Freitag, 19. April 2024

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Federico García Lorcas "Yerma" in Dresden
Mann will Geld, Frau will Kind

Yerma wird mit einem Mann verheiratet, den sie nicht liebt. Sie liebt einen anderen, doch aus Anstand bleibt sie bei Juan. Die Ehe bleibt kinderlos. Zu Lorcas Zeiten ein gewagter Stoff. Kann uns das Schicksal von Yerma auch heute noch etwas sagen?

Von Eberhard Spreng | 28.04.2018
    Ein Foto des Schriftstellers Federico García Lorca.
    Ein Foto des Schriftstellers Federico García Lorca. (imago/GranAngular)
    Eine Frau tanzt beschwingt; eine Prima Ballerina umringt von einem Chor von zwölf jungen Frauen. Aber dann kommen diese zu Flamencorhythmen immer näher, bedrängen sie mit dem immer engeren Kreis ihrer zusammenrückenden Stühle und ersticken ihren Tanz. Dieser Chor wird in Kriegenburgs bilderstarker Dresdener Inszenierung zum kollektiven Alter Ego der Protagonistin: Und wenn Yerma zum ersten Mal auf ihren arbeitseifrigen Ehemann Juan trifft, dann bestimmen Frauen aus dem Chor die Gesten der Beiden, rücken sie wie lebensgroße Puppen von Körperposition zu Körperposition: Zwei Menschen unter dem Diktat der öffentlichen Meinung. Das ist auch der Grund, warum das, was doch im Dialog der Ehepartner als privat gelten könnte, zunächst in der Öffentlichkeit gesagt wird, bevor das Gespräch der Beiden in einem engen Innenraum wiederholt wird.
    An der Seite eines Mannes, der sich nichts aus Sex macht und den sie nicht liebt
    Mann will Geld, Frau will Kind, so der Plot in Federico García Lorcas tragischem Gedicht und dieser lässt sich leicht in die Gegenwart übersetzen. Anders steht es mit der Story. Yerma bleibt eisern, trotz vergeblichem Kinderwunsch, an der Seite eines Mannes, mit dem sie ihr Vater aus ökonomischen Gründen verheiratet hat, der sich nichts aus Sex macht und den sie nicht liebt. Obwohl da doch auch der Hirte Victor wäre, der einzige Mann, dessen Umarmung ihren Körper einst in Beben versetzt hatte. Diese selbstzerstörerische Rücksicht auf Ehre und Anstand ist der psychologischen Ausdeutung heute schwer zugänglich. So hat sich denn Kriegenburg in mächtigen, kühlen und streng geometrischen Bildern an der Emblematik des metaphernreichen Textes abgearbeitet.
    Das Dekor des Harald Thor ist nichts weiter als ein heller, nur zum Publikum hin offener Kubus, in den gelegentlich ein weiterer kleiner Kubus hineingeschoben wird. Juan und Yermas kleiner Privatraum ist die enge Dopplung einer leeren Welt. Getrennt von einem langen Tisch vegetieren die beiden in ihrem freudlosen Dasein. Einmal sehen wir sie bei einer unendlich müden und lustlosen Verrichtung, für die sogar das dröge Wort "Beischlaf" schon zu feurig ist. Und immer wieder mischt sich der Chor, mal als eine kollektive Mutter-Kind-Idylle, mal als eine Waschhausgesellschaft ins Geschehen.
    Bizarre Todesvögel in langen zotteligen Kleidern
    Andreas Kriegenburgs Inszenierung ist in einer fein gearbeiteten Abfolge der Choreografien, der Farbdramaturgie, der klaren Architekturen und Lichtstimmungen immer gediegene Unterhaltung. Die aufgeschlagene blutrote Wassermelone vor dem blütenweißen Kleidchen; die alten Jungfern, die Juan zur Überwachung seiner Frau ins Haus holt, wie bizarre Todesvögel in langen zotteligen Kleidern und vieles mehr. Nur einmal darf der Chor aus der schönen und etwas toten Bildhaftigkeit aus der Rolle, ins Heute und zur Vorderbühne ausscheren, zu einem von der Souffleuse dargereichten, sündhaft rotem Lippenstift, während nur eine im andalusischen Verbotsmodus verbleibt und vor einer Herpesinfektion warnt. Aber auch das kann nicht vergessen machen, dass das von Susanne Lange überdies bis zur Freudlosigkeit nüchtern übersetzte Stück Poesie heute den wachsenden Wahnsinn der Protagonistin kaum noch vermitteln kann.
    Bitterer Showdown in den Szenen einer Ehe
    Die junge Deleila Piasko spielt sie als verführerische junge Frau an der Seite eines Simon Werdelis, der seine fühllose Verstocktheit allenfalls als sture Introvertiertheit vorführt. Ein Macho sieht anders aus. Er ist in einer hellen Welt voller lebenslustiger Frauen eine schwarz gekleidete Leerstelle, ebenso wie der von allen geliebte Victor. Die beiden Männer sind kaum mehr als Projektionen der Frauen und doch bleibt Juan am Ende der Bestimmer. Er will kein Kind und basta! Deshalb kommt es am Ende dann doch, nach der schönen Ordnung der Bilder, zum bitteren Showdown in den Szenen einer Ehe: In einem Berg von Klamotten erwürgt Yerma ihren reichtumsverliebten Gatten. Wäre diese Whitebox eine theatrale Installation in einem Kunsthaus, es wäre ein purer dreistündiger Genuss. Im ungleich politischer konnotierten Versammlungsraum Theater sucht man letztlich vergeblich nach Resonanzen für die heutigen Schlachten im Krieg der Geschlechter.