Die Sprache gibt den Löffel ab
Wer kommt in meine Sprache?
Frag ich dich
frag du mich
du Schlaflose.
Komm
frag mich doch, du mich doch, ich dich dann wieder.
Gibt es das Tor in deiner Sprache
das auf mein Herzklopfen sich öffnet?
Hör mich doch, du mich doch, ich dich dann wieder.
Was können die Tränen in deiner Sprache?
Was können Tränen in deiner Sprache
wenn ich von der
Rebe
der Rebe des Weinen
die salzigen Trauben
heimkarre
und sie
auf dein Gesicht lege
lässt du sie dann rollen, rollen sie in deiner Sprache?
Frag ich dich, frag du mich, du mich doch, ich dich dann wieder.
Wollen sie heim
die erratenen Worte
heim in die Dämmerungsanstalt?
Was musst du dann abgeben, du in deiner Sprache?
Du, den Löffel.
Ich, ich in meiner Sprache den Schlüssel.
Da liegen noch ein paar Vergleiche im Keller.
Ich bin schuld! Du bist schuld!
Wer ist schuld!
Die verdammten Ratten sind schuld!
Frag du mich, frag ich dich, du mich doch, ich dich dann wieder.
Was erwartet die Hand in deiner Sprache?
Ich hatte ihren Kopf, einen an jedem Arm
damit ließe sich etwas anfangen
anfassen, umarmen.
Dir zeigt sie nur ihre Kehle
die Handkehle.
Was kann eine Kehle
außer singen, oder schreien
einschießen in die volle Traube.
Dann sing eben, sing, schrei, verschluck dich
schluchze, röchle
speie die Kummerbrocken
auf ein weißes Blatt:
Ein Bild. Ein Mädchen und eine Wildgans. Die Gans hat ein Bein hochgezogen.
Das Mädchen lehnt den Kopf an ihren dünnen langen Hals.
Wer kommt in meine Arme
hör ich dich, mich, hör du mich
hör doch
die erratenen Worte
haben das Herztor aufgestoßen
die Trauben
zertreten, zertreten, zertreten
Lass uns tauschen
gib mir den Löffel
nimm du den Schlüssel.
Frag ich dich
frag du mich
du Schlaflose.
Komm
frag mich doch, du mich doch, ich dich dann wieder.
Gibt es das Tor in deiner Sprache
das auf mein Herzklopfen sich öffnet?
Hör mich doch, du mich doch, ich dich dann wieder.
Was können die Tränen in deiner Sprache?
Was können Tränen in deiner Sprache
wenn ich von der
Rebe
der Rebe des Weinen
die salzigen Trauben
heimkarre
und sie
auf dein Gesicht lege
lässt du sie dann rollen, rollen sie in deiner Sprache?
Frag ich dich, frag du mich, du mich doch, ich dich dann wieder.
Wollen sie heim
die erratenen Worte
heim in die Dämmerungsanstalt?
Was musst du dann abgeben, du in deiner Sprache?
Du, den Löffel.
Ich, ich in meiner Sprache den Schlüssel.
Da liegen noch ein paar Vergleiche im Keller.
Ich bin schuld! Du bist schuld!
Wer ist schuld!
Die verdammten Ratten sind schuld!
Frag du mich, frag ich dich, du mich doch, ich dich dann wieder.
Was erwartet die Hand in deiner Sprache?
Ich hatte ihren Kopf, einen an jedem Arm
damit ließe sich etwas anfangen
anfassen, umarmen.
Dir zeigt sie nur ihre Kehle
die Handkehle.
Was kann eine Kehle
außer singen, oder schreien
einschießen in die volle Traube.
Dann sing eben, sing, schrei, verschluck dich
schluchze, röchle
speie die Kummerbrocken
auf ein weißes Blatt:
Ein Bild. Ein Mädchen und eine Wildgans. Die Gans hat ein Bein hochgezogen.
Das Mädchen lehnt den Kopf an ihren dünnen langen Hals.
Wer kommt in meine Arme
hör ich dich, mich, hör du mich
hör doch
die erratenen Worte
haben das Herztor aufgestoßen
die Trauben
zertreten, zertreten, zertreten
Lass uns tauschen
gib mir den Löffel
nimm du den Schlüssel.
(aus: Orsolya Kalász, alles, was wird, will seinen strauch, Gutleut Verlag 2007)
"Gibt es das Tor in deiner Sprache / das auf mein Herzklopfen sich öffnet?", fragt eine Person ihr Gegenüber in Orsolya Kalász Text "Die Sprache gibt den Löffel ab". Im Februar dreht sich bei lyrix alles um Sprache und das Verstanden-Werden. Was ist es, das zwei Menschen "dieselbe Sprache" sprechen lässt? Wieso verstehen sich die einen, sind einer Meinung, schwimmen auf einer Wellenlänge, während andere pausenlos "aneinander vorbeireden", obwohl sie doch eigentlich dieselben Worte benutzen?
Sprache ist mächtig. Die Worte, in denen wir denken, prägen unsere Wahrheiten und Wahrnehmungen. Mit Sprache können wir manipulieren, diejenigen ausgrenzen, die sie nicht verstehen. Schon ein kleines, unbedachtes Wort kann eine Beziehung zerstören – es hat aber auch die Macht, zu verbinden. Wenn wir im übertragenen Sinne die Sprache eines anderen sprechen, sind wir ihm nahe und fühlen uns verstanden. Verkompliziert wird dieses Verständnis, wenn zwei Menschen eine andere Muttersprache haben. Orsolya Kalász, die auf Deutsch und in ihrer Muttersprache Ungarisch schreibt, macht genau dies, die Zweisprachigkeit und den Sprachwechsel, zum wiederkehrenden Thema ihrer Texte. Wie kann man in einer anderen Sprache Nähe herstellen, sich wie gewünscht ausdrücken, verstanden werden? Das "Tor zur Sprache" ist für den einen dann vielleicht ein Schlüssel, für den anderen ein Löffel: "Lass uns tauschen / gib mir den Löffel / nimm du den Schlüssel."
Wo ist das "Tor zu eurer Sprache"? Mit wem sprecht ihr dieselbe Sprache? Was macht Sprache möglich oder unmöglich? Wie kann man sich "verstehen", wenn man eine andere Sprache spricht? Fühlt ihr euch in eurer ganz persönlichen Sprache verstanden?
Schickt uns eure Texte zum Thema "Das Tor in deiner Sprache"! Wir freuen uns auf eure Worte in eurer Sprache!
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Die Unterrichtsmaterialien zum Download findet ihr HIER.
Orsolya Kalász
Die ungarische Lyrikerin und Übersetzerin Orsolya Kalász (* 1964 Dunaújváros, Ungarn) wuchs zweisprachig auf. Im Jahr 1984 begann sie zu veröffentlichen. Die eigene Lyrik schreibt sie mal in der ungarischen, mal in der deutschen Sprache. Sie überträgt die eigenen Texte selbst in die zweite Sprache, was ihr eher als Variation gerät. Außerdem übersetzt sie neue ungarische Lyrik ins Deutsche in Zusammenarbeit mit der Lyrikerin Monika Rinck oder mit Matthias Kniep. Seit 1995 hat Orsolya Kalász ihren Wohn- und Arbeitsort in Berlin.
Die ungarische Lyrikerin und Übersetzerin Orsolya Kalász (* 1964 Dunaújváros, Ungarn) wuchs zweisprachig auf. Im Jahr 1984 begann sie zu veröffentlichen. Die eigene Lyrik schreibt sie mal in der ungarischen, mal in der deutschen Sprache. Sie überträgt die eigenen Texte selbst in die zweite Sprache, was ihr eher als Variation gerät. Außerdem übersetzt sie neue ungarische Lyrik ins Deutsche in Zusammenarbeit mit der Lyrikerin Monika Rinck oder mit Matthias Kniep. Seit 1995 hat Orsolya Kalász ihren Wohn- und Arbeitsort in Berlin.
Veröffentlichungen:
alles was wird, will seinen strauch: Ami volt, még bokor akar lenni. Gedichte. Mit einem Essay von Monika Rinck (Gutleut Verlag 2007)
alles was wird, will seinen strauch: Ami volt, még bokor akar lenni. Gedichte. Mit einem Essay von Monika Rinck (Gutleut Verlag 2007)
Ich habe keine andere Wahl als einen Garten zu finden: Más választásom nem marad mint találni egy kertet. Gedichte. Mit Zeichnungen von Jutta Obenhuber (Gutleut Verlag 2006)
Babymonster und die Gärtner: Babarém és a kertészek. Gedichte (Connewitzer Verlagsbuchhandlung 1997)
Jeden Monat ist »lyrix« zu Gast in einem deutschen, österreichischen oder Schweizer Museum und lässt Lyrik auf Kunst treffen. Angelehnt an das aktuelle Leitmotiv findet dort eine Schreibwerkstatt oder eine Autorenbegegnung mit einem zeitgenössischen Lyriker statt. Wer sich für diese Werkstätten und Begegnungen interessiert, schreibt einfach eine Mail an info-lyrix@deutschlandradio.de.
Im Februar 2016 besuchen Orsolya Kalász und »lyrix« das Museum Bad Arolsen. Das Museum hat als Inspiration eine Bronzestatue ausgewählt, die auf eine Gestalt der griechischen Mythologie verweist: den Hermaphroditos, ein Zwitterwesen mit sowohl männlichen als auch weiblichen Körpermerkmalen.
Hyazinth
Der französische Hofbildhauer François-Joseph Bosio schuf diese Jünglingsgestalt. In der Auffassung beruft sich der Künstler auf die antike Hermaphrodite, das männlich-weibliche Zwitterwesen mit allen Zügen körperlicher Schönheit. Hyazinth wird sowohl von Apoll als auch Zephyr, dem warmen Westwind, geliebt. Letzterer lenkt schließlich aus Eifersucht eine Diskusscheibe gegen ihn, so dass er tödlich zusammenbricht. Bosio zeigt Hyazinth vor dem Wurf der Diskusscheibe, in ausdrucksarmer selbstvergessener Ahnungslosigkeit und durchaus ein wenig kaltsinnig.
Der französische Hofbildhauer François-Joseph Bosio schuf diese Jünglingsgestalt. In der Auffassung beruft sich der Künstler auf die antike Hermaphrodite, das männlich-weibliche Zwitterwesen mit allen Zügen körperlicher Schönheit. Hyazinth wird sowohl von Apoll als auch Zephyr, dem warmen Westwind, geliebt. Letzterer lenkt schließlich aus Eifersucht eine Diskusscheibe gegen ihn, so dass er tödlich zusammenbricht. Bosio zeigt Hyazinth vor dem Wurf der Diskusscheibe, in ausdrucksarmer selbstvergessener Ahnungslosigkeit und durchaus ein wenig kaltsinnig.
Museum Bad Arolsen – Christian Daniel Rauch-Museum
Das Museum Bad Arolsen befindet sich in fünf architektonisch unterschiedlichen Gebäuden. Vom Schloss über den Marstall, das Beamten- oder Kaufmannshaus, das Handwerkerhaus bis zum Lakaienhaus reicht das Spektrum.
Das Museum Bad Arolsen befindet sich in fünf architektonisch unterschiedlichen Gebäuden. Vom Schloss über den Marstall, das Beamten- oder Kaufmannshaus, das Handwerkerhaus bis zum Lakaienhaus reicht das Spektrum.
Die Alte Nationalgalerie beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen von Kunst des 19. Jahrhunderts. Sie besitzt umfangreiche Skulpturenbestände, aus denen für das Museum in Bad Arolsen eine reiche Auswahl zusammengestellt wurde.
Der Schwerpunkt liegt auf Werken von Christian Daniel Rauch, der in Arolsen geboren wurde und als ein Hauptmeister des deutschen Klassizismus geschätzt wird. Durch das vielfigurige Denkmal Friedrichs des Großen Unter den Linden in Berlin und durch seine Darstellungen der Königin Luise von Preußen – darunter der Sarkophag in Charlottenburg – ist der Künstler stets im allgemeinen Bewusstsein gegenwärtig geblieben.
Hinzu treten Werke, die die Entwicklung der deutschen und internationalen Skulptur im 19. Jahrhundert erhellen. Es entsteht ein reiches Bild der Kunstszene der Goethezeit mit ihren Bezügen auf die Antike einerseits und mit ihren realistischen Bezügen andererseits.