlich, jemand anderen sofort der Lüge zu bezichtigen. Da werden wir noch Fakten und Aufklärung haben. Ich habe gestern Nachmittag dann einen Brief von Herrn Sanio in meiner Funktion als Ausschussvorsitzender bekommen, worin er das erklärt hat. Das ist noch alles etwas widersprüchlich. Wir müssen jetzt auch mal das Protokoll noch an der Stelle abwarten, denn es wird nachher um Fragen gehen, die heißen, hat er über Liquidität gesprochen bei der Depfa, oder hat Herr Sanio mehr über Fragen des Risikomanagements gesprochen. Sie merken: Es wird sehr spitzfindig und da bin ich sehr vorsichtig. Ich habe jedenfalls viele Bedenken und ich gebe auch ehrlich zu, für meine Fraktion ist das, was die Kommunikation angeht, schon sehr dubios, was da in dem Bereich passiert ist.

    Heinemann: Zurück, Herr Fricke, zum Gesamtpaket. Die Bundeskanzlerin sang in diesen Tagen das hohe Lied auf den Staat. Angela Merkel:

    Angela Merkel: Es hat sich etwas gezeigt, was selten vorkommt. Der Staat war und ist die einzige Instanz, um das Vertrauen zwischen den Banken wieder herzustellen, und zwar zum Schutz der Bürger und nicht zum Schutz von Bankinteressen.

    Heinemann: Sie haben gesagt, Herr Fricke, Sie werden zustimmen. Entdeckt jetzt auch die FDP den Staat?

    Fricke: An der Stelle muss sie nicht den Staat entdecken, sondern weiß sie, dass es der Staat ist. Wir werden als Liberale im Moment, weil es so schön ist und weil es ein gutes Vorurteil ist, als "die Bösen" bezeichnet. Erstens: Zehn Jahre waren wir nicht an der Regierung. Persönlich sage ich leider, aber Fakt ist das. Das heißt, hier hat es ein Staatsversagen gegeben, dass es zu einer solchen Situation gekommen ist. Zweitens aber: Wir verstehen soziale Marktwirtschaft so, dass grundsätzlich - und das muss ich in einem Bild sagen - der Staat für ein Bild den Rahmen klar vorgibt, den Rahmen auch fest hält, aber nicht bestimmt, wird jetzt Renaissance gemalt, wird Popkultur gemalt, wird Neorealismus, der blaue Reiter gemalt. Hier ist es jetzt aber so, dass wir nicht in einer Situation sind, wo es um den Rahmen geht, der sicherlich in der Vergangenheit zu schlecht war, sondern wo das Bild, um das so zu sagen, aus dem Rahmen gefallen ist und nur der Staat aufgrund seiner Finanzkraft, die Finanzkraft der Steuerzahler, die wir schützen müssen, in der Lage ist, das Bild wieder in den Rahmen zu bringen. Solange wie diese Notsituation ist, ist es der Staat, muss es der Staat sein und muss man dem Staat dann auch flexible Mittel geben. Danach kann man dann, wenn die Märkte sich beruhigt haben, ganz klar wieder sagen, innerhalb des Rahmens Aufgabe der Märkte.

    Heinemann: "Da täglich neue Finanzierungsinstrumente geschaffen werden, für die keine Regeln bestehen, werden sich Bankenkrisen in Zukunft häufen." Dieses Zitat ist zehn Jahre alt, stammt aus einem Buch von Oskar Lafontaine. Wieso hat eigentlich kein Liberaler auf diese Gefahren hingewiesen?

    Fricke: Jetzt wird es komisch. Diese Weisheit von Oskar Lafontaine, der immer alles gewusst hat, aber immer dann, wenn er was verändert hat, nicht mehr da war, die ist da. Richtig ist an der Stelle: Wieder und wieder muss der Markt sich darauf einstellen, dass seine Teilnehmer sich verändern.

    Heinemann: Aber diese Weisheit haben die Liberalen verschlafen?

    Fricke: Nein, glaube ich nicht. Jetzt könnten wir ins Detail gehen und ich müsste Ihnen jetzt vorlesen aus bestimmten Anträgen. Nehmen wir etwa die Zusammenlegung der Finanzaufsicht, die ja scheinbar nun wirklich versagt hat. Da war es die FDP, die immer darauf gedrängt hat, dass wir eine einzeilige, einstämmige klare starke Finanzaufsicht haben und eben nicht diese Zersplitterung. Im Übrigen kann ich nur sagen, soziale Marktwirtschaft, so wie wir sie verstehen, heißt immer wieder Kontrolle und Anpassung. Es heißt nicht nach dem Motto "frei laufen lassen". Das ist nicht das, was wir unter Marktwirtschaft verstehen, sondern das ist dann ein Kapitalismus, wie wir ihn jedenfalls in der Prägung des deutschen Wortes Kapitalismus - das wird draußen im Ausland etwas anders gesehen - als Liberale nicht wollen.

    Heinemann: Herr Fricke, entwickelt sich die Vision eines ausgeglichenen Haushalts bis 2011 heute endgültig zur Utopie?

    Fricke: Es könnte passieren. Wir haben viel, glaube ich, in der letzten Nacht noch dafür getan, dass es das nicht wird. Erstens: Es war unverantwortlich nach meiner Meinung von Kanzlerin und Minister, diese Frage 2011, das Ziel der Null-Neuverschuldung 2011 in Frage zu stellen, und das in Verbindung mit der Finanzmarktkrise. Zweitens: Dieser Fonds, den wir bilden, kann, wenn wir uns Schweden angucken, die ja eine ähnliche Krise, wenn auch in viel kleinerer Nummer hatten, auf Dauer mit einer schwarzen Null enden. Das hängt davon ab, wie wir in Banken und Finanzunternehmen reingehen und wie wir wieder aus ihnen herausgehen. Drittens: Die Finanzkrise selber wird Auswirkungen auf die Realwirtschaft mit Sicherheit auch haben. Herr Glos wird ja mit einem niedrigeren Wachstumsziel heute Morgen, glaube ich, ins Parlament gehen. Und viertens: Aus der Tatsache, dass wir nicht so ein starkes Wachstum haben, ergibt sich, dass wir nicht mehr eine Sanierung des Haushaltes nur über die Einnahmenseite machen können, sondern dass wir es machen müssen über die Ausgabenseite und sagen müssen, was ist zwar schön zu haben, aber nicht notwendig, und was ist essenziell für unseren Staat.

    Heinemann: Der FDP-Politiker Otto Fricke, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.